Ein Interview mit Katharina Niko

Optik ist bei DSA bzw. im Rollenspielbereich allgemein ein unheimlich wichtiger Faktor. Auch wenn Rollenspiel natürlich primär im Kopf stattfindet, braucht unsere Fantasie manchmal den einen oder anderen Impuls, z.B. in der Frage des Aussehens von Kreaturen, Figuren, Gebäuden oder Landschaften. Von Beginn an sind Aventurien und Co. nicht nur in Texten, sondern auch in vielen Illustrationen lebendig geworden. Schon seit langem beschäftigt mich die Frage, wie man sich die Arbeit von IllustratorInnen vorstellen muss, z.B. in der Zusammenarbeit mit den AutorInnen. Um ein wenig Einblick in diesen hochinteressanten Bereich zu gewähren, hat sich freundlicherweise Katharina Niko (auch bekannt als Tokala) bereit erklärt, mir ein Interview zu geben. Katharina ist im DSA-Bereich vor allem bekannt für die Illustrationen in vielen Heldenbrevieren und den Bänden der Vademecum-Reihe, persönlich bin ich ihr zudem sehr dankbar für die Kreation meines Blog-Headers.        

Dereblick: Hallo Katharina. Kannst dich vielleicht zunächst kurz vorstellen? 

Katharina Niko: Ich bin freiberufliche Illustratorin und arbeite hauptsächlich mit Aquarellfarben. Einer meiner bekanntesten Stile ist wohl der monochrome und traditionell anmutende Sepia-Aquarellstil. In diesem sind zum Beispiel die Bilder für die Deluxe-Ausgaben der Phileasson-Saga entstanden. Aber auch die Illustrationen für Vademecums und Heldenbreviere für DSA fertige ich auf diese Art an. Private Auftraggeber bevorzugen diesen Stil ebenfalls für die Charakterzeichnungen ihrer Helden. Letztes Jahr habe ich die Inrah-Karten für DSA komplett neu gestaltet.

Meine Kunden sind Rollenspielverlage, Buchverlage, Privatkunden, aber auch für das ZDF und die Reihe Terra X habe ich schon gezeichnet. 

Ausgebildet bin ich in diesem Beruf übrigens nicht, ich bin gelernte Buchhändlerin und habe anschließend Sozialökonomie in Hamburg studiert. Das Zeichnen begleitet mich aber dennoch schon seit jüngster Kindheit und meine ersten Veröffentlichungen waren Comics beim Verlag „Der Schwarze Turm“ (z.B. in „200g Hack“, einer Horror-Anthologie, oder im „Subway to Sally Storybook“).   

Dereblick: Wie ist es dazu gekommen, dass du Bücher und Rollenspiele illustrierst?  

Katharina Niko: Eigentlich war ich in meiner Jugend mehr im Bereich Comics unterwegs, aber auch begeisterter „Herr der Ringe“- und Fantasy- und Science-Fiction-Fan. Die Inspirationen haben sich gemischt und meine daraus hervorgehenden zeichnerischen Werke habe ich immer fleißig im Internet gepostet, zum Beispiel auf deviantart.com. Marie Mönkemeyer, die damals für Ulisses gearbeitet hat, wurde so auf mich aufmerksam und als einen meiner ersten Aufträge durfte ich 2013 eine Schwarzweiß-Karte von Shirach’Sûl für „Das Schwarze Auge“ zeichnen. Recht schnell kamen dann Aufträge für die „Culinaria Aventurica“ und das „Boron Vademecum“ hinterher. 

Dereblick: Hast du vor deiner Tätigkeit als Illustratorin schon eine Verbindung zum Rollenspiel bzw. DSA gehabt?  

Katharina Niko: Rollenspiel habe ich immer richtig toll gefunden, ich hatte davon gehört und wollte es unbedingt ausprobieren, es hat sich aber lange keine Gelegenheit dazu geboten. Erst 2012 ging das für mich los. So kam ich dazu, meine eigenen Charaktere und Szenen aus Abenteuern zu portraitieren – ich war so richtig drin und zutiefst begeistert! Das ist vielleicht auch mit einer der Gründe, warum Ulisses mich dann angeschrieben hatte.

