Rezension: Das Sturmgeheul von Shiyadur

Vorbemerkung: Nach der langen Pause erweckt es nun den Eindruck, dass die Sternenträger-Kampagne wirklich wieder Fahrt aufgenommen hat. Dafür spricht, dass der vierte Band Das Sturmgeheul von Shiyadur von Dominic Hladek, Nikolai Hoch und Rafael Knop jetzt wieder in einem angedachten Zeitfenster erschienen ist. Positiv klingt für mich außerdem die Ankündigung von Ulisses, dass man die Kritik an der eingeschränkten Entscheidungsfreiheit wahrgenommen habe und der vorliegende Band einen viel freieren Aufbau haben wird. Reizvoll sollte zudem weiterhin sein, dass man die Möglichkeit erhält, epische Ereignisse der Geschichte der Elfen Aventuriens mitzuerleben.

In Zahlen:

– 4. Band der Kampagne

– 64 Seiten

– Preis: 14,95 Euro

– Erschienen am 27. 10. 2021

I. Aufbau und Inhalt

Zunächst erfolgt eine kurze Einordnung in den Gesamttext der Kampagne, danach gibt es drei unterschiedliche Handlungsteile. Der Band setzt unmittelbar nach den Geschehnissen von Der Abgesang Ometheons ein. Zu Beginn wird mit dem Silvanden Fae ein schon aus der Phileasson-Saga bekannter Schauplatz aufgesucht, der Wald der legendären Hochelfe Niamh. Hier geht es vor allem darum, Informationen über die nächste Etappe bzw. den Hintergrund der gesamten Queste der HeldInnen in Erfahrung zu bringen.

Dem schließt sich eine erneute Reise mit der Bahalyr an, die die Gruppe zu einem weiteren zentralen Ort bringt, der im Konflikt zwischen den Hochelfen und ihren Widersachern von entscheidender Bedeutung ist, dem Totenmoor. Hier findet zunächst eine längere Passage in der Realität statt, die relativ frei gestaltet ist und die mittels einer Hex-Karte ausgespielt werden kann. Dabei muss die Gruppe verschiedene Aufgaben verfüllen, die zum Teil frei verortet werden können. Dazu werden verschiedene Geländetypen beschrieben, die auf der Karte aufzufinden sind. Zusätzlich stehen verschiedene Gegner zur Verfügung, die die Spielleitung als Gegner verwenden kann. Für die einzelnen Örtlichkeiten im Totenmoor existieren jeweils kurze Beschreibungstexte.

Der letzte Akt spielt dann wieder in der bereits bekannten Traumwelt und führt direkt in einen der intensivsten Konflikte innerhalb der Auseinandersetzung der Truppen des Namenlosen mit den Hochelfen. Dieser Teil der Handlung ist wiederum nicht lokal orientiert, sondern ist szenisch unterteilt. Dabei stehen der Heldengruppe Konfrontationen mit wahrhaft mächtigen Gegnern bevor. Auch hier ist natürlich Amadaia der Fixpunkt des Erlebens, wenn man weitere Erkenntnisse über ihr Schicksal erlangen kann.

II. Figuren

Nach wie vor macht dieser Umstand natürlich Amadaia zum wichtigsten NSC, da ihre Handlungen in der Vergangenheit weiterhin ausgelesen werden müssen, wenn man in der Gegenwart Fortschritte erreichen will. Allerdings ist diese nun ein anderer Charakter, da die Ereignisse im Himmelsturm und die vielen Enttäuschungen sie verändert haben. Niamh, die bisher nur als Traumgestalt im Zusatzmaterial vorkam, kann diesmal direkt angetroffen werden und versprüht die Aura eines uralten Wesens mit immensem Wissen. Im Bereich der Traumwelt kann man gemeinsam mit einigen der größten Protagonisten der elfischen Vergangenheit agieren, was sowohl Verbündete als auch Antagonisten angeht.

Eine eher untergeordnete Rolle spielen dafür die anderen Besatzungsmitglieder der Bahalyr. Außer einigen kleineren Szenen bzw. Aufgaben werden diese vergleichsweise selten erwähnt.

III. Kritik

Ich habe ja bisher viel Kritik an der mangelnden Handlungsfreiheit geäußert, was die ersten drei Bände betrifft. Im Kern habe ich dabei auf die Traumwelten abgezielt, in denen man Szenen aus Amadaias Leben miterleben kann. Dabei habe ich zwei Probleme für mich ausgemacht: Zum einen sind diese Szenen – auch wenn die HeldInnen dort frei agieren können – in ihren Abläufen zu starr, da das Ergebnis ja schon feststeht (man kann nicht den grundsätzlichen Ablauf der Ereignisse ändern und z.B. Gegner endgültig ausschalten etc.). Zum anderen sind meiner Auffassung nach bisher oft zu profane Szenen, in denen es um simple Begegnungen geht, z.B. auf Empfängen, dort fehlt mir meist das Abenteuerliche.  

