Rezension: Die Krallen der Löwin

Vorbemerkung: Im letzten Jahr hat es sehr lange gedauert, bis das erste reguläre Abenteuer abseits von Crowdfundings und Heldenwerken erschienen ist. Dass es 2021 etwas schneller geht, ist der guten Schlagfrequenz der Rabenkrieg-Kampagne zu verdanken. Mit Die Krallen der Löwin legen Armin Abele und David Schmidt hier bereits den vierten Band vor. Nachdem zuvor Der Sturz des Adlers den Schwerpunkt eher auf Geheimmissionen außerhalb des großes Kriegsgeschehens gelegt hat, soll hier laut Klappentext der Höhepunkt der Militärkampagne erreicht werden. Gerade bei solchen Abenteuern gilt nach wie vor, dass mein Augenmerk besonders auf die Einbindung der Spielercharaktere gerichtet ist, ist es doch ausgesprochen schwierig, einzelne Figuren im großen Schlachtgeschehen zu mehr als nur kleinen Rädchen im großen Getriebe werden zu lassen.

In Zahlen:

– 64 Seiten

– Preis: 14,95 Euro

– erschienen am 26.3. 2021

I. Aufbau und Inhalt

Tatsächlich steht im Mittelpunkt ein einziges großes Kampfgeschehen, indem in der Schlacht von Mehat die al´anfanischen Truppen sich den Verbänden der Kemi zum Gefecht stellen müssen. Somit umfassen die Ereignisse des Bandes auch nur wenige Tage, in denen sich allerdings viel kompaktes Geschehen birgt. Zudem sind die HeldInnen nicht ausschließlich in eine singuläre Schlacht verwickelt, sondern der Ablauf untergliedert sich in einige Vorgeplänkel und – fast schon wie gewohnt für die Rabenkrallen – in einige Kommandounternehmen, in denen sie deutlich mehr auf sich allein gestellt sind und unabhängig vom großen Heer agieren können.

Wie üblich folgt zunächst eine Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse, bevor das konkrete Abenteuer beginnt. Ausgangspunkt ist diesmal die Hafenstadt Yleha, wo die HeldInnen nun dem Heereszug von Oderin du Metuant persönlich zugeteilt sind. Dort gilt es zunächst, ein paar ruhigere Momente zu verleben, wobei man durchaus auch in brisante Situationen geraten soll, z.B. wenn es gilt Oderin zu einen pietätvollen Umgang mit einem besiegten Feind zu bewegen.

Schnell aber nimmt der Feldzug wieder Fahrt auf, wobei der Heldengruppe die Aufgabe zufällt, dem Heer als Vorhut auf dem Weg nach Mehat zu dienen. Hier stellt man zügig fest, dass sich ein großes Heer der Kemi unter dem Kommando der erfahrenen Generalin Chanya al´Plane in der Nähe befindet und offenbar entschlossen ist, die Al´Anfaner zur Schlacht zu stellen. Einen ersten Vorgeschmack darauf kann man bei einem Geplänkel mit gegnerischen Spähern erhalten, wobei es gilt, eine Stellung solange zu halten, bis Entsatz die Position erreicht.

Folgend trifft im Gefolge von Oderin auch Rhonda IX. Setepen ein, die von den Al´Anfanern als Klientelkönigin auserkoren ist. Dabei kann man die Kemi-Prinzessin als sehr eigenständige Person kennenlernen, die zwar loyal zu Oderin steht, aber keineswegs eine bloße Marionette ist.

Hier löst man sich auch wieder vom reinen Kampfgeschehen, indem die Gruppe zwei Sonderaufträge erhält: Zunächst gilt es, einen vermissten Offizier zu suchen, der ein wichtiges Artefakt zu Rhonda transportieren soll, was sich im Endeffekt als eine Art Dungeonabenteuer entpuppt, zudem soll anschließend eine wichtige strategische Position eingenommen werden, um das Heer in der folgenden Schlacht in eine bessere taktische Ausgangslage zu versetzen. Als Handlungsorte fungieren dabei neben der Durchquerung des Dschungels eine alte Mine und ein Fort.

