Rezension: Aventurische Totengeister

Vorbemerkung: Da Ulisses durch die Crowdfundings einen sehr zyklischen Publikationsrhythmus entwickelt hat, wechseln sich derzeit immer Phasen ab, in denen viele Produkte auf einmal erscheinen und solche, in denen gerade nichts Neues erscheint. Solche Momente lassen sich immer wieder nutzen, um mal wieder einen Blick abseits der offiziellen Wege zu riskieren. Interessant erscheint mir dabei vor allem Aventurische Totengeister, eine Scriptoriumsveröffentlichung von Benjamin Bahr, wobei einerseits mit den Geistern ein spannendes Thema aufgegriffen wird und bei der andererseits sehr viel Wert darauf gelegt wurde, mit den Mitteln des Scriptoriums dem offiziellen Publikationslook sehr nahe zu kommen.

In Zahlen:

– 84 Seiten

– Preis: grundsätzlich kostenfrei, mit einer Pay-What-You-Want-Option  

– Erschienen am 2.3.2021

I. Aufbau und Inhalt

Im Vorwort erläutert der Autor zunächst seine Motivation zum Verfassen der Spielhilfe, wobei er hier noch eine gewisse Publikationslücke als ausschlaggebend beschreibt. Zunächst beginnt er sich der Thematik allgemein anzunähern, indem im ersten Kapitel die Seele im Vordergrund steht und welche Konzepte verschiedene aventurische Kulturen hier entwickelt haben. Eine Frage, die hierbei zentral wirkt, ist wo die Seele im derischen Sphärengefüge verortet werden kann.

Dem schließt sich dann die konkrete Beschäftigung mit Geistern an, wobei zunächst allgemeine Aspekte angesprochen werden wie z.B. Erscheinungsbild, Verstand etc. Auch hier wird anschließend zwischen den Kulturen differenziert, wobei unterschiedliche Konzepte beschrieben werden, z.B. wenn man neben allgemeinen mittelreichischen Vorstellungen die Glaubenswelt von Elfen und Zwergen hinzuzieht oder Sonderfälle wie animistische Kulturen.

Eng verbunden ist dies natürlich auch mit der großen Frage des Lebens nach dem Tod. Auch hier wird auf die unterschiedlichen Vorstellungen eingegangen, wozu folgend auch einige Totenreiche erwähnt werden, ausgehend von der Normvorstellung von Borons Hallen hin zu anderen Ideen wie dem Ewigen Dschungel und Tairachs blutroter Steppe. Dies wird dann mit spezifischeren Ideen für das konkrete Spiel verbunden, wenn Reisen in die Totenreiche hinzugenommen werden und Bewohner und Gefahren angesprochen werden.

Mit dem 4. Kapitel setzt dann der zweite Schwerpunkt der Publikation an, indem der zuvor geschilderte Hintergrund nun mit Regeln gefüllt wird. Hier werden z.B. verschiedene Statusbeschreibungen aufgenommen, z.B. die Frage, ob ein Geist an einen Ort gebunden ist oder unter welchen Voraussetzungen ein Geist von einer lebenden Person Besitz ergreifen kann. Hieran schließt sich der zentrale Aspekt der Geisterbeschwörung an, wobei die einzelnen Phasen einer Beschwörung von der Vorbereitung bis zu den Regeln für den Bittsteller angeführt werden. Dazu kommen die unterschiedlichen Dienste, die einem Geist abverlangt werden können.

Das folgende Bestiarium stellt dann konkrete Geistertypen vor, wobei immer es ein paar Ingame-Zitate zur Vorstellung gibt, dem sich dann allgemeine Anmerkungen anschließen und natürlich ein Regelkasten und eine Illustration. Berücksichtigt werden hier Eisfee, gefesselte Seele, Geisterdrache, Geisterschwarm, Hetzer, Irrlicht, Lynx, Nachtalp, Nekromentor, Poltergeist und Walkür. Ergänzend dazu gibt es das Kapitel Herbarium und Nützliches, das auf das Verhältnis von Pflanzen und Alchemica zu Geistern eingeht, wobei folgend auch einige vorgestellt werden, z.B. Bannpulver.

Abschließend erfolgen noch jede Menge Sonderregeln, die sich einerseits auf die Geister und ihre Fähigkeiten beziehen, andererseits aber auch auf die Möglichkeiten für BeschwörerInnen zur Kontrolle, Abwehr etc. Etwas herausgenommen wird noch ein Sonderkapitel zu Geheimnissen, das auf einige besondere Aspekte eingeht, die nicht offiziell bekannt sind und eher Wissen für SpielerInnen darstellt.

