Rezension: Elfenkrieg

Vorbemerkung: Die LeserInnen der Phileasson-Saga haben eine lange Durststrecke hinter sich. Nachdem bislang immer ein halbes Jahr zwischen zwei Bänden lag, herrschte nun nach der Veröffentlichung von Rosentempel ein Jahr lang Pause. Auch wenn das natürlich völlig verständlich ist, dass gut beschäftigte Autoren wie Bernhard Hennen und Robert Corvus eine solch kurze Frequenz nicht immer einhalten können (immerhin handelt es sich stets um ziemliche Wälzer), so war es doch ungewohnt, 12 Monate auf eine Fortführung der Wettfahrt zu warten. Damit ist nun aber glücklicherweise Schluss, seit ein paar Tagen ist mit Elfenkrieg der 8. Roman veröffentlicht. Und die Unterbrechung hat offensichtlich der Beliebtheit keinen Abbruch getan, ist doch auch dieses Mal direkt wieder der Sprung in die Bestsellerliste gelungen.

In Zahlen

– 752 Seiten

– erschienen am 9.3. 2020

– Preis: 16,99 Euro

I. Aufbau und Inhalt

Wie üblich ist der Haupthandlung ein längerer Prolog vorangestellt, der die Vergangenheit einer der Hauptfiguren in den Mittelpunkt stellt. Diesmal handelt es sich dabei um den Nandusgeweihten Vascal della Rescati, wobei der Fokus zunächst auf dessen Aufstieg in der diffusen Welt der Geheimgesellschaften des Horasreichs liegt. Obwohl selbst kinderlos wird mit den Jahren eine sehr enge Bindung zu seiner Nichte Leomara erkennbar, die von ihrer Mutter Stella lediglich als Mittel zur Prestigegewinnung genutzt wird, nachdem der schwangeren Stella vom Kaiserdrachen Shafir ein besonderes Schicksal für ihre Tochter vorhergesagt wurde. Die Momente später auftauchendender Besessenheit unterstreichen dies scheinbar, allerdings verhält sich Stella nicht wie eine fürsorgliche Mutter, sondern lässt sogar dubiose und gefährliche Untersuchungen an Leomara zu. Dies zwingt Vascal zum Handeln, was letztlich auch die Überleitung zur Teilnahme der beiden in Phileassons Ottajasko darstellt.

Der Hauptteil schließt direkt an die Ereignisse aus Rosentempel an, wobei wie gewohnt immer wieder zwischen beiden Mannschaften gewechselt wird. Ein großer Unterschied ist allerdings die deutlich klarere Trennung, befinden sich Beorn und Phileasson doch nun nicht mehr auf parallelen Wegen zum gleichen Ziel, sondern sind buchstäblich in anderen Welten unterwegs. Nach dem Kontakt mit Orima am Ende von Rosentempel ist Beorn mit seinen Gefolgsleuten auf den Inseln im Nebel angelangt, einer Globule, die den Hochelfen nach ihrem Sturz als Zufluchtsort dient. Phileasson hingegen befindet sich immer noch in Aventurien und folgt weiter den Prophezeiungen.

Beorns Handlungsstrang erweist sich dabei zunächst als deutlich epischer, müssen er und seine Mannschaft doch feststellen, dass sie inmitten einer Nachbildung der Belagerung von Tie´Shianna gelandet sind. Unaufhaltsam nähert sich die Stadt ihrem Untergang, trotz des Heldenmuts der Verteidiger sind die Truppen des pferdeköpfigen Riesen Kazak, der das Heer des Namenlosen anführt, angesichts ihr schieren Übermacht nicht aufzuhalten. Beorn gelingt es, die Aufmerksamkeit des Königs Fenvarien zu erlangen, der die verzweifelte Verteidigung aufrecht erhält und den Mut der Thorwaler anerkennt. Obwohl es sich um eine merkliche Illusion handelt, registrieren die Neuankömmlinge schnell, dass die Konsequenzen der Kampfhandlungen für sie tödlich enden können. Somit bleibt nur der Ausweg, eine Fluchtmöglichkeit zu suchen. Hilfe kann hier möglicherweise der Elf Faelanthir leisten, der ebenfalls dort festsitzt, die sich immer wieder wiederholende Belagerung aber schon mehrfach überlebt hat.

In der Folge wird einerseits episodenhaft die Belagerung in wuchtigen Kampfszenen geschildert, andererseits auch vieles über den Aufbau der Nebelinseln in Erfahrung gebracht (die nicht nur aus Orten besteht, in denen sich vergangene Ereignisse wiederholen), wobei auffällig ist, dass die Elfen sich in verschiedene, miteinander konkurrierende Gruppen auseinanderdividiert haben. Genau in diesem Umstand sieht Beorn eine Chance, sich neue Verbündete zu schaffen und eine eigene Machtposition aufzubauen.

