Rezension: Eis

Vorbemerkung: Nachdem ich zuletzt ja die ersten beiden Bände der Hjaldinger-Saga rezensiert habe, kommt mit Eis nun der eigentliche Grund, warum ich mich der Reihe angenommen habe. Tatsächlich stellt der Roman insofern eine Besonderheit dar, weil er nach über einem Jahrzehnt der Unterbrechung eine bislang unvollendete Trilogie fertigstellt. Der Anstoß dazu stammt aus dem Crowdfindung zur Regionalspielhilfe Die Gestade des Gottwals, als die Fertigstellung der Reihe als Bonusziel ausgegeben wurde. Allerdings tritt damit auch eine Veränderung ein, indem die ursprüngliche Autorin Daniela Knor jetzt nicht mehr als Autorin fungiert, sondern Daniel Jödemann sie nunmehr ablöst. Auch wenn er mit der aus meiner Sicht sehr gelungenen Das Blut der Castesier-Reihe seine Fähigkeit als Autor nachhaltig unter Beweis gestellt hat, ist das sicherlich kein einfaches Unterfangen, etwas zu beenden, was jemand anderes begonnen hat. Und als Leser hoffe ich natürlich darauf, keine stilistischen oder erzählerischen Brüche zu finden.     

In Zahlen:

– 304 Seiten

– 3. Band der Hjaldinger Saga

– Preis: 14,95 Euro

– Erschienen am 20.12. 2021

Inhalt

Anders als im Fall von Glut und Sturm findet zwischen Eis und dem Vorgängerroman kein nennenswerter Zeitsprung statt, sondern es gibt eine direkte Anknüpfung an die vorherigen Ereignisse. Nach der Niederlage im Seekampf ist der Sieg der imperialen Truppen nicht mehr aufzuhalten. Somit sticht Jurgas Flotte nach einigen abschließenden Diskussionen endgültig in See, um den Prophezeiungen ihres Schutzgeistes zu folgen.

An dieser Stelle findet auch eine Splittung der Handlung statt: Während sich Vardur und Gautaz Jurga anschließen, bleibt Xelias zurück, da er Firnvild und ihrem Vater Ullbjern trotz der Ausweglosigkeit ihres Unterfangens beistehen möchte, die weiter gegen das Imperium kämpfen wollen. Somit spielt ein Großteil des Romans auf hoher See, während Xelias Handlungsstrang den Widerstand an Land schildert.

Auch wenn die Hjaldinger sich von Myranor abwenden, bedeutet das noch längst nicht, dass das Imperium sie ohne weiteres ziehen lassen will und so müssen sie sich u.a. mit Verfolgern auseinandersetzen. Zudem wird ein klassisches Motiv einer Reise ins Unbekannte aufgenommen: Solange das Ziel nicht erreicht ist und solange noch nicht einmal deutlich ist, ob es das Ziel überhaupt gibt, bauen sich immer wieder Konflikte auf. Letztlich ist es einzig Jurgas Wort, auf das ihr Gefolge sich verlassen muss. Anfangs wird dieses noch bestärkt durch den Druck durch das Imperium, das den Hjaldingern die Lebensgrundlage unerbittlich entziehen will, so dass die Flucht vielen logisch erscheint. Die Überzeugung gerät allerdings in dem Moment ins Wanken, in dem neue existentielle Notlagen auftauchen, z.B. in Form von massiver Ressourcenknappheit. Gerade Gautaz ist keineswegs überzeugt von Jurgas Plan und ist ohnehin nicht geneigt, sich einer fremden Führung unterzuordnen. Somit droht mehr und mehr eine Spaltung der Flotte, wenn diese sich durch das schier endlose Meer arbeitet. Erschwert wird dies zusätzlich durch Jurgas Verweigerung, die Vorräte durch Jagd auf Wale aufzufüllen, da dies diese ihrem Schutzgeist als heilig gelten.