In dieser Hinsicht macht Das Sturmgeheul von Shiyadur zunächst einen guten Eindruck. Der Einstieg mag zwar durch die Begegnung mit Niamh noch recht eng gefasst sein, ergibt aber als Recherchequelle und als eindrucksvolle Bekanntschaft (die sicher noch nützlich sein wird) völlig Sinn. Der Mittelteil ist dann wirklich sehr frei angelegt mit seinem Hex-Crawl-Mechanismus. Das mag zwar nicht unbedingt neu sein (im Gegenteil sogar sehr klassisch), passt aber gut zu einer offenen Recherche/Geländeerkundung. Die große Übersichtskarte ist dabei ein wichtiges Hilfsmittel (wie man ohnehin sagen, muss, dass nicht nur der vorliegende Band, sondern die gesamte Kampagne hervorragend mit Kartenmaterial ausgestattet ist). Schade ist hier ein wenig, dass zwar ziemlich genau hergeleitet ist, wie der unfreiwillige Stopp von einer Antagonistin herbeigeführt wird, man aber diese Geschichte kaum erfährt, sondern nur mit den Folgen konfrontiert wird. Die Suche wird generell durch die Angaben im Heft gut ausgestaltet, zudem hat die Spielleitung hier viele Gestaltungsmöglichkeiten.

Das Finale wiederum spielt wieder in der Traumwelt. Hier greifen die weiter oben genannten Kritikpunkte dann wieder – und auch nicht. Was man an dieser Stelle nämlich positiv hervorheben muss, ist der Umstand, dass man sich nicht mit irgendwelchen Kleinigkeiten aufhält, sondern wirklich inmitten einer epischen Auseinandersetzung steht und an dem verzweifelten Widerstand der Verteidiger Shiyadurs gegen die Streitmacht des Namenlosen teilhaben kann. Und hier ist man wirklich im Bereich von High Fantasy unterwegs, wenn man die Fähigkeiten der Bahalyr im Kampf und zu Rettungszwecken einsetzen kann, man Riesen zu Fall bringen kann, Elfen in der Schlacht auf Orks und Oger treffen, man sich gegen Dämonen zur Wehr setzen muss etc. Kämpfer und Strategen werden hier ohne wenn und aber auf ihre Kosten kommen, auch wenn man sagen muss, dass an dieser Stelle viel Arbeit auf die Spielleitung wartet, da die meisten Szenen nur in wenigen Sätzen skizziert sind und Details noch selbst ausgestaltet werden müssen.

Trotzdem bleibt aber wieder das große Aber: Man bewegt sich in einem Rahmen, der bis zu einem gewissen Punkt klar festgelegt ist. Die Festung wird fallen, Tod bzw. Niederlage gewisser Figuren sind unabwendbar vorgesehen. An dieser Stelle gibt es keine Möglichkeit, den Ablauf der großen Ganzen zu ändern, im Endeffekt liegt die gesamte Relevanz eigentlich nur darin, die letzten Worte einer bestimmten Person in Erfahrung zu bringen, um die nächste Etappe in Erfahrung zu bringen, zumindest was messbare Resultate betrifft. Hier sehe ich nach wie vor den großen Nachteil in der Konzeption der gesamten Kampagne, es ist für mich schlichtweg nicht abenteuerlich, immer nur den bereits ausgetretenen Pfad einer Figur zu verfolgen, die Vernetzung mit der Gegenwart fällt mir zumindest bisher zu gering aus. Der große Vorteil liegt natürlich weiterhin in den großartigen Kulissen, der Schauplatz des Totenmoors und später die Schlacht um Shiyadur werten das Abenteuer natürlich auf, die sprichwörtliche Hotzenplotzigkeit von DSA ist sehr weit weg.

IV. Fazit

Das Sturmgeheul von Shiyador stellt für mich den bisher besten Band der Sternenträger-Kampagne dar, weil hier mehr freie Spielelemente vorhanden sind und die Traumwelt die Heldengruppe mit ausgesprochen epischen Ereignissen konfrontiert. Trotzdem bleibt das Manko der eingeschränkten Handlungsfreiheit in den Traumbereichen, so dass ich trotz gewisser Steigerungen in der Punktewertung auf dem Niveau des Vorgängerbandes bleibe.

Bewertung: 4 von 6 Punkten            

1 Kommentar

  1. Danke für deine Rezension.
    Ich stimme dir in allen Punkten zu.
    Ein Hex-Crawl generell ist nicht neu, hier aber erfrischend, weil DSA sowas nicht oft macht.
    Eventuell etwas zu lang.
    Die Absturzszene kann wahrlich nicht in Erfahrung gebracht werden, das stimmt wohl.

    Aufmerksame Spieler werden in der Schlacht belohnt, wenn sie zb wissen, wie der Riese verstorben ist. Cooler Punkt.

    Alles in allem nettes Buch mit einigen Fehlern, Teil 5 und 6 werden die endgültige Entscheidung zur Spielbarkeit liefern.
    Super Rezi

    Gefällt 1 Person

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