Rezension: Dryadenhain & Dschinnenzauber

Vorbemerkung: DSA hat eine sehr lange Märchentradition. Schon in den Anfangszeiten waren diese bei der Erstellung Aventuriens und bei vielen Abenteuern Inspirationsquellen. In der 4. Edition wurde dies noch ausgebaut durch die Anthologien, die sich besonders intensiv an Märchen orientieren. Gerade diese Abenteuer haben einen sehr guten Ruf, was sich unter anderem in den teils völlig überzogenen Preisen widerspiegelt, die für diese Bände in den einschlägigen Verkaufsbörsen verlangt werden. Genau an diese Bände soll nun die Anthologie Dryadenhain & Dschinnenzauber anknüpfen, in der drei Abenteuer aus unterschiedlichen aventurischen Regionen vorhanden sind, die wiederum von märchenhaften Motiven geprägt sind.

In Zahlen:

– 100 Seiten

– 3 Abenteuer

– Preis: 24,95 Euro

– Erschienen am 18.12. 2019

I. Aufbau und Inhalt

Die Anthologie ist in einem Hardcover-Format erschienen, überschreitet mit 100 Seiten auch den üblichen Seitenraum für Einzelabenteuer. Grundsätzlich richten sich alle drei Abenteuer an Einsteiger-Helden, sind also in der Komplexität überschaubar gehalten, wobei damit nicht unbedingt gemeint ist, dass es sich um besonders bodenständige Plots handelt. Zudem spielen die Abenteuer in unterschiedlichen Regionen Aventuriens und basieren alle auf einer alten Sage, die zu Beginn der jeweiligen Handlung in Erfahrung gebracht werden kann.

Die Gärten der Xantere

Das Abenteuer von Philipp Busch und Jonathan Driedger spielt auf den Zyklopeninseln, genauer auf der Insel Hylpia. Dort gilt es im Auftrag des Entdeckers Hexander Ponziani von Kuslik die titelgebenden Gärten der Xantere aufzuspüren, die bislang nur in Legenden erwähnt wurden. Dort stoßen sie auf ein offenbar verfluchtes Pärchen, eine junge Frau, die in einen Baum gebannt wurde und einen Mann, der – in einen Satyr verwandelt – wortwörtlich an sie gebunden ist. Beide waren tatsächlich in Xanteres Gärten, die sich als Feenglobule entpuppen, wo die beiden aber offenbar in Ungnade gefallen sind. Um den beiden zu helfen, müssen die Helden sich in eben diese Globule begeben, um dort festzustellen, dass einiges im Argen liegt und die Feenwelt sich zu verändern beginnt. Um diesen Prozess zu stoppen, müssen sie die gesamte Globule durchqueren und mit den dort lebenden Wesen, vornehmlich Biestingern, interagieren. Zuletzt gilt es in einem großen Finale gegen die feindseligen Kräfte zu bestehen. Die Örtlichkeiten der Globule werden ausführlich beschreiben, zudem ist eine Karte vorhanden.

Schlange und Mungo

Die erfahrenen DSA-Schreiber Lena und Matthias Kalupner setzen in ihrem Abenteuer mehr auf den Zauber von 1001 Nacht, dementsprechend spielt das Abenteuer in Mhanadistan, in der Kleinstadt Ras El´Bir. Dort soll Samira, die Tochter des örtlichen Emirs, einen Ehemann finden. Als Kandidaten standen der Wesir Tulef und der Schmied Khemal zur Auswahl. Tulef als Mitglied der Oberschicht stellt den rationalen Weg dar, während Khemal eine Wahl aus Liebe wäre. Nach alter Tradition sollten die beiden den Zauberbaum Bal´Rashid aufsuchen, der den würdigen Anwärter ermitteln soll. Nach dem Verzehr einer Feige des Baumes hat sich Khemal in einen Mungo verwandelt, was Tulefs Anspruch bestätigt hat. Der Haimamud Farsid glaubt aber, dass dabei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Deshalb beauftragt er die Helden, ihrerseits Bal´Rashid zu besuchen, um der Frage auf den Grund zu gehen. Der Zauberbaum lässt sich allerdings nicht ohne weiteres befragen, sondern man muss sich seiner als würdig erweisen, womit der Weg zum Baum mit einer Reihe von Prüfungen verbunden ist. Neben einer Schilderung der Prüfungen gibt es auch eine kleine Karte von Ras El´Bir mit Beschreibungen der wichtigsten Orte und Personen.

Schwanengensang

Das letzte Abenteuer aus der Feder von Christian Nehling ist zugleich auch das düsterste der Anthologie. Der Aufhänger wirkt auch deutlich profaner: In dem kleinen Ort Haderstein in Weißtobrien löst der Sternenfall einige Lawinen aus. Der Gutsherr Eberrecht Lammersen machte sich auf den Weg, um seine Schafe zusammenzutreiben, wurde jedoch wenig später schwer verletzt und fiebrig aufgefunden. Somit soll die Heldengruppe einerseits zu seiner Heilung beitragen und andererseits herausfinden, wer dem jungen Mann so zugesetzt hat. Dabei stoßen sie schnell auf ein altes Geheimnis der Region, bei dem wiederum eine alte Sage ihren wahren Kern erweist. Dieses Abenteuer setzt auch kampferfahrene Helden in Szene, warten doch potente Gegner auf sie. Im Kern ist es ein Wildnisabenteuer, weswegen neben Haderstein auch einige relevante Orte der Umgebung ausgestaltet wurden. Neben realen Begebenheiten sind auch hier Trauminhalte mitinbegriffen.