Im zweiten Handlungsstrang befinden sich Farnvild, Xeias und die letzten in Myranor verbliebenen freien Hjaldinger ebenfalls auf der Flucht. Auch ihnen sitzen die imperialen Truppen im Nacken, die dazu entschlossen sind, alle Hjaldinger zu töten, die sich nicht in Gefangenschaft und Sklaverei befinden. Auch sie müssen die Entscheidung treffen, ob sie sich ihren Gegnern stellen oder mit einer weiteren Flucht das Unausweichliche hinauszögern wollen.

II. Figuren

Deutlich präsenter als in den beiden vorherigen Romanen ist nun Jurga. Ihre Rolle erhält mehr und mehr einen mystischeren Charakter, da sie immer wieder Visionen erhält und letztlich spätestens mit dem Aufbruch der Flotte zur Hoffnungsträgerin eines von der Vernichtung bedrohten Volks wird.

Vardur ist dabei ihre größte Stütze, indem er bedingungslos zu ihr hält, auch wenn sein plötzlicher Abschied in Sturm immer noch zwischen ihnen steht. Das bedingt auch, dass er sich nach langem Zögern seiner Aufgabe als Hersir stellen muss. Gautaz hingegen kommt noch mehr die Rolle des Gegenspielers zu, der selbst nach dem Kommando greift und keine Gelegenheit auslässt, Jurga und Vardur herauszufordern. Dabei erhält sein Verhalten zunehmend wahnsinnige Züge, seit er seinen Bruder Eilif verloren hat.

Xelias bleibt zurück und nimmt – ähnlich wie sein Halbbruder Vardur für Jurga – die Position an der Seite Firnvilds ein. Auch sie muss sich daran versuchen, für die Überlebenden eine realistische Perspektive auf eine Weiterexistenz zu erschaffen, selbst wenn das eine Konfrontation mit dem Imperium und seinen Machthabern bedeutet.

Kritik

Zunächst möchte ich das Projekt an sich loben: DSA-Romane müssen seit einigen Jahren genau mit dieser Kritik leben, dass Reihen mehrfach nicht zu einem zufriedenstellenden Ende geführt wurden. Die Hjaldinger-Saga ist ja genau einer dieser Fälle und ich empfinde es als ausgezeichnete Idee eine solche Lücke nach über einem Jahrzehnt (Sturm erschien in der Originalausgabe 2009) zu füllen. Auch wenn Daniela Knor diese Aufgabe nicht selbst übernommen hat, hat man mit Daniel Jödemann einen guten und erfahrenen Autor gefunden, der die Geschichte aus meiner Sicht weitgehend bruchlos zu einem Abschluss gebracht hat.

Somit endet die Saga nun nicht mehr offen – und vor allem vor dem wichtigsten Teil, nämlich der Fluchtetappe – sondern die historischen Fakten wurden eingearbeitet. Spannend ist dabei vor allem die Geschichte der Überfahrt, die natürlich in vielen Aspekten von bekannten Entdeckergeschichten inspiriert wird. Dementsprechend bestehen die Zutaten auch aus Flauten, enttäuschten Hoffnungen, Konflikten unter der Führungsschicht und nicht zuletzt dem stetig wachsenden Risiko einer offenen Meuterei. Gerade Gautaz darf hier seinen wahren Charakter nach Herzenslust ausleben und agiert als stetiges Störfeuer, indem er Jurgas Autorität bei jedem sich bietenden Anlass untergräbt und durch die entbehrungsreiche Fahrt immer mehr Zuspruch erfährt. Umgekehrt muss er harte Verluste verkraften, die an seinem Verstand rütteln, was ihn gleichermaßen auch zu einer tragischen Figur werden lassen. Nach wie vor stellt er damit für mich die spannendste Figur der gesamten Reihe dar.  

Vardur und Xelias nehmen interessanterweise als wichtigste Mitstreiter von Jurga bzw. Firnvild fast identische Rollen ein, müssen sie doch unter Druck stehenden Anführerinnen Halt geben. Was mich an dieser Stelle aber etwas irritiert ist der Umstand, dass das bestehende Brüderverhältnis so gut wie gar nicht aufgenommen bzw. vertieft wird. Das ist einer der Punkte, an denen man merkt, dass es eine sehr anspruchsvolle Aufgabe ist, viele Handlungsstränge zusammenzuführen und zumindest hier gelingt es aus meiner Sicht nicht überzeugend.