DSA hatte ich schon früh mehrfach empfohlen bekommen und es war mir ein Begriff. So wurde es auch mein Einstiegssystem, in dem ich heute noch gern spiele, weil die Welt so unglaublich facettenreich und liebevoll gestaltet ist. 

Dereblick: Wie muss man sich die Zusammenarbeit zwischen dir als Illustratorin und den AutorInnen vorstellen? Erhältst du Beschreibungen vom Inhalt einer Publikation und fertigst dann Illustrationen an bzw. welche Zwischenschritte gibt es (z.B. in Form von Zwischenskizzen)?

Katharina Niko: Ich erhalte von Verlagen Beschreibungen der AutorInnen, die von der Artdirektion vorab geprüft werden. Ein häufiges Thema dabei ist zum Beispiel, dass AutorInnen gern verschiedene Größen-Relationen beschreiben. Zum Beispiel eine Schlacht in den Wolken vor Augen haben und dann „reinzoomen“ in einen Blutstropfen, der von der Hand eines Kriegers in einen Bach tropft, im Tropfen selbst spiegeln sich Szenen aus der Schlacht am Himmel – so etwas ist natürlich illustrativ schwer umsetzbar, da muss dann angepasst werden. Das ist sehr deskriptiv und ruft Bilder im Kopf hervor. Aber als Illustratorin muss ich natürlich herausdestillieren, welches Einzelbild ich von solchen Abläufen ich zeigen möchte, wie ich die Bildbestandteile sinnvoll und ansprechend anordne. In der Zusammenarbeit mit Ulisses zum Beispiel sind wir mittlerweile so eingefahren, dass kaum noch Zwischenskizzen nötig sind. Mit anderen Verlagen und AutorInnen aber schon und da ist zumindest eine solche Korrekturrunde Standard. 

Bei Privataufträgen habe ich einen ausführlichen Steckbrief, den die AuftraggeberInnen ausfüllen und mir zurückschicken, gern können sie auch Referenzbilder für Gegenstände, Gesichter, Kleidung etc mitschicken. Zwischenskizzen sind hier meist nicht nötig, können aber auf Anfrage vereinbart werden. Manchmal gibt es komplexere Charakterkonzepte, bei denen sich das anbietet. 

Dereblick: Gibt es bestimmte Aspekte, auf die du bei der Anfertigung einer Illustration besonderen Wert legst?

Katharina Niko: Ja, ich möchte mit meinen Illustrationen eine gewisse Wärme transportieren, etwas, dem man sich nahe fühlen kann und das etwas in einem hervorruft. Gerade, wenn ich Charaktere abbilde, ist mir das sehr wichtig. Es soll ein persönlicher Bezug zum Betrachter entstehen können, ob durch einen Blick, eine Körperhaltung, eine Geste, oder auch Ausrüstungsdetails oder andere kleine Bestandteile. Zudem versuche ich zu erreichen, dass eine Illustration ausgewogen wirkt. Der goldene Schnitt ist da natürlich ein großes Thema, aber auch elegante Linien und Muster wie im Jugendstil lenken mich da innerlich. Zudem versuche ich, mich mit jedem Bild weiter zu entwickeln und etwas zu lernen. Derzeit versuche ich mich an klassischen Aquarellmotiven und anderen Perspektiven und kann davon immer mal wieder etwas in aktuelle Illustrationen einfließen lassen. 

Dereblick: Wie lange dauert die Arbeit an einer Illustration bzw. an den Illustrationen für eine gesamte Publikation?

Katharina Niko: Wie so oft im Leben muss wohl auch hier die Antwort lauten: Das kommt darauf an. Manchmal muss ich viel recherchieren für ein Motiv und manchmal fließt es mir geradezu aus der Hand, weil ich eine ähnliche Illustration schon mal gemacht habe oder mir das Thema der Illustration sehr nahe ist. Für die Inrah-Karten zum Beispiel habe ich insgesamt ungefähr drei Monate für die Anfertigung gebraucht. Für ein Vademecum brauche ich meist so zwei bis drei Wochen, bis alle Illustrationen durch sind. Für ein Charakterbild brauche ich, je nach Ausführung, von zwei Tagen bis zu einer Woche – allerdings sitze ich da dann immer mal wieder dran und nicht ununterbrochen. Gerade bei Charakterbildern lasse ich die Skizze gern mal liegen und mache etwas anderes, schaue dann nochmal mit einem frischen Blick drauf und korrigiere, wenn nötig, damit es runder wirkt. 