Phileasson hingegen erscheint nach dem Verschwinden Beorns als der Verlierer des Wettlaufs, sieht allerdings seine einzige Möglichkeit in der Fortführung der Erfüllung der Prophezeiungen. Somit zieht er mit dem Bettlerzug Ben Arams aus der Wüste hinaus in das Horasreich, um von dort aus in die Dschungel des Südens zu gelangen, wo seine Schutzbefohlenen eine neue Heimat gründen wollen.

Geprägt ist seine Reise vor allem von Vascals Begegnungen mit seiner im Prolog geschilderten Vergangenheit und von einem ausgesprochen negativen Wandel in Mirandolas Verhalten, die offene Zweifel an dem Zweck ihrer Reise zeigt.

Die Gründung des Ortes Brokscal verläuft folglich auch nicht ohne Hindernisse, gilt es sich doch zunächst in einer ausgesprochen feindseligen Umgebung zu beweisen, leben doch in unmittelbarer Nachbarschaft ein Waldmenschenstamm und ein Volk von Echsenmenschen. Die Aufgabe ist offenkundig erst dann erfüllt, wenn es gelingt ein dauerhaftes friedliches Zusammenleben mit den fremden Nachbarn zu garantieren, wobei zunächst aber offene Konflikte ausgetragen werden müssen, die nur von Phileasson und seinen kampfstarken Begleitern gemeistert werden können.

II. Figuren

Im Vordergrund stehen diesmal recht eindeutig die beiden Kapitäne selbst, wobei beide unter anderem auch die Führungsposition behaupten müssen. Phileasson muss dabei mit Mirandolas irrationalen Ausbrüchen umgehen, die unter anderem dafür sorgen, dass er mit den Echsenmenschen in Konflikte gerät. Als eine wichtige Stütze entpuppt sich dabei Irulla, die sich in ihrer Heimat in ihrem Element befindet, dabei aber auch einiges über ihre eigene Vergangenheit erfahrt.

Beorn hat zwar nicht mehr das Problem, sich ständig Pardona unterordnen zu müssen, wird dafür aber vor allem von Eilif in seiner Rolle als Anführer hinterfragt, wobei sein Verhältnis zu Zidaine von einigen Mitgliedern seiner Mannschaft sehr kritisch gesehen wird.

Die Ereignisse in Tie´Shianna sind zudem sehr geprägt von den Persönlichkeiten der Vergangenheit. So erweist sich der gesuchte Fenvarien als charismatischer Anführer, der sich entschlossen gegen den Untergang stemmt. Ihm gegenüber steht der furchterregende Kazak, der als Kommandeur der Belagerer auch der entscheidende Widersacher Beorns bei dessen angestrebter Flucht ist.

Beide Mannschaften erfahren zudem erneut Zuwachs: So schließen sich Beorn der Elf Faelanthir und der Minotaurus Ismon an, die als Schicksalsgenossen ebenfalls in Tie´Shianna festsitzen. Phileassons Gruppe wird um den jungen Thorwaler Tevil Liskolfson erweitert, der den vergleichsweise kleinen Anteil an Kriegern erhöht.

III. Kritik

Tatsächlich kann ich eines gleich vorausschicken: Das Warten hat sich gelohnt. Elfenkrieg stellt für mich innerhalb einer ohnehin guten und unterhaltsamen Reihe einen der stärksten Romane bislang dar. Das Highlight ist dabei diesmal der Beorn-Handlungsstrang. Die Belagerung von Tie´Shianna ist nach dem eher reiselastigen Rosentempel wieder ein sehr episch angelegtes Handlungsmoment. Auch wenn immer nur episodenhaft Ereignisschilderungen stattfinden, so lassen diese die Gewalt der Belagerung verspüren, in denen der einzelne Kämpfer zwar situativ durchaus etwas bewegen kann, man letztlich aber der Wucht einer gigantischen Schlacht unterworfen ist, in der das Individuum nur ein sehr kleines Rädchen in der großen Maschinerie ist. Zusätzlichen Reiz gewinnt die Handlung an dieser Stelle durch den Umstand, dass die nicht abwendbare Niederlage unmittelbar bevorsteht und nur noch wenig Zeit für eine Verzweiflungstat zur Verfügung steht. Das Schicksal des jungen Arn Gamalson, der schwer verletzt wird, unterstreicht zudem, dass die Bedrohung real ist. Gerade Beorn kann sich hier als tatkräftiger Heroe erweisen, der sogar die Aufmerksamkeit beider Heerführer, Fenvarien und Kazak, gewinnen kann. Zudem kann der Hetman hier auch wieder seine ambivalenten Seiten zeigen: Einerseits ist er nach wie vor ein grausamer Plünderfahrer, der immer noch bereit ist, vieles seinen Plänen unterzuordnen, was sogar das Fortbestehen ganzer Städte betrifft und der aus Rache tötet, der andererseits aber auch bereit ist, sich persönlich für seine Mannschaft zu opfern und der auch große Risiken für Arn auf sich nehmen will.

