Rezension: Schatzjäger-Heldenset

Vorbemerkung: Schon ein Blick auf das Cover der Spielhülle verrät, dass das Schatzjäger-Heldenset offenkundig die eine oder andere Anleihe bei der Indiana Jones-Reihe vornehmen wird. Die erste Einsicht in die Inhalte fördert dann auch noch einen Helden namens Meridiana Bornski zutage, was diesen Eindruck noch verschärft. So oder so steht bei dieser Aventuria-Erweiterung für mich die Frage im Vordergrund, ob es gelingt, sich von diesen reinen Anspielungen auf die irdische Popkultur zu lösen und trotzdem ein originelles Abenteuer kombiniert mit einer Spielfigur zu bieten, die wiederum neue, eigenständige Facetten entwickelt.

I. Inhalt    

Wie bei den anderen kleinen Boxen des Crowdfundings ist hier ein Held enthalten sowie ein Abenteuer, bei dem diese Figur mit ihren Fähigkeiten besonders gut eingebaut werden kann, bestehend aus einem Begleitheft und den Abenteuerkarten.

Das Heldendeck weist den Entdecker Meridiana Bornski als eine Art Allrounder aus, der zwar über wenig herausragende Karten verfügt, dafür aber in allen Bereichen über eine gewisse Auswahl verfügt: So sind beispielsweise je drei Karten mit Fernkampf- und Nahkampfwaffen sowie Rüstungsgegenständen enthalten. Diese sind sehr entdeckertypisch, so kann man die Figur mit Balihoer Hut, Lederjacke, Blasrohr, Fackel, Spaten und Haumesser ausstatten. Besonders ausgeprägt ist der Talenteinsatz, sind doch hier gleich acht Karten vorhanden. Mit den Talenten ist zudem noch eine Besonderheit verbunden: Neben seinem normalen Deck verfügt Meridiana noch über ein Zusatzkartendeck aus 5 Belohnungskarten. Immer wenn er ein Talent ausspielt, darf er im Austausch gegen einen Schicksalspunkt eine Karte von diesem Stapel abheben. Hierbei handelt es sich um eine bunte Mischung von Karten aus verschiedenen Kategorien, z.B. den Kelch des Lebens, der als Nothelfer dient und die Lebensenergie auf 15 setzen kann oder um einen Fluchstein, mit dem man einem Gegner empfindlichen Schaden zufügen kann, wenn man bereit ist, denselben Schaden zu erleiden.

Das Abenteuer Perlenräuber von Christian Lonsing nimmt seinen Anfang in Al´Anfa, wo man von der Grandessa Tsaiane Ulfhart den Auftrag erhält, dem rätselhaften Überfall auf eine ihrer Perlenfarmen nachzugehen. Besonders mysteriös erscheint der Umstand, dass es sich bei den Angreifern um Untote handelt. Folgend führt das Abenteuer an verschiedene Orte, unter anderem muss das verruchte Selem aufgesucht werden. Der Aufbau erfolgt in Form eines Expeditionstagebuchs, das in viele kleine Kapitel aufgeteilt wird und den HeldInnen regelmäßig am Ende einige Proben abverlangt. Diese stammen aus vielen Bereichen, auch solchen, in denen Meridiana nicht unbedingt hohe Werte hat. Um diese zu lösen, gibt es einen Sondermechanismus: Alle SpielerInnen ziehen zusätzlich zu ihrer Spielfigur noch eine sogenannte Kontaktperson, also einen Begleiter, der über eigene Talentwerte verfügt und bei den Proben unterstützen kann. Erfolgreiche sogenannte Forschungsproben führen zum Sammeln bestimmter Marker, deren Anzahl auch am Ende eine konkrete Auswirkung hat. Somit arbeitet man sich nach und nach vor, bis ein kampfintensives Finale ansteht.

II. Kritik

Auch hier muss ich zunächst den Helden in den Vordergrund stellen: Meridiana Bornski gefällt mir insgesamt recht gut. Sein Deck ist recht ausgewogen gestaltet, so dass er sich einerseits ganz gut seiner Haut erwehren kann, wobei er allerdings vergleichsweise schlecht gegen gegnerische Angriffe geschützt ist, da seine Rüstungsgegenstände (passend zur leichten Kleidung, die für den heißen Süden und dessen Dschungel angemessen ist) nicht besonders viel Schaden abfangen. Gerade seine Talente gewähren ihm aber viele zusätzliche Möglichkeiten, seine Werte zu verbessern oder auf andere Fähigkeiten zurückzugreifen.

