Sex sells oder unverklemmter Spaß? Wege der Vereinigungen als Crowdfunding

DSA ist ohne Zweifel manchmal eine Glaubensfrage, vor allem wenn mal wieder ein besonders polarisierende Thema dazukommt. Und Sex und Erotik im Rollenspiel fällt ebenso unzweifelhaft in diese Kategorie. Aktueller Stein des Anstoßes ist im Prinzip ein kleiner Scherz, der sich verselbstständigt hat. Vor Jahren kam in der Redaktion die Idee auf, als Aprilscherz einen Band mit dem klangvollen Titel Wege der Vereinigung anzukündigen. Inhalt: Regeln dazu, wie man Sexualität als spielrelevanten Faktor einbinden kann. Was damals noch als Witz gemeint ist, wird jetzt Realität. Wege der Vereinigungen wird tatsächlich veröffentlicht, als Mittel dazu wählt Ulisses Spiele ein Crowdfunding. Die Resonanz in den entsprechenden Kanälen ist vergleichsweise riesig, in allen relevanten Foren gibt es gut frequentierte Themenstränge, sei es das DSA-Forum, Tanelorn oder Orkenspalter. Und zusammengefasst ist das Echo nicht gerade positiv. Grund genug für mich, ein paar eigene Gedanken zu dem Thema zu sortieren.

Mitmachen oder nicht?

Zunächst einmal eines vorweg: Ich habe mich bereits an dem Crowdfunding beteiligt, allein schon die mir quasi selbst auferlegte Chronistenpflicht verbietet es mir buchstäblich, mir das entgehen zu lassen. Zudem bin ich meistens ein Vertreter des Standpunktes, dass ich an einer Diskussion nur dann teilhaben möchte, wenn ich mich mit dem entsprechenden Themenkern beschäftigt habe. Und eines ist für mich jetzt schon sicher: Ein Band, der schon in einer Phase, in der konkrete Inhalte kaum bekannt sind, die Gemüter im wahrsten Sinne des Wortes erregt, der wird erst recht dann im Mittelpunkt des Interesses stehen, wenn er wirklich erschienen ist. Und da möchte ich dann mitreden können. Abseits davon ist aber natürlich die Frage nach der absehbaren Qualität eines Produktes maßgebend in der Entscheidung für eine Investition.

Im Bereich der Bonusziele schaue ich leider etwas in die Röhre: Ich bin bereits stolzer Besitzer von Namenlose Nacht (das ich aber jedem nur anempfehlen kann) und des Rahjasutras. Bei den zubuchbaren Sachen sind zudem die Spielkartensets dabei, die zu den wenigen DSA-Artikeln gehören, mit denen ich mich nicht beschäftige. Bei den Kurzgeschichten wird man sehen, wie gut sie sind. Optimistisch stimmt mich aber die angekündigte Episode um Amir Honak positiv, hoffe ich doch sehr, dass sie aus der gleichen Autorinnenfeder stammen könnte, wie das für mich gelungene Romanduo Rabenerbe und Rabenbund.

Was mich skeptisch stimmt…

Sehr dominant in meinen Erwartungen ist vornehmlich der Blick auf vergleichbare Bände. Und da kommt zwangsläufig die Verbindung zum Rahjasutra auf (das ja auch optional Teil des Pakets ist). Leider ist das genau die DSA-Publikation, die mich in den vergangenen Jahren am meisten enttäuscht hat und die tatsächlich auch die schlechteste Bewertung erhalten hat, die ich seit Begründung des Blogs je vergeben habe. Das Rahjasutra hat für mich überhaupt keine aventurische Originalität, ist zudem noch sehr zotig ausgefallen und besitzt insgesamt für mich kaum echte Spielrelevanz.

Leider deckt sich dieser Voreindruck mit dem, was Ulisses bisher in Bezug auf Wege der Vereinigungen als Werbung in Form des Vlogs zusammen mit Orkenspalter TV produziert hat: Eigentlich bin ich in der Hinsicht meist angetan, halte die lebendige Kommunikation über erscheinende Sachen im regelmäßigen Format mit Markus Plötz und Michael Mingers für spaßig und informativ, ähnliches gilt für die regelmäßigen Berichte von Orkenspalter TV von Cons oder zu anderen besonderen Ereignissen, z.B. der Fragestunde mit Werner Fuchs anlässlich des Retro-Crowdfundings. Die mitgeschnittenen Spielrunden finde ich zwar persönlich weniger interessant, aber auch diese kommen anscheinend gut an. Hier aber sehe ich entweder alberne Clips, in denen man seine Penislänge auswürfeln kann oder krampfige Videos über Verführungssituationen, bei denen ich mir nun wirklich nicht vorstellen kann, dass das in der Realität Spaß machen soll. Ich bin nun wirklich nicht der verkrampfte Typ und ein gelegentlicher Witz unter der Gürtellinie ist absolut willkommen und natürlich ist ein gewisses Maß an Albernheit ein totaler Gewinn für eine Spielrunde. Aber dafür brauche ich sicherlich keine Vollpreispublikation.

