Komisches im Scriptorium: „Ridet- Schelmische Spielhilfe“

Vorbemerkung: Nachdem ich mir zuletzt eine kleine Auswahl aus Fan-Abenteuern angeschaut habe (was ich in loser Reihe fortsetzen werde), wechsle ich nun einfach das Genre und widme mich voll und ganz der Komödie. Konkreter Anlass ist die Spielhilfe „RIDET“ von Christian Gross, kürzlich im Scriptorium erschienen, die sich voll und ganz dem Thema Humor annimmt, was sich sowohl auf den Inhalt aber auch auf die Präsentation desselben erstreckt. Ausdrücklich steht dabei auch das Anliegen im Vordergrund, die oft verschmähten Schelme mit einem angemessenen und spielbaren Profil auszustatten.

I. Aufbau und Inhalt

Nach einem kurzen Vorwort werden zunächst einige Professionsvarianten für närrische Charaktere vorgestellt, wobei jedes Mal konkrete Beispiele aufgeführt werden, wie ein Charakter zwar einen humoristischen Typus verkörpert, der sich aber in Abenteuer einbinden lässt. Das geht von tragisch- komischen Charakteren wie dem Sklaven Obunto, der als Ruderer auf Galeeren seinen Humor niemals verliert, bis hin zu eher derben Anspielungen, z.B. in Form des Schauspieler-Duos Terren Montazzi und Bodar Spenza, die sich vornehmlich als „Prügelkomödianten“ verdingen.

Dem schließen sich eine Reihe von Regelerweiterungen an, die im thematischen Feld bleiben, z.B. (un-)lustige Vor- und Nachteile wie die Neigung zum Klassenkasper oder dem Trauerkloß. Genauso zum Bereich der Generierung gehören die Sonderfertigkeiten, die eine Bandbreite vom Komödianten bis zum Blödelbarden liefern oder sich an Talente anschließen, z.B. die Fähigkeit zum Erstellen von Karikaturen als Erweiterung zum Bereich Malen & Zeichnen. Dies zieht sich ebenfalls bis in das Feld der Kampfsonderfertigkeiten wie dem Gesse-Stil, der darauf basiert, den Gegner während des Kampfes verbal zu triezen.

Eine besondere Berücksichtigung finden magisch begabte und karmale Charaktere, für die eine Reihe von zusätzlichen Handlungsoptionen durch Zaubertricks, Rituale und Liturgien enthalten sind. Entsprechend skurril ist auch das vorgestellte Traditionsartefakt, handelt es sich doch tatsächlich um einen Nachthimmelstopf, der geschossartige(!) Wirkung entfalten kann. Beschwörer können sogar mit Tim´Ram einen niederhöllischen Quälgeist in Form einer Fledermaus herbeirufen, der zur Jagd auf Spaßvögel prädestiniert ist.

„Die Gemeinschaft der Ridet“ stellt im Folgenden sogar eine Religionsgemeinschaft vor, die sich der Verehrung der Halbgöttin Ridet, einer Tochter Tsas, verschrieben hat. Angelehnt an die Kirchen der Zwölfe werden die Grundzüge der Gemeinschaft aufgezeigt, ebenso erhält man Informationen über das Wesen der Göttin, wobei auch mit dem Umstand umgegangen wird, dass man bislang wohl kaum je von dieser Göttin gehört hat. Die Gemeinschaft wird zudem in Strömungen eingeteilt, die verschiedenen Ausübungen ihres Kultes anhängen. Besonders bemerkenswert ist dabei das Falkenfuchsferkel als ein kaum bekanntes heiliges Mischwesen.

Den Abschluss der Spielhilfe bildet ein Kapitel mit Meisterinformationen, das zumindest teilweise die realen Hintergründe der Halbgöttin Ridet aufdeckt und drei ihrer engsten Vertrauten vorstellt. Hier existiert sogar eine Verbindung zu dem offiziellen Abenteuer „Ewiger Hass“, indem die dort verwendete Globule integriert wird. Interessanterweise finden sich zudem mehrere Erläuterungen zur Entschlüsselung der zuvor in der Spielhilfe genannten Umstände, bis hin zur Identität des Falkenfuchsferkels.

II. Kritik

In der Kategorie „ungewöhnlichste Spielhilfe“ gewinnt „Ridet“ sicherlich mit Abstand, muten große Teile der 34 Seiten doch bewusst sehr absurd und kurios an, so dass man sich anfangs mehrfach fragt, ob man hier nicht doch eher ein Kuriosum zum Schmunzeln vor sich hat und eben doch kein Material mit dem Potential zur wirklichen Nutzung am Spieltisch.

Aber auch, wenn nur dies der Entstehungszweck gewesen sein sollte, dann erfüllt es diesen zumindest bei mir überwiegend gut. Ich bin zwar kein allzu großer Anhänger des hin und wieder verwendeten Fäkalhumors, allerdings steckt immer wieder auch eine beachtliche Tiefe hinter den Teils brachialen Pointen und den offensichtlichen irdischen Anlehnungen (die aber nun immerhin auch Terrence Hill und dem selige Bud Spencer zu aventurischen Pendants verhelfen. Mein eigentliches Highlight in dieser Hinsicht sind allerdings Gero Rübenbauer und die Gaudialriks), z.B. wenn tragisch-komische Elemente aufgegriffen werden. Die Leichtigkeit, mit der auch die teils beklemmenden Thematiken wie Sklaverei aufgegriffen werden, stellt einen interessanten Ansatz dar, verwendet ein Augenzwinkern, was manch einer offiziellen Publikation hin und wieder gut zu Gesicht stehen würde.

Einen echten Aha-Effekt haben zudem die letzten Seiten bei mir ausgelöst, in denen viele der anfangs scheinbar unzusammenhängenden Einzelaspekte der Spielhilfe plötzlich sehr konsistent werden und einen hochinteressanten Hintergrund schaffen, der das Handeln der absurden Figuren plötzlich plausibel werden lässt. Somit wird auch der denkbare Kritikpunkt unterlaufen, dass die plötzliche Erschaffung einer neuen Halbgöttin zu viel des Guten ist, um wirklich in Erwägung zu ziehen, die hier präsentierten Inhalte in sein eigenes Aventurien zu integrieren. Damit wird sogar ein konkreter Abenteueranlass entwickelt, zugleich finden sich hier eine Reihe gut entwickelter NSCs.

Die Grundidee, humoristisch veranlagte Helden mit mehr Profil auszustatten, das dafür sorgt, dass solche Figuren nicht in den Bereich von ständigen Nervensägen abdriften, ist ohnehin ausgesprochen sinnvoll, weil eben auch dementsprechende Spielkonzepte vorgestellt werden, was auch im Regelbereich durch die Sonderfertigkeiten, Zaubersprüche etc. entsprechend unterfüttert wird.

Formal fällt eine gewissenhafte Gestaltung mit einem guten Sprachgefühl und Lektorat auf, die Optik des Scriptoriums wird dazu überzeugend genutzt, so dass das Fanwerk hier einer „echten“ Spielhilfe kaum nachsteht.

III. Fazit

„Ridet“ ist eine Fanspielhilfe auf einem beachtlich guten Niveau, die einen interessanten Ansatz findet, das Thema Humor in vielen Facetten zu einem Spielelement werden zu lassen. Gelungen ist vor allem die gelungene Hintergrundbeschreibung des Ridet-Kultes, der sich letztlich weitgehend widerspruchsfrei in die offizielle Spielweltwelt einfügen lässt.

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