Rezension: Der Trovere

Vorbemerkung: Die Aprilausgabe des Aventurischen Boten steht traditionell unter besonderen Vorzeichen, nicht nur bedingt durch die jährliche Tradition des Travianeckens. So hat es für das Heldenwerk in den vergangenen Jahren zu diesem Zeitpunkt immer wieder Raum für Experimente gegeben, z.B. das DSA1-Abenteuer Rückkehr in den Wald ohne Wiederkehr oder das Solo-Abenteuer Madas blaue Augen. Auch Der Trovere von Dominic Hladek (mit Beiträgen von Ralf Kurtsiefer und Kathrin Mehlsheimer) reiht sich in diese Riege ein, folgt es doch einem besonderen Ansatz, indem es sich um eine Rollenspiel-Adaption der Oper Il trovadore von Giuseppe Verdi handelt. Tatsächlich liegt sogar noch eine CD mit einer richtigen aventurischen Opernversion bei (die allerdings an dieser Stelle nicht besprochen werden soll).

In Zahlen:

– Heldenwerk Nr. 41

– 15 Seiten

– erschienen am 1.4. 2022 (zusammen mit dem Aventurischen Boten 212)

I. Aufbau und Inhalt

Auch der Aufbau orientiert sich an dem irdischen Vorbild, indem nicht nur viele Handlungselemente der Verdi-Oper übernommen wurden, sondern auch die Aktstruktur, die die Handlung in vier Akte unterteilt. Zu Beginn steht allerdings eine kurze Vorstellung der Hintergründe, die in der Vergangenheit begründet liegen sowie der Kurzcharakterisierung der zentralen NSC.

Der erste Akt legt dann Ingostal in Almada als Ausgangspunkt fest, wo die Heldengruppe von der jungen Adeligen Leonore von Abundil angeworben wird. Diese ist zusammen mit ihrer Zofe Inez auf dem Weg in das nahegelegene Castillo Madaluna, wo der wohlhabende Söldnerkommandant Correro di Madaluna um ihre Gunst werben will. Dort steht ein großes Fest an, zu dem sich auch viel fahrendes Volk versammelt hat, um dort für Unterhaltung zu sorgen.

Schnell erweist sich, dass Leonore keineswegs gewillt ist, auf Correros Werben einzugehen, sondern andere Pläne für ihre Zukunft hat. Da derjenige, an dem sie tatsächlich Interesse hat, ausgerechnet ebenfalls anwesend ist, steuert das Abenteuer hier schnell auf eine Eskalation im Konflikt zu. Somit finden sich die Spielercharaktere mitten in einer Auseinandersetzung um ihre Auftraggeberin wieder. Die folgenden Ereignisse sind zwar in ihrem groben Ablauf vorgegeben, trotzdem können sich immer wieder andere Situationen ergeben, je nachdem, wie die Gruppe reagiert. Letztlich wird von einer Eskalation ausgegangen, an dessen Ende im dritten Akt eine Belagerungssituation steht, bei der man sich in der Burg eines Verwandten von Leonore befindet und sich einer Übermacht an Gegnern erwehren muss. Für diese militärische Episode gibt es sowohl einen Plan der Festungsanlage als auch einige Vorschläge, wie gehandelt werden kann. Dementsprechend ist der vierte Akt eher handlungsoffen, da mehrere unterschiedliche Lösungen antizipiert werden, in einer Bandbreite von großer Tragik bis hin zu einem Happy End.

Neben dieser gegenwärtigen Konflikthandlung verbindet die NSC noch ein altes Geheimnis. Dieses kann im Laufe der Ereignisse durch einen gewissen Rechercheaufwand aufgedeckt werden (indem man mit den richtigen Personen spricht und die Informationen passend zusammenfügt), was Vorteile im Lösungsprozess mit sich bringen kann.    

II. Figuren

Fast schon typisch für die klassische Handlungsvorlage steht eine Dreiecksbeziehung im Mittelpunkt. Maßgeblich dafür ist die lebensfrohe Leonore, die als Auftraggeberin der Gruppe fungiert und deren Schutz sich als komplexer erweist, als ursprünglich gedacht. Denn sie (oder besser gesagt die Liebe zu ihr) entfacht einen blutigen Konflikt zwischen Correro und seinem Widersacher Malrico. Diese beiden könnten nicht gegensätzlicher sein, vor allem was den Stand angeht. Correro ist ein Adeliger mit vielen Verbindungen und einer Söldnergruppe im Hintergrund, Malrico hingegen gehört eine Zahori-Sippe an und ist nur ein einfacher Barde. Durch Leonores Haltung wird Correro schnell die Rolle des Antagonisten zugewiesen. Neben diesen drei Zentralfiguren gibt es aber noch eine Riege weiterer NSC, die unter anderem die Funktion haben, Auskunft über vergangene Ereignisse zu geben.  