Den Schlussakkord stellt dann die schon angesprochene Schlacht von Mehat dar. Zunächst werden die wichtigsten Einheiten beider Heere kurz beschrieben, mit einer Charakterisierung von Motivation und Kampfverhalten, den AnführerInnen und der Einheitengröße. Dem schließt sich ein Überblick an, der den Ablauf der Schlacht so schildert, wie er ohne ein Eingreifen der Spielercharaktere stattfinden würde, woraufhin verschiedene Szenarien skizziert werden, wie diese eingebunden werden können, so dass sie spürbare Resultate erzeugen können.

Im Anhang finden sich eine Zeittafel mit den Ereignissen der Kampagne, eine Auflistung von Militärrängen und Plündergut sowie ein Glossar. Dazu gibt es Karten des Fort Gereh und des Schlachtschauplatzes. Wie in den vorherigen Bänden sind an den verschiedensten Stellen im Abenteuer Passagen vorhanden, in denen Optionen aufgeführt werden, wie man in den jeweiligen Situationen alternativ im Geheimauftrag des Horasreichs handeln könnte, um die Aktionen der Al´Anfaner zu sabotieren.

II. Figuren

Da hier das große Geschehen aufgegriffen wird, kommen die HeldInnen nun noch unmittelbarer in Kontakt mit den Anführern des Feldzuges. Gefühlt gehen sie im Feldherrenzelt von Oderin ein und aus und erhalten somit die Gelegenheit, sich vor ihm auszuzeichnen. Erstmals persönlich treffen sie zudem Rhonda, die sich hier als mutige Kriegerin zeigen kann, die sich auch nicht zu schade ist, ihre Truppen in vorderster Linie in die Schlacht zu begleiten. Ebenso erhöht sich im vorliegenden Band die Interaktion mit Said, dem Anführer der Rabenkrallen, zu dem man hier eine deutlich intensivere Beziehung erreichen kann, indem man ihm in einer schwierigen Situation beisteht.

III. Kritik

Nimmt man nur die DSA5-Publikationen, so handelt es sich bei Die Krallen der Löwin eindeutig um das Abenteuer mit dem größten militärischen Schwerpunkt (mehr noch als die Vorgängerbände und auch Der Grüne Zug aus der Theaterritterkampagne), wird doch im Kern der Ablauf einer einzigen Schlacht beschrieben. Das wird allerdings nicht eintönig, da trotzdem klar voneinander abgrenzbare Segmente vorhanden sind, von den ersten Vorgeplänkeln über die Kommandounternehmen bis hin zur finalen Schlacht.

Nach wie vor liegt eine große Stärke der Gesamtkampagne darin, trotz eines klar vorgegebenen Ausganges immer wieder passende Möglichkeiten zu finden, die HeldInnen so einzubinden, dass man jederzeit das Gefühl hat, einen entscheidenden Unterschied ausmachen zu können. Das wird auch mit einem spürbaren Zuwachs an Reputation verbunden, indem man mehr und mehr die Erkenntnis erhält, kein kleines Rädchen in der Maschinerie zu sein, sondern dass man von Oderin und Rhonda geschätzt wird und die wirklich wichtigen Aufträge erhält.        