Die neue Umgebung der Inseln im Nebel verleihen den Ereignissen zudem noch deutlich mehr Mystik, wobei endgültig deutlich wird, dass die Wettfahrt letztlich nur Staffage in einem deutlich größeren Handlungsrahmen ist, der Vergangenheit und Zukunft Aventuriens miteinander verbindet.

Phileasson mag auf deutlich profaneren Pfaden unterwegs sein, allerdings weist auch seine Mission ausgesprochen dramatische Zuge auf, gerade auch dann, wenn er die wehrlosen Bettler von Brokscal gegen ihre Feinde verteidigen muss, wobei gerade die Echsenmenschen eine Herausforderung darstellen. Typisch für ihn ist dabei aber nach wie vor, dass er – anders als sein stets zur Konfrontation bereiter Konkurrent Beorn – zumeist den Pfad des Ausgleichs und der Diplomatie sucht. Die Aufgaben, denen er und seine Mitstreiter sich dabei stellen müssen, sorgen dabei diesmal für die (allerdings seltenen) humorigen Momente des Romans.

Der Prolog erfüllt diesmal die Funktion, Leomaras Hintergrund zu erläutern und die Bindung zwischen ihr und Vascal zu verdeutlichen. Dies gelingt auch gut, allerdings ist die Fortführung dessen nicht stringent genug ausgeführt, indem die Bemühungen Stellas in der Folge sehr halbherzig dargestellt werden. Hier stellt sich mir als Leser schon die Frage, ob sie nicht mit mehr Vehemenz versuchen würde, ihre Tochter nach dem Wiedersehen zurück zu sich zu holen, selbst wenn statt Mutterliebe hier Geltungssucht das Motiv ist. Somit wird das Antagonistenpotential ihrer Figur meiner Meinung nach nicht konsequent genutzt.

Nach wie vor fällt zudem auf, dass die größere Mannschaft von Beron eher von einzelnen Figuren dominiert wird, vor allem Beorn, Zidaine, Galayne und Eilif, während die Einzelcharaktere in Phileassons Ottajasko deutlich mehr zur Geltung kommen und somit auch die Charaktermomente hier häufiger betont werden, in denen Figuren ihre Motive und die inneren Konflikte offenbaren. Das hat nach wie vor den Effekt, dass die Sympathien des Lesers eher auf Seiten Foggwulfs stehen, während bei Beorn eine immer wieder angebotene Identifikationsmöglichkeit durch häufige Momente der Verstörung, z.B. durch Aktionen offener Grausamkeit bzw. Kaltblütigkeit konterkarikiert werden.

Beide Handlungsstränge enden wie üblich offen, wobei in Phileassons Fall diesmal ein ausgesprochen quälender Cliffhänger gewählt wurde, der für die nächsten Monate Ungewissheit über das Schicksal einiger Figuren lassen wird. Im Zusammenhang der Gesamtgeschichte vermerkt man hingegen deutliche Fortschritte, vor allem werden einige Perspektiven für den Fortgang des Handlungsbogens um die Hochelfen gegeben. Dies wird Phileassons Ottajasko sogar selbst bewusst, indem sie erfahren, dass ihre Wettfahrt eigentlich völlig anders verlaufen sollte, was die Frage aufwirft, welche Mächte diese Veränderung herbeigeführt haben.

IV. Fazit

Elfenkrieg ist ein ausgesprochen unterhaltsamer Roman, der der Gesamtgeschichte vor allem einige epische Wendungen hinzufügt, vor allem was Beorns Reiseweg angeht. Die Inseln im Nebel ergeben einen völlig neuen Hintergrund, der dafür sorgt, dass die Erlebnisse beider Mannschaften sich nunmehr stark unterscheiden. Gerade die Belagerung Tie´Siannas stellt auch innerhalb der Reihe einen echten Höhepunkt dar.

3 Kommentare

  1. Danke für deine Sichtweise. Sehr interessant, da du den Roman offensichtlich deutlich positiver siehst als die übrigen Meinungen, die ich bislang gelesen habe. Vielleicht sollte ich doch mal weiterlesen.
    Die Pause im Schaffensprozess ist im Übrigen darauf zurückzuführen, dass die drei kommenden Romane (inkl. diesem) gewissermaßen einen gemeinsamen Handlungsbogen umspannen. Dadurch ist es für die Autoren wichtiger gewesen auch Komponenten der künftigen beiden Romane mit einzubeziehen. Nach der Zäsur des Rosentempels hat man sich also gewissermaßen auch intern neu aufgestellt.

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