Was ist Vielfalt?

Im Netz in Sachen DSA querzulesen zählt zu meinen alltäglichen Gewohnheiten. Während man in manchen Bereichen, z.B. Foren täglich fündig wird, gibt es andere Seiten, die nur ab und an Lebenszeichen senden. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass der hochgeschätzte Arkanil mal wieder von sich hören lässt. Und tatsächlich äußert er sich aktuell sehr kontrovers, wenn er die These aufstellt, die DSA-Community wirke momentan erschlafft. Dazu folgen einige mögliche Theorien zur Begründung, u.a. die eventuell große Zufriedenheit aktiver Spieler mit der 5. Edition oder gegenteilig die Abwendung vormals sehr aktiver kreativer Köpfe oder Diskutanten. Die Diskussion findet dabei sicher nicht im luftleeren Raum statt, z.B. gab es unlängst ähnliche Stimmen im DSA-Forum, ausgehend von der Frage, warum z.B. die Rezensionsthreads dort seit Jahren rückläufige Beitragszahlen haben. Meine eigenen Eindrücke sind allerdings eher gegenteilig, wenn ich die Netzaktivitäten 2017 mit dem vergleiche, was vor 5-6 Jahren der Fall gewesen ist, dann sehe ich eigentlich eine größere Vielfalt.

Die guten alten Zeiten…

Unstrittig ist wohl die Tatsache (auch durch Umfragen belegt), dass DSA ein Nischenhobby ist: Das Tischrollenspiel hat seine Ursprünge in Zeiten, als der häusliche PC noch nicht der Regelfall war, mittlerweile ist das virtuelle Angebot schlichtweg enorm groß und reichhaltig, sicherlich auch an die Konsumgewohnheiten von Jugendlichen angepasst, gerade was den Rollenspielbereich betrifft. Und DSA-Produkte findet man eben nicht mehr in großen Spielwarenläden, sondern in den kleinen Läden, oft betrieben von Herzblut-Rollenspielern. Der durchschnittliche DSA-Spieler ist Ende der 80er oder Mitte der 90er zu seinem Hobby gekommen, demgemäß liege ich da als Mittdreißiger voll im Trend. Und während man selbst als Jugendlicher zum Hobby gekommen ist, hat man heute als Vollberufstätiger oder auch als Mutter/Vater schlichtweg deutlich weniger Zeit, auch das liest man immer wieder als Situationsbeschreibung vieler langjähriger Rollenspieler. Sprich: Die Zahl derjenigen, die mit DSA etwas anfangen können oder gar noch aktiv spielen, ist schlichtweg überschaubar, Marktführer DSA in Deutschland hin oder her.

Trotzdem sehe ich im Netz immer noch eine große Vielfalt, allerdings sind auch klare Verschiebungstendenzen erkennbar: So sind z.B. tolle Kreativportale wie Windfeders Wolkenturm schon lange offline, in den beiden größten Foren, dem dsa4-Forum und den verlagseigenen Foren herrscht eher zyklischer Betrieb, genauso scheint das großartige Wiki Aventurica mangels allzu vieler aktiver Schreiber Probleme zu haben, auf dem neuesten Stand zu bleiben.

Lesen ist uncool!

Dafür ist vor allem der Youtube-Bereich stark im Aufwind, hier herrscht unheimlich viel Betrieb, egal ob es sich um Lets-Plays, Rezensionen oder Podcasts handelt, stellvertretend seien hier die Kanäle von Phexarius oder Nick-Nack genannt, nicht zu vergessen die umtriebigen Macher von Orkenspalter-TV. Wer hier einmal die Bandbreite sehen will, sollte nur spaßeshalber man im Youtube-Filter nachschauen, was alleine in der letzten Woche an neuen Videos erschienen ist, wobei man die Lets-Plays der Computerspiele ruhig außer Acht lassen kann, die Zahl ist trotzdem erstaunlich hoch. Bemerkenswert erscheint mir übrigens, dass hier wenig Mangel an Kreativität zu herrschen scheint, handelt es sich doch vielfach um selbstverfasste Abenteuer, die dort gestreamt werden/wurden.