Dafür überrascht die Zweiteilung der Handlung, indem eben nicht nur Jurgas Geschichte aufgenommen wird, sondern auch aufgezeigt wird, wie es den übrigen Hjaldingern gelungen ist, trotz der Verfolgung durch das Imperium zu überleben. Firnvild trifft dabei eine bemerkenswerte Entscheidung, die den ungestümen Kampfgeist ihres mit kluger Diplomatie vereint, was ich für eine der gelungensten Ideen des Romans halte. An dieser Stelle wird auch die existentielle Bedrohung sehr deutlich, auch in der Verbindung zum eigentlichen Ränkespiel unter den adeligen Häusern Myranors.

Umgekehrt fehlt mir dafür eine Art von dramatischem Finale, letztlich endet der Romane etwas konventionell mit der reinen Anlandung an der Küste Thorwals nach einer längeren Passage, die eher Jurgas mythischen Charakter als Auserwählte Swafnirs unterstreicht, allerdings begleitet von tragischen Umständen. Hier hätte ein wenig mehr klarer Antagonismus dem Roman gutgetan, z.B. in Form von noch hartnäckigeren Verfolgern.

IV. Fazit

Eis ist nach vielen Jahren ein passender Abschluss der Hjaldinger-Saga, die vor allem jetzt über den zentralen Teil der Überfahrt verfügt. Die zermürbende Reise von Jurgas Flotte wird sehr nachdrücklich geschildert. Dafür bleiben allerdings auch einige andere Handlungsstränge etwas auf der Strecke, zudem fehlt mir ein noch stärkerer Antagonismus, gerade was das Finale angeht.                    

3 Kommentare

  1. Ich habe den Roman noch nicht ganz durch aber mir hat bisher erlicherweise Eis besser gefallen als die beiden Vorgänger was nicht heißt das die Vorgänger schlecht waren.
    Es hat Spaß gemacht die komplette Geschichte zu lesen auch da ich ein großer Thorwalfan bin und mich so die geschichtlichen Ereignisse interessieren. Was ich persönlich etwas seltsam finde ist das Jurga im dritten Teil auf einmal einen Bruder hat (auf den zumindest da wo ich bin, überhaupt nicht eingegangen wird). Das führe ich darauf zurück, dass mit dem Crowdfunding mit dem dieser Teil finanziert wurde auch ein Abenteuer finanziert wurde (Runen des Schicksals) in welchem es um Artefakte von Jurgas Bruder geht. Der Autor des Abenteuers dachte sich bestimmt so: „oh für meine Handlungsstrang erfinde ich schnell noch einen NPC… Das soll nicht irgendeiner sein also hat Jurga jetzt eine. Bruder…. Oh warte der wurde bisher noch nie erwähnt … Dann schreibe ich schnell dem Autor des Romans er soll den in ein paar Nebensätzen einbauen… 😂
    Das nur eine Kleinigkeit die jetzt auch nicht schlimm ist, da ich erst bei Kapitel 10 bin kann es natürlich auch sein, dass später noch auf ihn eingegangen wird.

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  2. Ich vermute auch mal, dass da eben angesichts der Ereignisse aus Runen des Schicksals Jurgas Bruder eingebaut wurde, weil der dort wichtig ist. Aber in der Regel ist das keine eigenmächtige Entscheidung des Autors, sondern das sind die Vorgaben die berücksichtigt werden müssen und die sich seit dem letzten Roman der Reihe verändert haben. Umgekehrt fand ich, dass das jetzt dramaturgisch in Form der Rückblende elegant eingebaut wurde. Immerhin geben die ersten beiden Romane nicht viel über Jurgas Vergangenheit her. Aber das ist sicher der Aspekt, in dem viele Brüche vorhanden sind. Ich hätte z.B. eher noch mehr Informationen über ihre Verbannung verwaltet.

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