II. Kritik

Das Märchenthema ist sicher nicht immer jedermanns Sache, mal zu zuckersüß, gerade bei DSA auch immer wieder mit der Schaffung von Globulen verbunden, um die Besonderheiten der beinhalteten Wesen erklären zu können, um nicht den normalen Regeln unterworfen zu sein. Das ist sicherlich schon so manches Mal überstrapaziert worden, allerdings ist es aus meiner Sicht vor allem eine Frage der Umsetzung, ob es gelungen ist oder nicht. Tatsächlich wird in allen drei Abenteuern auf eine Variante einer Anderswelt (von einer Feenglobule bis hin zu einer Traumwelt) zurückgegriffen. Allerdings unterscheiden sich alle in ihrer Atmosphäre und Themensetzung, so dass keine Monotonie aufkommt.

Im Gegenteil, insgesamt halte ich die Anthologie für ausgesprochen gelungen, die großen Fußstapfen der alten Märchenabenteuer werden würdig ausgefüllt. Mein persönliches Highlight ist dabei Die Gärten der Xantere mit einer sehr konsistenten und gut umgesetzten Feenglobule, die sich sehr konsequent bei vielen europäischen Märchen bedient und viele gute Ideen miteinander kombiniert. Durch einen Jahreszeiten-Aufbau der einzelnen Globulen ist der Weg sehr abwechslungsreich gestaltet, auch ist die Führung zwar sehr eng, allerdings logisch bedingt, da man alle Bereiche nacheinander durchschreiten muss, die Veränderungen geben zudem klare Hinweise auf die Bedrohlichkeit der Situation. Die Biestinger und die Schwellenhüter sind ausgesprochen passende Märchenfiguren, die wahlweise als Helfer, Quälgeister oder Antagonisten fungieren können, während die Heldengruppe typische Märchenaufgaben vollbringen muss (z.B. das Sammeln einer Melodie, die den Zugang zu weiteren Bereichen ermöglicht). Das Finale ist sehr dramatisch gestaltet, wirkt durch eine Stufigkeit zur Bezwingung des zentralen Gegners aber leicht wie bei einem Computerspiel (erfülle Voraussetzung X, damit Situation Y ausgelöst wird).

Schlange und Mungo hat für mich die vielversprechendste und originellste Hintergrundgeschichte. Der Zauberbaum wirkt tatsächlich wie aus einem orientalischen Märchen entnommen, auch die reale Vorgeschichte mit einem machthungrigen Wesir und einer wahren Liebe im Kontrast ist sehr klassisch ausgelegt. Die wahre Stärke liegt aber in den überraschenden Wendungen, die sich im weiteren Verlauf ergeben, wenn man die eigentliche Natur der wundersamen Geschehnisse durchschaut und mit dem Strippenzieher der Ereignisse konfrontiert wird. Aus dieser Grundidee lässt sich sehr viel machen, generell ist die Figurenriege sehr interessant. Allerdings merkt man dem Abenteuer auch an, dass es den geringsten Seitenplatz zugewiesen gekommen hat. Die konkrete Ausführung (beispielsweise der Prüfungen des Zauberbaums) fällt sehr rudimentär aus, gleiches gilt für die Ausgestaltung des Finales, hier müssen SpielleiterInnen noch einiges an Arbeit investieren.

Schwanengesang setzt zu den beiden tatsächlich sehr märchenhaften wirkenden ersten beiden Abenteuern einen guten Kontrast, da sich hier die Märchenaspekte erst später erschließen, ist man doch zunächst in ein ganz normales Geschehen involviert, in dem es um einen Angriff auf einen jungen Mann in der Wildnis geht. Zudem wird mit dem Sternenfall ein konkretes Metaplot-Element aufgegriffen. Folgend überwiegen sehr düstere Elemente, vor allem eine dämonische Entität, mit der man konfrontiert wird, stellt eine große Herausforderung dar, auch weil der Schauplatz der Auseinandersetzung gut gewählt ist. Merkwürdig mutet ein wenig der Aufbau an, der quasi ein doppeltes Finale, vorsieht, zunächst in der Realität, dann in der Traumwelt. Da die Bedrohung in der Traumwelt aus meiner Sicht weniger existentiell wirkt, wäre hier eventuell eine dramaturgische Umstellung der Reihenfolge sinnvoll gewesen. Sehr atmosphärisch wirken sich auch die Zwischenaufgaben aus, vor allem, weil man hier durchaus mächtige Artefakte in Hände bekommt, die sich sehr hilfreich auswirken können. Ohnehin sind hier sinnvolle Zwischenstufen eingebaut worden, so dass Erfolge und Misserfolge direkte Auswirkungen auf die folgenden Aufgaben haben.

Ein genereller Vorteil der Märchenthematik ist zudem, dass die Handlungen – da sich vieles nicht in der aventurischen Realität abspielt – zwar keine großen Auswirkungen haben, trotzdem aber nicht zu simpel-bodenständig wirken. So verfügen vor allem Die Gärten der Xantere als auch Schwanengesang über ein fulminantes Finale, in allen Abenteuern wird man außerdem mit mächtigen Gegenspielern und Verbündeten konfrontiert.

III. Fazit

Dryadenhain und Dschinnenzauber stellt eine sehr gelungene Anthologie dar, die die Märchen-Thematik sehr konsequent verfolgt, dabei aber in den Einzelabenteuern sehr unterschiedliche Schwerpunkte setzt, sowohl in der regionalen Ausprägung als auch im Bereich der Figuren und der Aufgaben. Die Gärten der Xantere verfügt dabei über den schönsten Weltaufbau, während Schlange und Mungo den besten Märchenplot aufweist. Schwanengesang verbindet den Märchenhintergrund zuletzt gelungen mit realen aventurischen Begebenheiten und dem Metaplot.

Bewertung: 5 von 6 Punkten

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