Rezension: Grimme Herzen

Vorbemerkung: Seit dem Ende der Splitterdämmerung Mitte 2015 ist es tatsächlich etwas ruhig geworden um die ehemaligen Schwarzen Lande. Dies ändert nun das neue Heldenwerk Grimme Herzen von Julian Härtl, das die Spielercharaktere nach Tobrien führt und damit nahe an Transysilien unter dem Werwolf-Herzog Arngrimm von Ehrenstein. Hier sind die Auswirkungen der Schreckensherrschaft der Heptarchen noch deutlich spürbar.

In Zahlen:

– 15 Seiten

– zusammen mit dem Boten 187

– erschienen am 31.1. 2018

I. Aufbau und Inhalt

Das Abenteuer bedient ein ausgesprochen klassisches Thema: die Bedrohung eines Dorfes durch eine reißende Bestie, die unter den einfachen Dörflern für Angst und Schrecken sorgt. Gerade auch, weil der Schauplatz Mühlentrutz am Rande der Gebiete liegt, die über reguläre Ordnungskräfte und eine präsente Schutzmacht verfügen.

Eingangs wird zunächst der Hintergrund des Abenteuers erläutert, wobei deutlich wird, dass die vergangenen Jahre für die Erben Borbarads herbe Niederlagen beinhaltet haben und nun auch einstmals treue Gefolgsleute Arngrimms Zweifel daran haben, dass der Herzog von eigenen Gnaden sich noch lange in seiner Position halten können wird.

Vordergründig erleben die Helden zunächst den tristen Alltag der Menschen in Mühlentrutz, wobei in einigen Vignetten ein düsteres und hoffnungsloses Bild des Dorflebens heraufbeschworen wird. Das aktuell dringlichste Problem ist die kürzlich erfolgte bestialische Ermordung zweier Bewohner. Da sie die Helden für geeignet hält, die Spur des Mörders zu verfolgen, bietet ihnen die Dorfschulzin Rondwige Plötzbogen eine kleine Belohnung für ihre Dienste an.

Nehmen die Helden an, bieten sich mehrere Optionen für das weitere Vorgehen an. Einerseits soll in der Nähe der Turm eines Schwarzmagiers liegen. Andererseits haben sich bereits am Vortag konkurrierende Jäger auf den Weg in den pervertierten Wald der Umgebung begeben. Folgen sie dieser Spur, können die Helden am eigenen Leib erleben, wie die Jahre der unseligen Fremdherrschaft der Natur zugesetzt haben, geht von dem Wald doch eine mehr oder weniger latente Feindseligkeit aus.

Letztlich gilt es im Finale einerseits der Bedrohung Herr zu werden und andererseits die Frage zu klären, wie man mit einer plötzlich auftauchenden dritten Partei umgehen soll. Einige Söldner Arngrimms können wahlweise als temporäre Verbündete oder als direkte Konkurrenten wahrgenommen werden. In diesem Bereich ist das Abenteuer sehr offen angelegt und bietet eine Reihe von unterschiedlichen Ausgangsszenarien, die teils schwerwiegende moralische Dilemmasituationen mit sich bringen, hat man es doch samt und sonders mit Leuten zu tun, die schwere Schuld auf sich geladen haben.

II. Figuren

Typisch für ein Heldenwerk existiert nur eine kleine Figurenriege. Die Dorfschulzin Rondwige und der Borongeweihte Etilius verkörpern dabei die einfachen Menschen, die durch die Umstände in den ehemaligen Schwarzen Landen hart geworden sind, als dörfliche Führungspersonen aber mit gutem Beispiel vorangehen müssen. Der Schwarzmagier Zulipan hingegen stellt innerhalb des Abenteuers sicher die größte Überraschung dar, verläuft eine Begegnung mit ihm doch gänzlich anders als erwartet. Zuletzt ist das Geschwisterpaar Grimmwulf und Lutisana von zentraler Bedeutung, sind sie doch als ehemalige Gefolgsleute Arngrimms diejenigen, deren Schicksal geklärt werden muss.

III. Kritik

Tatsächlich wäre das Abenteuer vor ein paar Jahren noch wenig originell gewesen, waren doch lange Zeit Abenteuer im Mittelreich und den verloren gegangenen Provinzen bis zur Splitterdämmerung im Übermaß vorhanden. Und eine irgendwie geartete Bestienplage im Allgemeinen und eine Werwolfbedrohung im Speziellen sind auch nicht neu in der DSA-Historie.