Genau hier handelt es sich um ein normales Zeitphänomen, Blogs und Foren sind eben vergleichsweise „alte“ Kommunikationskanäle, Youtube oder andere Videoportale hingegen expandieren immer noch stark. Als aktiver Blogger gehe ich zwar nicht davon aus, dass Blogs schon hoffnungslos veraltet sind, sie sind aber fast schon im besten Sinne altmodisch.

Aber auch hier sehe ich nach wie vor eine gute Vielfalt, wenn auch hier stetiger Wandel nicht ausbleibt, stehen sehr aktiven Bloggern auch solche Blogs gegenüber, die schon lange nicht mehr mit neuem Material versehen wurde. Tatsächlich handelt es sich hier vornehmlich eher selten um Inhalte rein kreativer Natur, sondern zumeist um Rezensionen oder ähnliches.

Wer schreibt?

In letzterem Bereich gibt es aber so viele Reaktionen auf neue DSA-Publikationen als zuvor: Rezensionen finden sich u.a. auf Nandurion, Nicos Gedanken, dem Ringboten, Weltenraum und den Teilzeithelden, um nur einige zu nennen. In jüngerer Zeit ist zudem mit Vier Helden und ein Schelm noch eine sehr interessante und lesenswerte neue Station dazugekommen. Bei Asboran ist es zuletzt etwas ruhiger geworden, aber hier hoffe ich doch bald wieder auf neue Lebenszeichen, genau wie sie bei Arkanil ja auch wieder vorhanden sind. Schade ist allerdings, dass Neue Abenteuer nach den Differenzen mit Ulisses ausgestiegen sind. (Kleine Anmerkung: Ich habe in meiner Aufzählung sicher jemanden vergessen, was nicht aus Geringschätzung resultiert, sondern der Tatsache entspringt, dass dies ein eher spontan verfasster Text ist.)

Ein interessanter Aspekt ist die Sichtweise auf das Scriptorium, das wahlweise als rege bediente Plattform für spielbares Material gesehen wird, andererseits als offizielles Verlagsmedium, was dafür sorgt, dass andere, quasi traditionelle Kreativportale wie das Orkenspalter-Archiv oder Simias Werkbank weniger bedient werden. Wobei zumindest ein Blick in die Orkenspalter-Download-Abteilung nahelegt, dass auch dort weiterhin interessante Sachen eingestellt werden. Nichtsdestotrotz lässt sich hier natürlich konstatieren, dass das Scriptorium aktuell großen Zulauf hat, sicherlich auch wegen der Möglichkeit, auf offizielles Material zurückzugreifen, um der eigenen Idee ein professionelles Aussehen zu verschaffen. Ob das nun ein Vor- oder Nachteil ist, vermag ich zur Zeit noch nicht zu bewerten. Offenkundig ist, dass Ulisses es hier geschafft hat, eine Plattform zu schaffen, die von Fans und Kreativen angenommen wird. Sicherlich besteht dadurch ein größerer Zugriff seitens des Verlages auf die Fanressourcen.

Meine fünf Heller…

Ich sehe aber im Prinzip nicht unbedingt die Problematik, dass damit der Charme vergangener Zeiten verlorengegangen ist, weil z.B. kuriose Geschichten nicht mehr zustande kommen, dass Leute einfach mal Erfolg haben und ein eingesandtes Abenteuer veröffentlicht wird. Auch heute noch haben die meisten DSA-Schreiber einen Hintergrund aus der Fanszene, z.B. im Falle der Verfasser des hervorragenden „Das Lied des Lor“.

Mein persönlicher Eindruck ist, dass hier sicherlich auch viele Glaubensfragen eine Rolle spielen, z.B. die heißdiskutierte Editionspräferenz. Von Verlagsseite scheint man ja mit dem Erfolg von DSA5 zufrieden zu sein, naturgemäß aber gibt es sicherlich auch viele, die die Spiel- und Regeltiefe von DSA4 nicht missen möchten und durch die vielen Publikationen noch auf Jahre dort verbleiben wollen. Und andererseits muss ich als aktiver Blogger bei mir selbst feststellen, dass die Resonanz auf das Geschriebene stark unterschiedlich ist, was z.B. kurze Antworten auf meine Artikel angeht oder auch die Klickzahlen vornehmlich zu Rezensionen, die mal mehr, mal weniger hoch sind. Die Zahl der sich über DSA- Publikationen Informierenden dürfte sich nach meiner Einschätzung im niedrigen, maximal mittleren vierstelligen Bereich befinden. Mir persönlich reicht das allerdings vollkommen aus, auch lese ich gerne, was andere dazu von sich geben. Im Moment gibt es täglich irgendwo neue Artikel oder Videos, die Newsfeeds von RSP-Blogs oder die Nachrichten von Nandurion sind reich gefüllt.