Einen spannenden Bonus stellt sein Sonderdeck mit Belohnungskarten dar. Auch hier wird sein Hintergrund als Entdecker, dem ab und an ungewöhnliche Objekte in die Hände fallen, passend aufgenommen. Die besagten Objekte sprengen allerdings auch nicht den Balancerahmen, indem sie ihm zu viel Macht gewähren, sondern sind eher nützliche Hilfestellungen, die z.B. den Umstand ausgleichen, dass er kein mächtiger Krieger mit besonders starken Waffen ist und ihm auch nicht die Option einen dritten magischen Angriffs offensteht. Somit muss er gerade im Kampf auf seine Boni zurückgreifen, um Gegner effektiv zu bekämpfen.      

Wie schon angesprochen ist der Hintergrund eines solchen Abenteurers gut aufgenommen worden, was sich sowohl in den verwendeten Mechanismen als auch in den Karten wiederfindet. Natürlich werden dabei gewisse Klischees in Form von Anspielungen an Indiana Jones für meinen Geschmack manchmal etwas überstrapaziert, z.B. durch Gegenstände wie einen Kristallschädel im Belohnungsdeck, im Spiel selbst stört das aber nicht.

Perlenräuber hinterlässt mich als Abenteuer mit einem etwas zwiespältigem Eindruck. Einerseits wird hier eine schöne Geschichte erzählt, in der der Entdeckertopos gut nach Aventurien transportiert wird, indem man eine größere Reise auf sich nimmt und auch passende Orte aufsucht, u.a. die legendäre Silem-Horas-Bibliothek in Selem oder die umliegenden Sümpfe. Auch die geheimnisvollen untoten Gegner haben eine Hintergrundgeschichte, die sich gut in einen Abenteuerfilm einfügen würde. Allerdings fällt das in der Umsetzung dann spielerisch etwas langatmig aus, indem man sich durch extrem viele Kapitel des Entdeckertagebuchs arbeiten muss, an deren Ende dann abgesehen vom Finale immer nur Proben abgeleistet werden müssen und das in einer Folge von gleich 10 solcher Passagen. Hier wäre eine Zwischenetappe mit weiteren Gegnern hilfreich gewesen, womit Perlenräuber aus meiner Sicht eigentlich eher dazu geeignet wäre als Mehrakter konstruiert zu werden.

Grundsätzlich eine gute Idee ist der Mechanismus der Begleiter, die in gewissem Rahmen Hilfestellungen leisten können. Hier gilt es gut zu wählen, und sich für eine solche Person zu entscheiden, die die Schwächen der eigenen Figur ausgleichen kann. Schade allerdings finde ich, dass man darauf verzichtet hat entsprechende Schergenkarten zu entwickeln, mittels denen die Kontaktpersonen nach ihrem Ausscheiden aus der Handlung im Finale auch wirklich auftauchen können, anstatt dass sie nur noch im Text erwähnt werden. Gut gelungen ist dafür die Idee, dass die vielen Proben und deren erfolgreiche Lösung im Finale eine konkrete Auswirkung haben.     

III. Fazit

Das Schatzsucher-Heldenset bietet mit Meridiana Bornski einen neuen Helden, der relativ universell einsetzbar ist, da er über eine gute Mischung aus Karten aller unterschiedlichen Kategorien verfügt. Sein Sondermechanismus mit einem speziellen Zugstapel gleicht bestimmte Nachteile (z.B. schwache Rüstung und eingeschränkte Schlagkraft der Waffen, keine Magie) aus und unterstreicht gleichermaßen den Hintergrund eines Entdeckers, wenn auch bestimmte Klischees dabei bemüht werden. Das Abenteuer Perlenräuber erzählt eine passende und atmosphärische Geschichte, ist aber in den Stationen bis zum Finale etwas langatmig, verfügt dafür aber ebenfalls wieder über gelungene Spielmechanismen.

Bewertung: 4 von 6 Punkten

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