II. Kritik

Zunächst einmal muss ich ein großes Kompliment für die generelle Optik und das Layout von Aventurische Totengeister loswerden. Für meinen Geschmack werden hier die Möglichkeiten des Scriptoriums wirklich gut genutzt, so dass das Endergebnis den offiziellen Produkten zumindest schon recht nahe kommt, nebenbei fällt auch auf, dass offensichtlich das Korrekturlesen sehr gewissenhaft durchgeführt wurde. Dass viel Arbeit in die Erstellung investiert wurde, sieht man an dieser Stelle deutlich.

Aber auch inhaltlich merkt man, dass die Recherchearbeit sehr gewissenhaft erledigt wurde, die 80 Seiten sind durchaus bereichernd gefüllt. Gut gefällt mir dabei, dass die sicherlich hilfreichen Regelanmerkungen nicht für sich allein stehen, sondern viele Hintergrundinformationen zusammengetragen wurden. Der Aufbau scheint dabei vollkommen sinnhaft, indem zunächst das Seelenkonzept erörtert wird und dann der Anschluss zu den verschiedenen Vorstellungen von Totenreichen hergestellt wird. Das ist für mich eine gute und informative Zusammenstellung sowohl bisheriger Informationen aus offiziellen Bänden als auch von eigenständigen Gedanken.

Mit dem Bestiarium findet einerseits eine Anknüpfung an die aktuell sehr beliebten Kreaturenbände statt, andererseits stecken hier auch wiederum die konkreten Möglichkeiten für den Spieltisch, da sie ja zum direkten Einsatz gedacht sind. Hier gefällt mir beispielsweise der Übertrag der myranischen Nekromentoren auch für Aventurien.

Eine Stärke liegt natürlich in der Relevanz der Thematik. Geister sind – sei es als Bestandteil von Horrorszenarien genauso wie als Quelle von Informationen – ein fester Bestandteil von Fantasyszenarien, auf die häufig zurückgegriffen wird. Und der Band zeigt auch auf, dass hier eine große Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten besteht, so dass viele Anregungen für SpielleiterInnen vorhanden sind.

Ganz generell hätte ich mir allerdings stellenweise noch mehr konkretes Material gewünscht, im Gesamten ist mir der Band etwas zu allgemein-theoretisch gehalten. So wären einige konkrete Geister (eben nicht nur als Typus, sondern als Individuum) sicherlich sehr gewinnbringen gewesen, da ja gerade hier ein interessanter Aspekt liegt, nämlich dass Geister keine beliebigen Zufallsbegegnungen darstellen, sondern jeweils einzigartige Wesen mit einer (natürlich meist sehr tragischen) Lebensgeschichte sind. Gleiches gilt für das abschließende Kapitel mit den Geheimnissen, auch hier handelt es sich um Aspekte, die keinen besonderen Detailgrad aufweisen, so dass sie kaum einfach so verwendet werden können. Sollte es einen weiteren Band geben – die Möglichkeit wird auf jeden Fall angesprochen – so würde ich mir genau solche Konkretisierungen wünschen (und mich natürlich sehr über betreffenden Band freuen).

III. Fazit

Aventurische Totengeister ist eine interessante Spielhilfe, die mit Geistererscheinungen ein sehr relevantes Fantasythema aufgreift und einige gute Anregungen bietet. Stellenweise hätte ich mir allerdings neben vielen allgemeinen Anmerkungen noch mehr konkrete Abenteueranreize gewünscht. Positiv fällt in jedem Fall die Optik auf, indem die Möglichkeiten des Scriptorium gut genutzt werden, um der Spielhilfe ein Erscheinungsbild zu geben, das den offiziellen Publikationen sehr nahe kommt. Wie üblich bei Fanpublikationen möchte ich auf eine abschließende Punktewertung verzichten.               

1 Kommentar

  1. Hallo zusammen, hier ist der Autor.

    Vielen lieben Dank für die nette Rezension! Ehrlich gesagt gefällt mir besonders, dass das gute Lektorat und Korrektorat aufgefallen sind. 😀 Da haben einige Leute eine Menge Zeit und Arbeit reingesteckt, die sich über das Lob sehr freuen dürften! 🙂

    In der Tat ist es ein spannender Gedanke, noch mehr Spezielles zu Geistern zu bringen, vor allem individuell Geister-NPC, die sich auch als Abenteueraufhänger verwenden lassen. Aber auch Gruselige Orte, wie das Totenmoor oder die Mythraelsfelder. Für die Version 2.0 ist das definitiv angedacht. Am Ende des Tages musste ich sehr aufpassen, dass mir das Projekt nicht über den Kopf wächst, es war ja auch ein rein privates Hobby. Und ab einem gewissen Punkt musste es einfach fertig werden (und ich ein bisschen auf meine geistige Gesundheit achten 😀 ).

    Übrigens: Wer an Details zum Entstehungsprozess interessiert ist: Im Orkenspalter-Thread gibt es noch viel mehr Information dazu:

    https://www.orkenspalter.de/index.php?thread/41729-aventurische-totengeister/

    Ansonsten freut es mich aber sehr, dass das, was in der Spielhilfe drin ist, so gut gefällt!

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