Tharun darf nicht sterben!

Ich kann mich in den letzten Jahren, gerade seit dem Erscheinen von DSA5 sicherlich nicht über mangelnde Beschäftigung hier im Blog beschweren. Gerade Ulisses Spiele hat einen hohen Produktausstoß von oft mehreren Publikationen pro Monat. Und auch wenn sicherlich der eine oder andere Band dabei ist, der für mich eine Reihe von Kritikpunkten aufweist, bin ich grundsätzlich mit der Mehrzahl der Produkte zufrieden, vor allem dann, wenn der erzählerische Ansatz überwiegt.

Allerdings gibt es tatsächlich eine Sparte, die für mich aktuell viel zu wenig bzw. lange gar bedient wurde: Die bislang vom Uhrwerk-Verlag betreuten Kontinente Myranor und Tharun. Um Myranor ist meine Sorge den allgemeinen Verlautbarungen zufolge auch nicht allzu groß, immerhin scheint Ulisses hier ja gewillt, die Vorarbeiten der Uhrwerker in Hinsicht auf eine DSA5-Version fortzusetzen. Für Tharun hingegen gibt es derartige Aussagen noch nicht, alles, was ich selbst (z.B. auf der SPIEL 17) und andere erfragt haben, deutet auf eine gewisse Unschlüssigkeit hin.

Da nun aber nach vielen Jahren endlich der langerwartete Tharun-Abenteuerband Schwerter und Giganten erschienen ist und genau das eingehalten hat, was ich mir davon erwartet habe, halte ich es für angebracht, ein kleines Plädoyer für eine Fortsetzung zu halten. Hier also meine wichtigsten Argumente pro Tharun:

Tharun ist anders

Ich bin nicht unbedingt vertraut mit asiatischen Settings, bei Kung-Fu- oder Samurai-Filmen im Fernsehen schalte ich tatsächlich sogar tendenziell eher ab. Somit eigentlich keine idealen Voraussetzungen, um Tharun interessant zu finden, sind die Anleihen doch mehr als offenkundig, gerade auch im Bereich des Artwork. Trotzdem fällt dies im Prinzip kaum ins Gewicht: Seinen Reiz bezieht das Setting für mich eher aus seinem harten Kontrast gegenüber dem altvertrauten Aventurien. Herrscher sind hier gänzlich unnahbare Figuren, die einem strikten Kodex unterliegen, alles ist irgendwie feindlicher gestaltet. Wer hier überleben will, muss noch deutlich mehr Konflikte austragen als im DSA-Bereich gewohnt. Die straffe Hierarchie verlangt noch mehr Achtsamkeit als in den meisten Regionen Aventurien.

Auffällig ist auch die individuelle Gestaltung der Figuren, vor allem der Schwertmeister, die ja per se eher selten sind im Vergleich zu den niederen Kasten. Und während in Aventurien Artefakte ja unheimlich geizig präsentiert werden, sind hier die beseelten Waffen vergleichsweise häufig zu finden. Ebenso sind die Runen ein weiteres Hilfsmittel, nach dem Helden ständig auf der Suche sein können, um mehr an individuellen Möglichkeiten zu gewinnen. Das ist für mich ein überaus reizvoller Aspekt.

Daneben finden sich aber noch viele weitere spannende Details, wie z.B. die besondere Gestaltung der Tageszeiten mit wechselnden Lichtfarben oder die speziellen Reittiere der Schwertmeister, das ganz und gar nicht mildtätige Götterpantheon oder die Runenmagie, die ich persönlich sehr interessant finde, auch wenn man die eher irritierende Genese kennt (Spielsteine, die herumlagen und eben in irgendeinem Spiel verwendet werden mussten).

Tharun ist episch

Schon die alten Schwertmeister-Boxen waren als klar definiertes Profisetting für hochstufige Helden geplant, allem Anschein nach war im Prinzip angedacht, einen großen Feldzug zu ermöglichen, an dessen Ende das Vordringen bis zum Tharun (dem obersten Herrscher) persönlich stehen könnte. Ob das aktuell in gleichen Dimensionen angedacht ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Allerdings legen die drei Abenteuer aus Schwerter und Giganten nahe, dass weiterhin große Konflikte angedacht sind, geht es doch gleich zweimal um die Position eines Inselherrschers, wobei den Helden eine zentrale Rolle zufällt, sind sie es doch, die in den jeweiligen Konflikten den Unterschied ausmachen sollen. Ermöglicht wird dies auch durch die reine Inselgeographie, in der jede Insel ein eigener Mikrokosmos ist, in dem man eben nur eine überschaubare Zahl an Gegnern hat. Ein Feldzug durch Tharun wird eher nicht in großen Schlachten ausgetragen, sondern in Einzelgefechten, in denen der Einzelne eben kein anonymer Teil der Masse ist, sondern mit seinen speziellen Fähigkeiten einen großen Unterschied darstellen kann.

