Rezension: Der stille Pfad

Vorbemerkung: 2020 hat begonnen und langsam trudeln auch die ersten DSA-Produkte des neuen Jahres ein. Mit Der stille Pfad von Wolf-Ulrich Schnurr ist jetzt das erste Heldenwerk eingetroffen. Nach wie vor habe ich großen Spaß an dem Kurzformat, weil somit immens viele schnell spielbare Abenteuern zur Verfügung stehen, die sich oft mit kleineren Plots beschäftigen. Probleme tauchen immer nur dann auf, wenn die Handlung unter der knappen Seitenzahl leidet oder aber die Bodenständigkeit etwas übertrieben wird.

In Zahlen:

– 15 Seiten

– Heldenwerk Nr. 28 (erschienen mit dem aventurischen Boten 199)

– erschienen am 28.1. 2020

I. Aufbau und Inhalt

Der stille Pfad ist ein ortsgebundenes Rechercheabenteuer, das in der horasischen Stadt Mhoremis am Meer der Sieben Winde spielt. Der Anlass bietet sich der Heldengruppe recht schnell, ist doch das merkwürdige Verhalten der Borongeweihten Rumira Erlenbrecht das aktuelle Stadtgespräch: Die sonst schweigsame Geweihte plappert plötzlich wie ein Wasserfall, ohne dass ein sinnvoller Anlass erkennbar ist, zudem vernachlässigt sie sogar ihre zentralen Pflichten, indem anstehende Bestattungen von ihr nicht vorbereitet werden, so dass die Toten nicht bestattet werden können. Die Gäste des Wirtshaus Honigtopf beauftragen die HeldInnen daher, der Sache auf den Grund zu gehen.

Zur Ausgestaltung dieser Recherche ist eine Karte des Ortes vorhanden, auf dem die wichtigsten Anlaufstellen aufgeführt sind. Zudem gibt es kurze Beschreibungen dieser Örtlichkeiten, natürlich verbunden mit Charakterporträts der relevanten Figuren, also die möglichen Informanten bzw. auch Personen, gegen die sich Verdachtsmomente ergeben.

Letztlich dürfte sich nach ausgiebiger Informationssuche ein klares Bild ergeben, was Rumiras Wesensänderung verursacht haben könnte. Folgend wird eine mögliche Lösung skizziert und was dazu nötig ist, diese durchzuführen (nebst denkbaren Alternativen), was in das Finale mündet.

II. Figuren

Im Zentrum der Handlung steht natürlich Rumira selbst. Hier ergibt sich die Besonderheit, dass die Heldengruppe auf eine völlig andere Person trifft, als sie in den Schilderungen ihrer langjährigen Bekannten existent ist. Unglücklicherweise enthält ihr Redeschwall keinerlei verwertbaren Informationen.

Zu diesem Zweck ist man daher auf andere Figuren angewiesen, wobei die Wirtin Alruna Luminoff gleichermaßen als Quelle lokalen Tratsches, aber auch als eine Art Auftraggeberin agieren kann. Eine erste Anlaufstelle könnte vor allem, der Akoluth Azulio sein, der ohne Rumira hoffnungslos mit den anstehenden Anforderungen überfordert ist. Weitere Figuren müssen erst ermittelt werden, z.B. solche, mit denen die Geweihte regelmäßig verkehrt oder solche, mit denen sie in den letzten Tagen gesehen wurde. Gemein ist allen NSC, dass sie dem eher kleinstädtischen Milieu entspringen, vor allem also Handwerker und Dienstleister sind.

III. Kritik

Genau in dieser Figurenriege liegt auch eindeutig die Stärke des Abenteuers. Für ein Heldenwerk ist der Schauplatz mit seinen Bewohnern sehr gründlich und liebevoll ausgearbeitet worden. Die Figuren erhalten genug Unterfütterung, um sie lebendig werden zu lassen, haben zudem alle eine oder mehrere Schlüsselinformation zur Lösung des Rätsels, wobei sich natürlich auch Verdachtsmomente ergeben können. Zusammen mit den Ortsangaben wird es SpielleiterInnen somit erheblich erleichtert, das Heldenwerk auszugestalten. Gerade die anfangs zum Scheitern verurteilte Kommunikation mit Rumira dürfte für den einen oder anderen absurden Moment sorgen. Zudem steht der eigentliche Hintergrund ihres merkwürdigen Zustandes in einem engen und nachvollziehbaren Bezug zu ihrer Berufung. Die Recherche ist gut gestaltet, eben nicht – wie zuletzt mehrfach von mir moniert – durch eine reizlose Sammelprobe, sondern immer eng an einzelne konkrete Ansprechpartner gebunden.