Dereblick: Bei DSA gibt es ja eine Reihe, für die du besonders viele Illustrationen anfertigst: die Vademecum-Bände. Dabei fällt auf, dass dabei von den mittlerweile sonst vollfarbigen Illustrationen bei DSA abgewichen wird. Wie ist es dazu gekommen, dass du hier besonders viel beisteuerst? Gibt bei der Illustration eines Vademecums besondere Herausforderungen?

Katharina Niko: Das hat sich irgendwie so ergeben. Es ging damit los, dass ich mal für den sogenannten „Inktober“ Beiträge gezeichnet habe. Das ist eine weltweite Künstler-Challenge, bei der jedes Jahr im Oktober jeden Tag ein Bild nur mit Tinte gezeichnet wird. Da ist Nadine Schäkel auf ein paar meiner Beiträge aufmerksam geworden und meinte, die würden klasse für Intime-Werke passen, was die Vademecums und auch die Heldenbreviere ja sind. Mein erstes Werk war dann das Boron Vademecum. Anschließend kamen noch viele weitere dazu. Ich illustriere zwar viele Vademecums und Heldenbreviere, aber es gibt auch noch einige, die von anderen tollen Künstlern gestaltet werden. 

Es gibt immer mal wieder Herausforderungen bei den Vademecums und Heldenbrevieren. Die größte ist wohl der Platz. Die Illustrationen müssen auf einer Größe von DIN A6 – dem Format der kleinen Bücher – funktionieren und hin und wieder sind die Beschreibungen der AutorInnen doch recht detailreich. Was stimmungsvoll ist, aber auch sinnvoll auf einem Bild angeordnet werden muss. Die Konzeption einer Illustration ist dabei vorher das Wichtigste. Wenn ich alle Bestandteile der Beschreibung durchgelesen habe, überlege ich mir meist in einem kleinen Dreischritt: 1. Was kommt in den Hintergrund und muss nicht allzu stark ausgearbeitet sein, 2. Worauf liegt der Fokus, was ist quasi in der Mitte die zentrale Darstellung, 3. Was sind betonende oder einrahmende Elemente im Vordergrund, die ebenfalls nicht so wichtig sind, aber dem Bild Halt geben. Das passt natürlich nicht auf jede Illustration, aber es ist so eine Art Grundraster, mit dem ich im Kopf arbeite.

Ich fertige die Illustrationen meist eine Nummer größer an, also auf DIN A5. Somit wirken sie in der herunterskalierten Variante etwas detailreicher und feiner.  

Dereblick: Relativ neu herausgekommen ist ja das Inrah-Kartenset. Wie bist du an die Aufgabe herangegangen, ein solch umfangreiches Kartenset mit sehr vielen unterschiedlichen Illustrationen zu kreieren?

Katharina Niko: Ich hatte natürlich die wunderschönen Vorlagen der alten Inrah-Karten von Mia Steingräber und Caryad als Inspiration. Und die Begriffe, die verwendet werden sollten. Die Motive sind dabei eine Mischung aus meinen eigenen Vorstellungen von den Konzepten der Karten und aus einer Neu-Interpretation des vorherigen Sets. Viele Motive habe ich auch komplett neu aus meiner Sicht auf die Dinge gestaltet. 

Während die ersten Motive noch viel Denkarbeit waren, flossen mir manche geradezu aus der Hand. Als ich ein paar gemacht hatte, wusste ich auch für die anderen, in welche Richtung sie gehen sollten. Für die fünf jeweiligen Elementkarten (Feuer, Wasser, Humus, Erz, Luft, Eis) habe ich mit Farbpaletten gearbeitet, die den Elementen entsprechen: Humus enthält natürlich viel Grün, aber auch Brauntöne und teilweise Rot als Komplementärfarbe. Luft ist in Blau und Gelb gehalten. Feuer natürlich mit viel Orange, Gelb und Rot. Die Weissagerinnen sind immer im Profil dargestellt mit einem Detail in der Hand, das zu ihrem Element passt, aus dem sie „lesen“, könnte man so sagen.

