Rezension: Zeichen der Macht- Donnerwacht I

Vorbemerkung: Nachdem ich zuletzt ja mit einer kleinen Eigenkreation selbst im Svelltland unterwegs gewesen bin, führt mich das neueste DSA-Abenteuer direkt wieder in die Region. „Zeichen der Macht – Donnerwacht I“ von Rafael Knop zeigt schon mit dem Cover, dass dieses Mal eine besondere Spezies eine gewichtige Rolle spielen wird, die sonst in Abenteuern eher eine Randerscheinung einnimmt: die Harpyien. Taugen die vollkommen irrationalen Vogelwesen tatsächlich als vollwertige Protagonisten? Gerade diese Frage hat mich seit der Ankündigung vor ein paar Monaten sehr beschäftigt und wird auch in der folgenden Rezension von Bedeutung sein.

In Zahlen:

– 65 Seiten

– Preis: 14,95 Euro

– Erschienen am 26.7. 2017

I. Aufbau und Inhalt

„Zeichen der Macht“ ist ein sehr gradlinig konstruiertes Abenteuer, das einem klassischen narrativen Handlungsaufbau folgt, also an den einzelnen Stationen orientiert ist, in der Reihenfolge, wie die Helden sie durchleben. Zunächst erfolgt eine kurze Vorgeschichte, die immerhin 5.000 Jahre in die aventurische Vergangenheit zurückreicht und die die Hintergründe eines alten Paktes erläutert, innerhalb dessen sich die Hochelfen einer mächtigen Waffe gegen die aus dem Orkland einfallenden Schwarzpelze versicherten. Allerdings ist das Wissen um die Aktivierung dieser Waffe in den vergangenen Jahrtausenden verlorengegangen, nicht zuletzt dadurch, dass die Initiatorin des alten Bündnisses, die Hochelfe Caseya, von Pardona in eine Harpyie umgewandelt wurde.

Dies ist von den Helden zu Beginn allerdings nicht zu erahnen, da ihr erster Auftrag so gar nichts Episches an sich hat, sollen sie doch lediglich ein paar Siedler retten, die angeblich von geflügelten Ungeheuern entführt wurden. Allerdings offenbart sich ihnen schnell, dass sie es hier nicht mit gewöhnlichen Harpyien zu tun haben, wenn diese eine überraschend hohe Intelligenz aufweisen und sie plötzlich vor Caseya stehen, die sich ihnen als die Königin der Harpyien vorstellt und sie um Hilfe bittet, indem sie ihr helfen sollen, ihre verloren gegangene Erinnerung wiederzuerlangen. Als einzigen Anhaltspunkt kann sie ihnen eine Glyphe zeigen, die allerdings ad hoc nicht entschlüsselt werden kann.

Somit ist der zweite Akt nach dieser Einführung auch ein lupenreines Rechercheabenteuer, wenn die Helden sich nach Lowangen begeben, um dort an allen möglichen Horten des Wissens Entschlüsselungshilfen zu suchen. Allerdings stellen sie schon auf dem Weg in die Stadt fest, dass sie nicht die einzigen sind, die um ihren Auftrag wissen, werden sie doch konsequent von einigen Orkrotten verfolgt, die immer wieder nadelstichartige Attacken setzen. In Lowangen sind die wichtigsten Anlaufstationen (Tempel, Magierakademien etc.) angegeben, nebst den Ansprechpartnern und den letztendlichen Informationen, die man dort jeweils erhalten kann. Insbesondere in den Magierakademien lassen sich wichtige Ansprechpartner finden, wie die Magierin Ariana Melethaniem aus der Halle der Macht oder der elfischen Magister Visalyar Wassertänzer aus der Akademie der Verformungen. Letzter kann sogar in der Folge zum Begleiter der Gruppe werden. Die gesammelten Hinweise führen schließlich in den Gashoker Forst.

Hier jedoch stoßen die Helden in vielerlei Hinsicht auf mehr Hindernisse, werden sie doch weiterhin von einer Vielzahl an Orks verfolgt. Und auch im Forst angekommen werden sie von den dort lebenden Auelfen unter Führung des Legendensängers Silgurian Nebelträumer alles andere als herzlich begrüßt, stattdessen versuchen diese die unliebsamen Eindringlinge zu vertreiben, die ja anscheinend mit den Harpyien verbündet sind. Schließlich werden sie jedoch zu einer Ruine im Forst geführt, an dem nun das Finale stattfindet, d.h. wo die Helden einerseits das Rätsel um das alte Bündnis und die Schutzwaffe der Hochelfen lösen können und andererseits die Konfrontation mit den Orks ausgetragen wird. Der Band endet in sich geschlossen mit der Wiederaufnahme eines alten Bündnisses, wobei auch einer der Helden ein Träger dieses Bundes werden sollte.

II. Figuren

Im Laufe des Abenteuers begegnen die Helden gleich einer ganzen Reihe von wichtigen NSCs, wobei natürlich zuvorderst Caseya zu nennen ist, der immerhin die Rolle der ersten Harpyie mit einer eigenen Agenda in 30 Jahren DSA zufällt.