Tharun hat Herz

Der originalen Idee des Schwertmeister-Settings war kein langes Überleben beschieden, wurde die Reihe doch bereits nach der Veröffentlichung der zweiten Box wieder eingestellt. Umso bemerkenswerter, dass auf der schmalen Basis (die Bände aus der Feder von Hadmar von Wieser waren vergleichsweise kurz und nicht gerade detailreich) einige Unentwegte die Spielwelt im Privaten seitdem am Leben gehalten haben. Und noch erstaunlicher ist die Tatsache, dass aus diesem Kreis letztlich auch der Impuls zu einer Wiederbelebung der Hohlwelt gekommen ist. Sprich: Die Macher sind selbst die wohl größten Fans ihres Settings. Und genau das merkt man allen drei Bänden an, die jeweils eine Fülle von spannenden Ideen enthalten, mit denen man tatsächlich ewig in Tharun beschäftigt sein kann. Da steckt enorm viel Herzblut in der Gestaltung der Welt und ihrer Bewohner.

Und laut eigener Aussage (z.B. im Interview bei Nandurion) ist die Geschichte Tharuns noch lange nicht auserzählt, Ideen sind vorhanden und selbstverständlich auch die Bereitschaft, weiter daran zu arbeiten.

Und nun?

Von daher möchte ich hier einen klaren Appell loswerden: Ich halte Tharun für eine absolute Bereicherung des DSA-Kosmos: Wo Aventurien die altvertraute, mittelalterlich anmutende „alte Welt“ ist, ist Uthuria das spannende Entdecker-Setting, in das man von der Küste aus vordringt. Myranor ist dafür die riesige Welt mit starken antikem Touch und deutlich mehr High-Fantasy-Anleihen. Tharun hat da absolut seinen Platz. z.B. in seiner inselartigen Anlage mit separierten Reichen, einer deutlich lebensfeindlicheren Umgebung durch die straffe Hierarchie und einem eigenartigen Ehrenkodex, der im Kampf dem Einzelnen viel mehr Bedeutung zuweist. Setzt man den Fokus noch mehr auf Eroberung und das Eingreifen in die Konflikte der Mächtigen, kann das Profi-Setting seine passende Nische finden.

Die massive Verzögerung zwischen Regel- und Abenteuerband ist ja zuletzt auch nicht von den Schreibern zu verantworten, sondern lediglich dem unglücklichen, so offenbar im Vorfeld nicht absehbaren Veröffentlichungszeitpunkt geschuldet: In den letzten Zügen von DSA4 wurde das Regelwerk publiziert, als im Prinzip schon klar war, dass diese Edition keine Zukunft mehr hat, wohl eben, weil schon zu viel Arbeit in den Band geflossen war und es kein Zurück mehr gab. Das hat vieles verkompliziert, drei Bände über einen Zeitraum von 6 Jahren herauszugeben ist eben problematisch, weil die Kontinuität fehlt.

Mein ausdrücklicher Dank gilt dafür dem Uhrwerk Verlag, der ganz offensichtlich an Tharun geglaubt hat und auch gewillt war, trotz der widrigen Umstände bestmöglichste Arbeit abzuliefern, was auch gelungen ist: Alle Bände sind wirklich gelungen, vor allem der Abenteuerband ist meiner Meinung nach hervorragend. Gerade die schönen Schwarz -Weiß- Illustrationen lassen die Bände im besten Sinne altmodisch wirken.

Nun wünsche ich Ulisses Spiele ein gutes Händchen bei der Entscheidungsfindung über die Zukunft von Tharun. Ich persönlich kann nur dazu raten, eine Fortführung anzustreben. Die Experten stehen offenbar für eine Weiterarbeit zur Verfügung und allein der Weltenband gibt noch unheimlich viele Geschichten her, die es wert sind, erzählt zu werden. Bei der hohen Produktfrequenz, mit der Ulisses z.B. Aventurien ausstattet, sollte im Portfolio doch durchaus Platz für 1-2 Publikationen im Jahr für Tharun sein. Und wenn Zweifel an dem machbaren Ansatz bestehen, wäre ja auch ein Crowdfunding eine denkbare Lösung, auch weil Ulisses hier klare Kompetenzen hat und über eine bislang beachtliche Erfolgsgeschichte verfügt.

Daneben besteht ja durch die Tatsache, dass die Lizenzen aller DSA-Kontinente wieder in einer Hand liegen, nun auch wieder verstärkt die Möglichkeiten von Crossover-Geschichten gegeben sind. Denkt man an die große Ideenvielfalt eines Meilensteins wie Jenseits des Horizonts, legt auch hier das Potential für epische Geschichten, was u.a. das erste Anthologie-Abenteuer Unter fremder Sonne nachhaltig belegt.