Auch für die anderen Karten habe ich teilweise Farbkonzepte gehabt. Meist ist es da einfach, mit einer etwas reduzierten Palette zu arbeiten und sich auf wenige Farben zu beschränken. Insgesamt habe ich alle Karten zunächst skizziert, anschließend gelined und dann koloriert. Aquarell benötigt mehrere Schichten, sodass ich teilweise an fünf Karten parallel gearbeitet habe: Während bei den einen der Hintergrund noch trocknete, bin ich bei anderen schon an den Details gewesen. Auch die Inrah-Originale sind übrigens auf Blattgröße DIN A5 entstanden.

Dereblick: Eingangs hast du deine Arbeit für das ZDF erwähnt. Was sind das für Projekte und wie arbeitet man als Illustratorin für das Fernsehen? Da treffen ja im Prinzip zwei durchaus unterschiedliche Medien aufeinander.

Katharina Niko: Das stimmt, das sind zwei recht unterschiedliche Medien, die sich manchmal aber toll ergänzen können. Ich mache da Illustrationen für die Sendereihe „Terra X, Rätselhafte Phänomene“. Ich bin für die Konzeption und Anfertigung von Illustrationen alter Sagen oder alter Überlieferungen zuständig. Auf einem riesigen Panoramabild stelle ich dann Zeichnungen zusammen, die für die Erzählung wichtig sind. Das sind insgesamt kurze Einspieler, in der eine Sage erläutert wird, die Bezüge zur Realität hat. Die Kamera fährt dabei über das große Panoramabild und der Erzähler beschreibt die Geschichte, so wird anschaulich erklärt, was hinter einem Phänomen steckt und wie sich die Menschen das früher erklärt haben. 

Zum Beispiel habe ich die finnische Sage um Finn McCool und den Giant’s Causeway illustriert, in der sich die Menschen die seltsamen Basaltformationen in Irland und Schottland erklärt haben. Hier wäre ein Ausschnitt aus der längeren Folge, in dem es um das Thema geht, ab Minute 2:17 sieht man auch meine Illustrationen und wie das Ganze dann aussieht: https://www.youtube.com/watch?v=DK8SsnN5rI0

Dereblick: Zuletzt noch eine Abschlussfrage. An welchen Projekten arbeitest du aktuell? 

Katharina Niko: Ich habe als letztes insgesamt vier Vademecums beziehungsweise Heldenbreviere illustriert, und Anfang des Jahres noch weitere, die noch nicht erschienen sind. Nandus und Kamaluq sind dabei zwei Vademecums, die schon angekündigt sind und für die ich den Pinsel geschwungen habe. 

Für Terra X habe ich jetzt auch den bisher größten Auftrag abgeschlossen und zwei weitere Folgen sind abgedreht und werden wahrscheinlich im Herbst ausgestrahlt werden, die genauen Sendetermine habe ich noch nicht. 

Davon ab und – vor allem last but not least – bin ich für die neue Ausgabe des „Engel“ Rollenspiels nach FATE Regeln als Haupt-Illustratorin angestellt worden und wir sind so langsam aus der Konzeptphase raus und gehen an die Anfertigung der Illustrationen. Das ist für mich ein richtiges Herzensprojekt. Die alten Engel-RPG Bücher hatten ja die wunderschönen Illustrationen unter anderem von Eva Widermann, Lydia Schuchmann und Gabriel DeVue, die mich schon früh inspiriert haben und deren Illustrationen für Engel ich auch schon lange kenne und sehr liebe. Umso mehr hat es mich dann gefreut, dass ich dafür angefragt worden bin. Das neue Engel wird zwar durchaus etwas anders aussehen, aber immer noch im Aquarellstil daher kommen. Wir haben uns da ein paar schöne Sachen überlegt, denke ich, und ich freue mich, da bald auch etwas mehr zu zeigen zu können. 

Dereblick: Liebe Katharina, vielen dank für das Interview und deine sehr ausführlichen Antworten! Wer sich näher mit Katharina und ihrer Arbeit beschäftigen möchte, findet hier ihre Homepage.

2 Kommentare

  1. Merci, ist ein aufschlussreicher Beitrag geworden. Falls es noch jemanden interessiert: „Shirach’Sûl“ ist Gloranas Palast bei Paavi und kommt in der Anthologie „Tauwetter“ vor.

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