Trotz dieser Umstände ist Grimme Herzen ein gelungenes Abenteuer. Nimmt man die letzten Jahre, ist Tobrien vergleichsweise wieder unverbraucht, eben auch bezogen auf die Zeit seit dem Editionswechsel. Der Umstand, dass aktuell noch weitere Abenteuer für diese Region angekündigt sind, lässt auch darauf schließen, dass hier eventuell für eine der nächsten Regionalspielhilfen vorgeplant wird und neue Entwicklungen in Gang gesetzt werden, z.B. indem angedeutet wird, dass Arngrimms Rückhalt bröckelt, wenn erste Getreue zu desertieren beginnen. Gut dargestellt wird zudem die Atmosphäre in den ehemaligen Schwarzen Landen, z.B. durch die desillusionierte Dorfgemeinschaft und den pervertierten Wald.

Auffällig ist allerdings der stark wechselnde Detailgrad: So werden Schauplätze wie Mühlentrutz eher grob beschrieben, weder für das Dorf noch für den Finalort existiert eine Karte. Dafür wird auf eine vermeintliche Randepisode wie die Begegnung mit Zulipan immerhin eine Doppelseite verwendet. Die ist allerdings meiner Auffassung nach gut investiert, verhindert dieser Handlungsteil doch, dass das Abenteuer zu linear ausfällt.

Sehr gut gefällt mir der zentrale Konflikt um das Geschwisterpaar Grimmwulf und Lutisana: Das Werwolfthema wird überraschend gebrochen, indem es sich anscheinend um reuige Sünder handelt und somit wahrscheinlich keine reine Monsterhatz veranstaltet wird. Wie allerdings damit umgehen, dass Grimmwulf in der Werwolfgestalt eine Gefahr für Unschuldige darstellt, was die beiden Toten aus Mühlentrutz nachhaltig belegen? Die angebotenen Optionen greifen dabei eine Reihe von unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten auf, inklusive des sprichwörtlichen Paktes mit dem Teufel in Form eines temporären Bündnisses mit Arngrimms Gefolgsleuten. Etwas schade ist, dass die wahrscheinlichen Antagonisten, eben jene Schergen, wenig Profil erhalten, hier wäre zumindest eine Charakteristik des Anführers Eberrecht hilfreich gewesen, auch um das Vorgehen der Gruppe im Finale noch etwas ausgestalten zu können.

Positiv ist dafür der Ansatz, dass zwar das kleine Heldenwerk-Format genutzt wird, das Resultat aber eine gewisse Tragweite einnimmt, abseits von der vielgerühmten Hotzenplotzigkeit: Im geringsten Falle ist es das Erledigen einer massiven Bedrohung, die ein Werwolf ja darstellt. In anderer Sichtweise kann ein wichtiger Gefolgsmann Arngrimms zur Strecke gebracht werden, der als dessen Ritter sicherlich große Schuld auf sich genommen hat. Im für ihn günstigeren Fall kann aber auch ein möglicherweise wertvoller Informant aus dem engeren Umfeld des Herzogs in Gewahrsam genommen werden. Gerade diese Stufigkeit gefällt mir als sehr offene Anlage, die auf die Bedürfnisse bzw. die Entscheidungen der Helden zugeschnitten werden kann.

IV. Fazit

Grimme Herzen ist ein gutes Abenteuer, in dem die Helden auch im kleinen Heldenwerk-Format eine beachtliche Leistung erbringen können. Zusätzlich wird die düster-verzweifelte Atmosphäre gut transportiert, auch wenn stellenweise noch ein paar zusätzliche Angaben und 1-2 Karten durchaus wünschenswert gewesen wären. Ein großer Pluspunkt ergibt sich zudem aus der offenen Anlage, indem bewusst keine Handlungsschienen ausgelegt werden.

Bewertung: 5 von 6 Punkten

4 Kommentare

  1. Vielen Dank für die gut geschriebene Rezension. Da finde ich mich definitiv wieder. Wie schaffst du das dich so schön kurz zu fassen? Meine eigene Rezension ist ja Mal wieder fast so lang wie das eigentliche Abenteuer geworden 😉

    Like

    1. Kurz fassen fällt mir bei einem Heldenwerk etwas leichter, ist halt nicht soviel Inhalt. Allerdings hast du ja auch noch einen Spielbericht dabei gehabt, den kann ich nicht bieten. Interessant finde ich dann aber immer den Vergleich, in dem vorliegenden Fall kommen wir beide ja zu einem fast identischen Urteil.

      Like

Hinterlasse einen Kommentar