Das kostet natürlich einen gewissen Raum innerhalb des Heldenwerks und an dieser Stelle taucht dann auch das große Problem auf: So gut auch der Hintergrund des Schauplatzes und der Figuren ausgeführt wurden, desto weniger wurde auf den eigentlichen Konflikt und vor allem die Konfliktlösung verwendet. Leider ist aus meiner Sicht hier die eingangs erwähnte Bodenständigkeit viel zu sehr übertrieben worden. Eine besessene Borongeweihte als Grundidee könnte durchaus ergiebig sein, in der hier vorliegenden Umsetzung fehlt mir ganz eindeutig das Abenteuerliche. Letztlich ist der präferierte Lösungsvorschlag, dass die HeldInnen Mehl produzieren, um ausstehende Schulden begleichen zu können, was die Besessenheit beendet. Zwar wird auch auf alternative Möglichkeiten wie eine magische Austreibung verwiesen, der Gesamtkontext tendiert aber eher zu dieser ausgleichende Lösungsvariante.

Bodenständigkeit mag durchaus eines der Merkmale sein, das DSA-Spieler reizvoll finden, auch im Ausgleich zu epischeren Plots. Aber eine gewisse Mindestspannung sollte meiner Meinung nach einfach vorhanden sein. Kleine Geschichten sind es natürlich wert berücksichtigt zu werden, es muss nicht jeder Schurke ein Erzmagier sein und es muss nicht immer das Schicksal des gesamten Mittelreichs auf dem Spiel stehen. Die lokale Räuberbande auszuräuchern kann auch ein lohnendes Abenteuer ergeben. Aber hier stellt das Problem letztlich eine plappernde Geweihte dar, die von ihrem Fluch eben durch einfaches Handwerk befreit werden kann. Ich kann mir leider kaum vorstellen, dass das allzu viele SpielerInnen als befriedigende Handlungsvariante wahrnehmen. Dabei hätten sich aus meiner Sicht durchaus interessante Verwicklungen ergeben können, z.B. wenn sich die Besessenheit nicht in dem bloßen Gerede geäußert hätte, sondern sie dadurch für andere Personen zu einer Bedrohung geworden wäre. Somit hätte sogar eine Dilemmasituation aufgeworfen werden können, ob es legitim ist, mit Gewalt gegen sie vorzugehen, um Schlimmeres zu verhindern oder ob man Risiken eingehen möchte, um einen schonenderen Weg zu finden. Gleiches gilt für die Fluchlösung, hier sollte es jede Menge Varianten geben, die um einiges spannender sind. Anscheinend ist das sogar in der Konstruktion des Abenteuers aufgefallen, sind doch noch einige Tagelöhner hinzugefügt worden, die den Finalort besetzt halten. Aber auch in diesem Punkt würden mir auf Anhieb jede Menge Gegner einfallen, die eher in die Kategorie „Herausforderung“ fallen würden. Einmal mehr denke ich, dass gerade auch im Lektorat darauf geachtet werden sollte, ob ein Abenteuer auch einen angemessenen Spannungsbogen aufweist. Das Zuckerbäcker-Klischee (was vom Abenteuer inhaltlich und auch im Coverbereich eindeutig bedient wird) derart intensiv auszuführen, entspricht schlichtweg nicht dem, was ich für eine richtige dramaturgische Entscheidung halte, auch wenn man in der Kombination von Titel, Cover und Inhalt durchaus den Eindruck erhalten kann, dass dies absolut so gewollt ist.

IV. Fazit

Der stille Pfad ist aus meiner sich ein ausgesprochen zweischneidiges Schwert. Als sehr gelungen betrachte ich die Hintergrundgestaltung, in der die Bewohner des Städtchens sehr gut beschrieben wurden und für den Spielleiter alles maßgerecht ausgearbeitet wurde. Leider fehlt eindeutig der Raum für eine angemessene Ausgestaltung der Spannung, die Lösung des Abenteuers ist im Gegenteil völlig unspektakulär und eher im Negativen bodenständig.

Bewertung: 3 von 6 Punkten

3 Kommentare

  1. Vielen Dank für deine ausführliche Besprechung! Obwohl das HW bei dir wenig Punkte kassiert hat, finde ich das Abenteuer an sich trotzdem recht reizvoll (wie du auch beschreibst). Eine Borongeweihte als Antagonistin klingt nach einer spannenden Grundidee und ist mal was anderes. Ich freue mich somit dennoch aufs kommende Heldenwerkarchiv (mit diesem AB; den Boten kann ich nicht abonnieren, da im Ausland) und würde das Ganze als Meister gehörig nachwürzen (damit das Ganze eine gewisse Gefahr darstellt, so wie von dir empfohlen). DANN könnte das für die Gruppe unvergesslich werden… 🙂

    Zudem fühle ich mich irgendwie ans allererste HW „Hexenreigen“ erinnert… Auch das hatte ich damals gehörig erweitert, weil ich die Grundidee spannend fand. (Schlussendlich leitete ich das HW mehrere Sitzungen lang und das Feedback der Gruppe war am Ende auch positiv.)

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