Und umgekehrt bin ich auch rein formal kein Fan der Kleinschrittigkeit im Regelbereich, die bei DSA5 immer mehr zunimmt und mit der die Zersplitterung von Regeln weiter fortschreitet, so dass es zunehmend unübersichtlich wird, welche Regel man wo findet. Sicherlich ist das auch eine Stilfrage, es gibt ja genauso Leute, die einen hohen Realismusgrad durch Regeln für wichtig halten. Aber hier wird eine weitere Spezialisierung vorgenommen, wenn z.B. demnächst auch noch Erregungsstufen ermittelt werden. Bei manchen Dingen halte ich es lieber so, dass sie eventuell besser erzählerisch ausgedrückt werden. Dem Thema Liebe durch Regeln eine technische Komponente zu geben, erscheint mir in diesem Zusammenhang also eher absurd.

Was mich positiv stimmt…

Ich halte durchaus die Auffassung für richtig, dass man sich aus der großen Auswahl an Regeltiefe das herausgreifen sollte, was einen interessiert. Und gleiches gilt auch für dieses Crowdfunding. Mein Interesse gilt eher den Zusatzprodukten, wenn neben dem Hauptband also auch Abenteuer erscheinen, dann finde ich das umgekehrt wieder hochspannend. Ich würde zwar eigentlich nie auf die Idee kommen, Sexualität wirklich in den Mittelpunkt einer Spielsitzung zu stellen (so prüde bin ich dann eben doch), aber wenn dies einen guten Abenteueranlass darstellt, sieht es ganz anders aus. Mit Namenlose Nacht nimmt beispielsweise eines der besten Abenteuer der vergangenen Jahre seinen Anlass in dem Stattfinden einer Orgie. Zwar war mir damals das Marketing eine deutliche Spur zu albern, das Resultat war aber hervorragend. Wenn das also ein „Nebenprodukt“ des Crowdfundings ist, dann bin ich hocherfreut.

In Sachen Crowdfunding habe ich zudem bisher (auch abseits von DSA) gute Erfahrungen mit Ulisses gemacht, gerade im Bereich der Bonusziele ist da neben einigen Lückenfüllern und netten Gimmicks auch einiges dabei, was einen guten Spielwert hat. Einiges soll ja noch kommen, insbesondere ein mögliches Soloabenteuer fände ich als erklärter Fan natürlich hochinteressant. Nebenbei ist der Spaßfaktor nicht zu unterschätzen, wenn man während des Crowdfundings ständig nachschaut, wo der Eurozähler gerade liegt und was für ein neues Bonusziel freigeschaltet bzw. angekündigt wurde. So oder so ist ja schon jetzt absehbar, dass die Resonanz in Sachen Käufer gut ist.

Fazit

Letztlich dominieren bei mir aktuell die negativen Erwartungshaltungen, ich gehe tatsächlich mit einem eher skeptischen Eindruck an das Crowdfunding, schlicht weil ich befürchte, dass der Stil des Rahjasutras fortgeführt wird. Umgekehrt stecken im Rahmen des Crowdfundings auch ein paar zusätzliche Elemente, die ich interessant finde. Aus der Warte schaue ich gespannt auf den Verlauf des Crowdfundings und auch auf die Folgezeit bis zum Erscheinen. Ohnehin bin ich eh nicht derjenige, der empörte Diskussionen führen möchte über den möglichen Untergang des Abendlandes, verursacht durch Wege der Vereinigungen. Im Gegenteil finde ich es eher schade, dass solche Themen nicht manchmal auch etwas weniger hitzig erörtert werden können. Nebenbei ist es meiner Meinung nach zusätzlich ungut, dass solche Debatten in der Wahrnehmung alles überlagern, also über ungelegte Eier so viel geschrieben wird, während andere Sachen vergleichsweise untergehen: Beispielsweise sind die Besprechungen vieler toller Abenteuer in den oben angesprochenen Foren fast leer oder gar nicht existent. Als Beispiel möchte ich die tollen Abenteuerbände Schwerter und Giganten (Tharun-Anthologie) und Grimme Herzen (Aventurisches Heldenwerk) nennen. Die sind richtig gelungen, aber darüber wird viel zu wenig gesprochen.

2 Kommentare

  1. Toller Kommentar. Ich denke so wie dir zwischen Interesse, ein wenig Hoffnung und Grundsätzlich negativer Erwartungshaltung pendelnd wird es sicher nicht wenigen der Backer_innen auch gehen.

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  2. Zu deinem Kommentar kann ich nichts mehr hinzufügen,
    du gibst selber auch die Antwort, wo der einzige richtige Sinn so eines (erwarteten) Produkts ist,
    die Promotion, die Diskussion vertreibt andere Produkte aus der Wahrnehmung,
    ein gelungener Marketing Coup, der auch noch von den Spielern vor
    finanziert wird. Sex sells…

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