Klar gesagt werden muss, dass aus meiner Sicht allerdings gerade das vorliegende Abenteuer – mehr noch als seine thematisch ähnlichen Vorläufer – eine versierte Spielleitung benötigt. Zwar sind im Regelfall die wichtigen Grundinformationen vorhanden (Figuren- und Ortsbeschreibungen, Kartenmaterial, Handlungsvorschläge mit einigen Variablen), trotzdem soll ein Großereignis gemanagt werden, bei dem das ganze Schlachtgeschehen aufgrund der hohen Teilnehmerzahl nur schlaglichtartig gezeigt werden kann. Dabei besteht mitunter auch die Gefahr, dass das in langwierige Würfelorgien ausartet, immerhin haben drei von vier zentralen Abschnitten reine Kampfgeschehen zum Inhalt, lediglich der Abschnitt in der alten Mine fällt hier etwas heraus. Der Reiz liegt dabei sicherlich in der taktischen Umsetzung, indem die Kämpfe eben mit entsprechenden interaktiven und spielerischen Szenen verbunden werden. Das Potential dazu liegt eindeutig im Abenteuer, es muss aber richtig freigesetzt werden, dann liegt auch der Epik-Faktor des Gesamtgeschehens dementsprechend hoch. Nebenbei ist das sicherlich nicht unbedingt etwas für jede Gruppe, in dieser Hinsicht wird auch explizit darauf hingewiesen, dass gerade die Endschlacht auch ausgelassen werden kann oder man sich auf einen bestimmten Einzelaspekt fokussieren kann.           

Etwas zwiespältig sehe ich die Passage in der alten Mine. Hierbei handelt es sich um den Abschnitt des Abenteuers, der besonders detailliert ausgearbeitet ist. Hier können die HeldInnen sehr variabel vorgehen, die Figuren sind – sowohl was Verbündete als auch Antagonisten angeht – gut gestaltet und man ist hier nicht so sehr an einen festen Ablauf gebunden wie in den Gefechten. Spielerisch wird das sicherlich viel Spaß bereiten. Allerdings habe ich ein gewisses Problem mit der Logik der gesamten Szenerie, die ein wenig wie aus einem Bond-Film entnommen wirkt. Im Prinzip nehmen die Schurken einen wichtigen Feind gefangen, aber anstatt ihn auszuschalten, hinterlegen sie eine ähnlich aussehende Leiche, um Feinde in die Irre zu führen. Anschließend verbringen sie ihn in die Mine, wo sie ihn mit einem exotischen Gift töten wollen, das später gegen einen mächtigeren Würdenträger verwendet werden soll. Natürlich ergibt es vollkommen Sinn, ein Gift zu testen. Aber es wird nie erklärt, warum kein bekanntes, leichter zu erhaltendes Gift verwendet wird. Genauso könnte doch jeder andere Gefangene als Versuchskaninchen herhalten. Warum muss es also ausgerechnet der sein, der sich bislang als extrem gefährlicher Feind und Überlebenskünstler erwiesen hat und dessen sofortiges Ableben von Vorteil wäre? Das sind typische Schurkenfehler, bei denen eher der Effekt im Vordergrund steht und Logik keinen Platz hat. Dazu passend wird das Ganze mit dramatischen Schurkenmonologen gewürzt, in denen sie ihre Pläne erklären, was ihren Gegnern Zeit gewährt, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Ich persönlich mag so eine gewisse Theatralik schon, vermisse hier aber eben die notwendigen Erklärungsansätze, die das etwas plausibler werden lassen könnten. Unklar ist mir, wieso ausgerechnet hier eine Karte fehlt, stattdessen sind die Beschreibungen des Inneren der Mine sehr explizit.

Ein gewisser Kritikpunkt bleibt zudem weiterhin die hohe Zahl an Wiederholungen von Passagen, die wortgleich schon in den vorherigen Bänden abgedruckt waren. Umgekehrt ist in diesem Band besonders gut darauf geachtet worden, AgentInnen des Horasreichs alternative Ziele zu geben, was zu einigen erweiterten Szenen führt.

IV. Fazit

Die Krallen der Löwin verfügt über einen hohen Epik-Faktor, wobei es trotz der Tragweite der Ereignisse weiterhin gut gelingt, die Spielercharaktere so einzubinden, dass ihre Handlungen klare Effekte zeigen, zudem wird somit ihr Aufstieg in der Heereshierarchie passend illustriert. Die Anforderungen an die Spielleitung sind nicht gering, da die vielen Kampfereignisse abwechslungsreich umgesetzt werden müssen. Schade sind gewisse Logikfehler gerade in den Bereichen, die mehr Interaktion und Freiheit beinhalten.          

Bewertung: 4 von 6 Punkten  

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