Wichtige Interaktionspartner sind zudem die Magierin Ariana und die beiden Elfen Visayar und Silgurian, die alle schnell dasselbe Interesse an der Lösung des uralten Rätsels entwickeln wie die Helden selbst. Etwas im Hintergrund bleiben die kämpfenden Antagonisten, da man den Orks Orcheggz und Kunurak tatsächlich nur im Kampf begegnet.

III. Kritik

In der Struktur ist der Band, wie schon angesprochen, sehr linear angelegt. Das ist grundsätzlich kein Problem, solange die Helden starken Einfluss auf den Gang der Ereignisse haben. Dies ist tatsächlich aber immer nur eingeschränkt der Fall, im Prinzip sind die wesentlichen Rahmenbedingungen schon vorgegeben, z.B. ist das ungewöhnliche Bündnis mit Caseya und ihren Harpyien alternativlos, da sonst das Abenteuer kaum in Gang kommt. Die zentrale Frage ist eher, wie schnell die Helden die einzelnen Aufgaben lösen, z.B. die Recherche in der Stadt, da davon am Ende abhängt, wie viele Orks ihnen am Ende gegenüberstehen. Sind sie besonders schnell, so müssen sie sich „nur“ mit einer Art Vorhut auseinandersetzen, da der eigentliche Antagonist, der Orkhäutling Kurunak in diesem Fall seinen Rückstand nicht aufholen konnte und deshalb für sein Versagen hingerichtet wird. Diese Lösung ist aber aus meiner Sicht eher unbefriedigend, wenn man einem wichtigen Schurken nicht persönlich den Garaus machen kann. Allerdings ist dieser in jeder Variante ein Gegner, den man maximal vom Hörensagen kennt und nicht von einer vorherigen Begegnung, was ich grundsätzlich unglücklich finde. Ohnehin sind die Orks hier zum reinen Schwertfutter verkommen, die reihenweise niedergemetzelt werden können. Das ist insofern schade, als dass andeutungsweise mit dem Schamanen Aschepelz ein ausgesprochen intelligenter Vertreter seiner Spezies hinter dem Treiben der Schwarzpelze steht.

Dafür gibt es mit der Schwarzmagierin Ariana natürlich eine interessante Gegenspielerin, die gleich mehrere Rollenwechsel durchlebt, beginnend als Informantin, folgend sich als Antagonistin entpuppt und am Ende wieder zähneknirschend als Bündnispartnerin akzeptiert werden muss. Die breite NSC-Palette ist ohnehin eine der Stärken des Abenteuers, auch weil gerade die Verbündeten nicht einfach zu gewinnen sind, sondern erst von der Mission der Helden überzeugt werden müssen. Das liegt natürlich vor allem an Caseya, der wohl ungewöhnlichsten Figur. Hier gefällt mir vor allem die Anlage zwischen dem quasi üblichen Wahnsinn einer Harpyie und dem Ringen um Kontrolle durch den Verstand einer Hochelfe.

Das ist letztlich der interessanteste inhaltliche Schwerpunkt des Abenteuers. Immerhin wird hier ein völlig anderer Zugang zu Harpyien gewählt als sonst. Traditionell hat man eher den Eindruck, als könnten DSA-Autoren mit dieser Spezies wenig anfangen, fristen sie doch dramaturgisch so gut wie immer ein Dasein als Zufallsbegegnung oder bestenfalls als ein Reisehindernis. Eine Harpyie als Auftraggeber ist – zumindest meinem Wissen nach – völlig neuartig, genauso wie die Tatsache, dass es ihr zumindest teilweise gelingt ihre Triebsteuerung zu überwinden und sie stattdessen eine klare Agenda verfolgt und diese Rolle als Verbündete der Helden konsequent durchhält. Letzteres wird allerdings ein wenig übertrieben, da die Harpyien für meinen Geschmack etwas zu häufig als universelle Hilfestellung angeführt werden, falls die Helden in den Scharmützeln gegen die Orks in Bedrängnis geraten.

Gut gelungen ist die atmosphärische Darstellung, vor allem in Einstieg und Finale, wenn in uralten Örtlichkeiten die Geheimnisse der Vergangenheit entschlüsselt werden und immer wieder deutlich wird, dass hinter den Ereignissen etwas sehr Machtvolles steht. Damit erhält auch die im gesamten eher „normale“ Handlungsfolge (Retten von einfachen Siedlern, Recherche in Lowangen, Gefechte mit Orks) einen epischen Beigeschmack, der über das Abenteuer hinausgeht, auch durch die Einbindung eines Helden in die Gruppe der Bündnispartner. Hier hätte ich mir allerdings nach ein paar mehr Andeutungen auf das Kommende gewünscht, z.B. eine Prophezeiung über eine drohende Gefahr oder ähnliches.

IV. Fazit

„Zeichen der Macht“ kann mit einer gelungenen Atmosphäre und einer interessanten Figurenriege überzeugen, wobei die besondere Leistung des Abenteuers darin liegt, die Harpyien erstmals wirklich sinnbringend als Protagonisten in ein Abenteuer einzubinden. Die Handlungsfolge ist allerdings etwas sehr linear ausgefallen und gibt den Helden stellenweise zu wenig Gelegenheiten, sich lenkend einzubringen.

Bewertung: 4 von 6 Punkten

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