Um auf meine Eingangsfrage zurückzukommen halte ich es eher für die Frage, wie man Vielfalt definiert: Im Kreativbereich gibt es eine Fokussierung auf das Scriptorium, das wiederum aber reich befüllt wird, während der eine oder andere Blog kaum bis gar nicht aktiv ist, ist Youtube eben mittlerweile sehr ergiebig. Wie Rezensionen einzuordnen sind, ist eben beispielsweise eine Geschmacksfrage, manche interessieren sich nicht dafür, für mich sind nachvollziehbarerweise eine wichtige Austauschmöglichkeit. Und in der Hinsicht ist die Vielfalt breiter denn je.

Als sehr schade betrachte ich allerdings die rückläufige Beteiligung in den Foren und dem Wiki. Hier ist es auch eine Frage, was jeder individuell will: Braucht man solche Seiten nicht mehr, dann ist es eben leider so, hält man sie für unverzichtbar, ist eben jeder gefragt, sich dort wieder mehr einzubringen. Ich werde letzteres versuchen, wobei ich mich in das Wiki wohl erstmal einarbeiten muss.

7 Kommentare

  1. Ein schöner, aktueller Beitrag der erfreulich gemäßigt daherkommt und einen guten Überblick über die aktuellen DSA Anlaufstellen gibt. Davon werde ich mir auch gleich mal ein paar ansehen die ich noch nicht kenne 🙂

    Das mit dem Wiki finde ich sehr löblich! Für den Einstieg gibt es hier eine Hilfe: http://dsaforum.de/viewtopic.php?f=8&t=45257

    P.S. es heißt nur noch DSAForum, die vier ist gestrichen 😉

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  2. Erst mal an großes Dank an Dich und deinen guten, kritisch-nachvollziehbaren Berichten.
    In der guten alten Zeit gab es kein Internet; es wurde berichtet das früher säckeweise Leserpost DSA erreichten … nur wissen wir nicht was drinnen stand und was davon umgesetzt wurde. Können wir also sagen die Beteiligung war früher größer? Wir wissen es nicht. Aus eigener Erfahrung im Rieslandforum, DereGlobus und WikiAventurica hat sich kaum etwas seit 2009 geändert. Mal springen welche auf den aktiven DSA-Zug auf oder ab. So wie Internetforen verschwanden und neue – die meisten kenne ich noch nicht einmal – auftauchen.
    Erleben wir einen Wandel? Ja, ich denke so etwas gab es in der gesamten DSA-Zeit – nur haben wir vorm Internet davon nichts mitbekommen.

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  3. Schöner Beitrag ganz ohne Polemik und aufgesetzte Empörung. Den Hinweis auf das Anwachsen von Vlogs und generell Videos finde ich wie immer interessant. Allein, ich bin zumeist nach kürzester Zeit wieder abgeschreckt. Regelerklärungen langweilen mich. Meinungsbekundungen, die ich wie bei dir in kürzester Zeit lesen kann, mit minutenlangem Geschwafel und wenig inspirierenden Bildern ertragen zu müssen, geht für mich auch nicht. Lets plays sind noch um ein Vielfaches schlimmer.
    Manche Produktvorstellung und natürlich Interviews sind für mich interessant. Extrem lästig wird es allerdings wenn ich dann zwei Monate später wieder etwas suche und mich wieder durch ein ganzes Video hören muss, um eine gesuchte Information zu finden.
    Aus meiner Sicht werden die Vorteile des Mediums vielfach nicht genutzt und statt dessen eher ungeeignete Inhalte angeboten. Ich behaupte nicht, dass ich das Medium besser bedienen könnte. Mein Bedarf wird allerdings nicht gedeckt.

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