Mir ist natürlich klar, dass für einen Verlag die wichtigste Entscheidungsgrundlage die Wirtschaftlichkeit eines Produkts ist. Was keine Anhänger findet, wird natürlich auch für einen Verlag nicht attraktiv sein. Von daher natürlich auch ein Appell an die Spieler und Leser: Wenn Tharun auch nur irgendwie interessant klingt, dann schlagt zu, es lohnt sich! Das wäre sicherlich das zentrale Argument für eine Fortführung. Und sicherlich ist Ulisses Spiele auch dankbar für die eine oder andere Rückmeldung oder gar Ermutigung, hier den vom Uhrwerk Verlag und den Schreibern der Tharun-Bände eingeschlagenen Weg fortzuführen. Umgekehrt kann es sicher nicht schaden, verstärkt dafür zu sorgen, dass Tharun im Fokus der Aufmerksamkeit bleibt, z.B. durch Diskussionen in Foren, sozialen Netzwerken oder natürlich auch gerne hier in der Kommentarzeile (z.B. zu der Frage, wie ihr zu Tharun steht).

Einen zweiten, schnellen Tod hat Tharun nicht verdient!

13 Kommentare

  1. Schöner Apell. Ich finde auch Ulisses sollte sich an dieser Frage mal langsam Gedanken machen und mit einer klaren Aussage rausrücken. Leute die Werke schreiben können sind m.E. vorhanden. Ulisses währe auch die Chance die Tharun Publikationen noch regelmäßiger und professioneller zu bringen. Grade zum jetzigen Zeitpunkt würde eine Ankündigung eines Spannenden Nachfolgeprodukts zu Tharun nach meiner Einschätzung eine Menge Aufmerksamkeit und Vorfreude erfahren und klar machen: Es lohnt sich da vorbei zu schauen. Tharun wird weiterlaufen.

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  2. Ich unterstützte deinen Apell absolut. Tharun ist ein tolles Setting. Wichtig ist jedoch aus meiner Sicht dass der Anspruch an Komplexität und Qualität so hoch gehalten wird wie es das bei Uhrwerk war. Ein weiteres Setting bei dem auf solch eine Komplexitätsverringerung gesetzt wird wie es in Aventurien gerade geschieht bräuchte ich nicht. Ähnliches gilt für Myranor. Zahl der Produkte klein und Anspruch hoch halten. Das wäre mein Wunsch.

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  3. Ich bin da eher skeptisch. Das Setting hat einen sehr geringen Bekanntheitsgrad, der womöglich auch einem Crowdfunding im Wege stehen würde. Die meisten DSA-Spieler schätzen außerdem Aventurien, warum sollte man da das Setting wechseln? Und was meinst du eigentlich mit „Profi-Setting“?

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  4. Tharun spielt sich relativ anspruchsvoll, alle Abenteuer der Anthologie sind relativ komplex, mit einer großen Figurenriege und mit etwas verwinkelten Intrigenplots, manche Figuren sind da sehr verstrickt. Das ist definitiv etwas für erfahrene Spielleiter. Und auch die Spieler haben mit gewissen Anforderungen zu leben, das ist nicht eben das Ausräuchern der lokalen Räuberbande, es geht um echte Machtspiele, im Kampf trifft man auf starke und kompetente Gegner. Das erinnert ein wenig an das Original, das ja für sehr hochstufige Helden gedacht war, für die Aventurien (damals) quasi kaum noch Herausforderungen bieten konnte.

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  5. Ich gebe zu ‚Protokoll‘, dass nicht alle Verzögerungen von Dritten oder Umständen verschuldet waren. Das nur zur Klarstellung. Die Bedingungen waren nicht immer ideal, aber auch wir Autoren haben manchmal länger gebraucht, als gedacht.

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  6. Tharun hat definitiv eine ambitionierte Weiterführung verdient. Gerade dadurch, dass es anders ist als Aventurien, kann man so auch Rollenspieler für Dere interessieren, die sich von EDO und Mittelalter nicht so angezogen fühlen – soll es tatsächlich geben 😉 . Auch mit Blick auf eine immer globaler denkende Spielerschaft wäre ein asiatisch angehauchtes Setting wohl ein Gewinn, ist doch bereits das dt. L5R als Konkurrenz aus dem Rennen.

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  7. Tharun ist/war das DarkSun von DSA – eine wirklich mal einzigartige Welt (obwohl, wer kennt Nippon vom C64?). Bereits damals hat mich die Schwertmeisterboxen (trotz der Mängel) begeistern können – während das Güldenland mir zu groß und zu exotisch wurde.
    Alleine die Idee mit der Hohlwelt, seltsamen Göttern und ein gewaltiges Inselreich anstatt Kontinente verspricht viel Abenteuermasterial …

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  8. Nun villeicht solte Ulisses mit dem5 Regelwerk und Kompendium/kreaturenbuch 1 herruasbringen und dann doch freie AUtoren nehmen um die Welt am Leben zu erhalten und zu erweitern Kreaturen 2-3-4 können ja von Spielerideen kommen genauso wie die ABenteuer dann bringen Die Abenteurbände oder einzel ABenteuer nahc Ihren Strukturen herraus oder lassen es einfach wie gehabt übers Kompendium weiter laufen dann haben sie null AUsgaben aber immer 50% einnahmen also das Risiko oder etweigige Versluste werden sich so doch über die Zeit kompensieren.

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