Rezension: Das Heldenbrevier der Siebenwindküste

Vorbemerkung: Die neue Publikationsstrategie von Ulisses sieht eine vereinheitlichte Vorgehensweise für alle Regionalbände vor, wozu nun auch eine Reihe von Erweiterungsbänden gehören. Für den atmosphärischen Teil ist dabei das Heldenbrevier zuständig, indem typische Figuren einer Region mit stilprägenden Elementen konfrontiert werden, das alles natürlich vor dem Hintergrund eine kleinen Reise durch ausgewählte Gebiete. Für die Siebenwindküste bedeutet dies vor allem, dass eine prägende Thematik in den Vordergrund gestellt wird: die Beziehung der Albernier zu den Feenwelten und ihren Bewohnern. Tatsächlich findet sich genau dies im Heldenbrevier von Carolina Möbis wieder, nun in Erzählform.

In Zahlen:

– 160 Seiten (DinA6)

– 5 Erzähler

– Preis: 14.95 Euro

– Erschienen am 30.3. 2017

I. Aufbau und Inhalt

Erneut ist das Brevier eine Ansammlung von Einzelberichten aus der Perspektive der beinhalteten Figuren, die kombiniert eine zusammenhängende Handlung ergeben, womit sich im Prinzip quasi ein kurzer DSA-Roman entwickelt. Formal handelt es sich um eine Mischung aus Brief- und Tagebuchroman. Als Erzähler fungieren dabei gleich fünf unterschiedliche Figuren: die Magistra Tibraide Gorbas, die Bardin Yanna ni Rianod, der Heckenritter Jorm Dunkelholz, der Sippenkrieger Stuaich Kleibock und die Inseljunkerin Branwen ni Cerwyn, allesamt gebürtig aus der Region stammend.

Inhaltlich wird die Geschichte einer Heldengruppe erzählt, die sich zusammengefunden hat, um den entführten Feenritter Cancradoc aus den Händen seiner Peiniger zu retten. Gemeinsam ist den Figuren, dass sie alle auserwählt wurden, die Mission auf sich zu nehmen und unabhängig voneinander Visionen erfahren, die sie auf die Spur des Verbrechens setzen.

Reisen die Protagonisten zunächst noch unabhängig voneinander, wächst im weiteren Verlauf die Gruppe nach und nach an, wobei dies nicht immer einfach gestaltet wird, sondern oft mit einer gehörigen Portion an gegenseitigem Misstrauen begleitet wird, schließlich sind sich alle Beteiligten untereinander völlig unbekannt. Eine Besonderheit ist zudem, dass eine der Beteiligten nicht Mitglied der Heldengruppe ist, sondern im Gegenteil der Truppe der Entführer angehört.

Die Geschichte spielt sich dabei nicht an einem Ort ab, sondern gliedert sich als Verfolgungsjagd in mehrere Etappen, wobei viele wichtige Orte der Region besucht werden, u.a. das Seenland und die Muhrsape. Das Finale findet schließlich in Havena statt.

II. Kritik

Auch die kleinen Begleitbücher entwickeln sich langsam zu einer Institution, eben mit der sichtbaren Aufgabenstellung, die Fakten aus dem Regionalband durch eine beispielhafte Erzählung zu unterfüttern, die primär die typische Atmosphäre der Region transportieren soll, wobei auch auf genau solche Figuren als Protagonisten zurückgegriffen wird, die dort beheimatet sind.

Und in dieser Hinsicht leistet der Band meiner Auffassung nach tatsächlich gute Arbeit, vor allem gelingt es, die Heldentypen so darzustellen, dass sie trotz ihrer regionalen Verwurzelung glaubhaft den Weg in das große Abenteuer wagen. Ähnliches gilt für die Verbindung der Siebenwindküste zu den Feen, diese bestimmende Thematik des Regionalbandes wird hier auf interessante Weise aufgenommen und sogar im Vergleich zum üblichen Schema variiert, wird hier doch keine Feenglobule aufgesucht, sondern ein Feenwesen in die reale derische Sphäre entführt. Somit gelingt es auch, die regionalen bzw. lokalen Aspekte einzubringen, wobei ich die Konzentration auf ausgewählte Gegenden nachvollziehen kann, eine komplette Rundreise wäre zu konstruiert und unglaubwürdig.

Die fünf Erzählperspektiven ergänzen sich gut, vor allem halte ich es für eine passende Erweiterung, dass dieses Mal auch eine antagonistische Sichtweise gewählt wurde. Positiv in Sachen Machart erweisen sich für mich auch die schönen Illustrationen, die viel regionales Flair transportieren und durchaus zeigen, dass trotz der Weiterentwicklung hin zu einem meist vollfarbigen DSA5-Desgn auch Schwarz-Weiß-Zeichnungen ihre Daseinsberechtigung haben.

Abstriche sehe ich in punkto Story, hier muss man ehrlicherweise sagen, dass die gesamte Geschichte letztlich sehr konventionell wirkt. Die Erzählperspektiven ergänzen sich zwar gut, allerdings weisen gleich 5 unterschiedliche Instanzen eben auch die Schwierigkeit auf, dass nur wenig Raum zur Charakterisierung bleibt, wodurch die Figuren wenig Tiefenschärfe aufweisen und letztlich auf wenige Charakterzüge reduziert werden. Briefe und Tagebucheinträge haben zudem den Nachteil, dass das Schicksal der Figuren meist vorhersehbar bleibt, was ein wenig die Spannung aus dem Geschehen nimmt, ein positives Ende zeichnet sich doch recht früh ab. Schließlich reflektieren die Figuren Vergangenes, anstatt dass der Schwerpunkt auf Momentaufnahmen mit offenen Enden gelegt wird. Nichtsdestotrotz hat der Band für mich einen guten Unterhaltungsfaktor, liest sich zudem schnell und unkompliziert, in meinen Fall hat eine Zugfahrt von Köln nach Hamburg mehr als ausgereicht, um das Heldenbrevier zu verschlingen. Denn umgekehrt hat der Stil auch etwas im besten Sinne Altmodisches, es ist ein ruhiges Erzählen, das zwar wenig Dramatik aufkommen lässt, dafür aber gut geeignet ist, um genaue Beschreibungen zu liefern.

III. Fazit

„Das Heldenbrevier der Siebenwindküste“ erfüllt seine Aufgabe, die sachlichen Beschreibungen des Regionalbandes mit anschaulichem Erzählmaterial zu unterfüttern in Gänze und bietet dem Leser kurzweilige Unterhaltung, besonders die Verbindung der Welt der Feen mit der der Normalsterblichen als zentrale Thematik wird dabei anschaulich unterstrichen. Der Spannungsaufbau ist eher gemächlich ausgefallen, was vornehmlich dem Briefstil geschuldet ist, wodurch die Figuren vergleichsweise oberflächlich charakterisiert werden.

Bewertung: 4 von 6 Punkten

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