III. Kritik

Ich muss zugegeben, dass ich es ausgesprochen schwer finde, Der Trovore qualitativ einzuordnen, weil sich aus meiner Sicht zwei verschiedene Schwerpunkte zu Bewertung ergeben, eben bezogen auf den reinen Inhalt als Abenteuerhandlung und umgekehrt die Originalität in der Findung einer solchen Handlung.

Zum einen muss ich sagen, dass die Handlung durchaus spannend ist und einen guten Abenteuerstoff mit klassischen Versatzstücken ergibt: eine Dreiecksliebe, die Rivalität zwischen einem mächtigen Kriegsherrn und einem sympathischen Underdog, die Belagerungssituation, eine tragische Vergangenheit, die die Protagonisten ohne deren Wissen eng miteinander verbindet. Dazu kommt eine Mantel und Degen-Atmosphäre kombiniert mit einigen Rechercheanteilen (auch wenn diese recht einfach gehalten sind). Das sind Elemente, die ich als unterhaltsam empfinde und die auch am Spieltisch ein gutes Abenteuer ergeben können. Einschränken muss man das um den Aspekt, dass die Handlung durchaus größer angelegt ist, was einmal mehr den Umfang des Heldenwerks sprengt. So gibt es viele NSC, die nur sehr kurz vorgestellt werden können, zudem gleich mehrere Ortswechsel, wobei der Hintergrund meist kaum skizziert werden kann (was vor allem im für Castillo Madaluna betrifft). Für die belagerte Feste Castellor gibt es zwar eine Karte, aber keine wirkliche Beschreibung, generell stehen für die dramaturgisch eher dichten Akte III und IV nur 4 Seiten zur Verfügung, d.h. auf die Spielleitung wartet sehr viel Zusatzarbeit.

Das ist aber aus meiner Sicht noch kein gravierender Kritikpunkt (wenn auch ein durchaus relevanter). Deutlich schwerwiegender finde ich aber den Aspekt der mangelnden Kreativität. Es hat bei DSA durchaus eine Tradition, sich bei irdischen Vorbildern zu bedienen. Das ist auch grundsätzlich völlig in Ordnung, es ist ja auch naheliegend, sich im Bekannten Inspiration einzuholen. Die Frage ist dann aber, wie explizit das stattfindet. Und in dieser Hinsicht empfinde ich Der Trovere dann doch als sehr problematisch, handelt es sich doch nicht einfach um eine thematische Anleihe bei Verdis Oper, sondern in vielen Bereichen um eine 1:1-Adaption.

Besonders deutlich wird dies unter anderem in dem Umstand, dass nicht nur die Hintergrundgeschichte (u.a. die Brüder, die nicht voneinander wissen, der Säuglingsmord einer Hexe, viele Einzelszenen wie ein Duell zwischen Manrico und Correro) in den meisten Details komplett übernommen wurde, sondern sogar die Namen völlig gleich gelassen wurden. Natürlich gibt es Varianten, z.B. ist der tragische Ausgang der Oper hier nur eine von mehreren Optionen (obgleich er eben auch als Möglichkeit beinhaltet ist) und man hat einen gewissen Einfluss auf den Ausgang. Trotzdem ergibt sich durch die Übernahme einer Dramen-Handlung auch ein sehr szenischer Ablauf, durch den merklich Handlungsschienen vorhanden sind, die nur selten durchbrochen werden sollen, was den Einfluss der Spielercharaktere merklich reduziert.

Ebenso ist zwar die Verlagerung von Spanien nach Almada durchaus plausibel, da hier schon in der Grundanlage von DSA die irdische Region Pate gestanden hat. Aber die Übernahme einer irdischen Handlung sorgt hier dann auch für das Fehlen jeglicher Fantasy-Elemente, stattdessen ist es eine rein konventionelle Geschichte. Beispielsweise hätte man den Aspekt aufnehmen können, dass die Hexe Azucena in Aventurien tatsächlich magiebegabt ist und deshalb eben kein mitteloser Spielball ist. Ganz grundsätzlich hätte ich mir somit in allen Bereichen viel mehr Emanzipation von der Vorlage gewünscht.     

IV. Fazit

Die Bewertung fällt mir – wie oben erwähnt – nicht leicht. Das Abenteuer an sich halte ich trotz gewisser Schwächen für durchaus lohnend, wenn man sich auf die Handlungsschienen einlassen kann, dann erhält man viel Dramatik und Herausforderungen. Allerdings überwiegt für mich der Aspekt, dass man immer wieder bemerkt, dass es sich eigentlich um keine aventurische Handlung und um kein Rollenspielabenteuer handelt. Vor allem sehe ich einen Mangel an Originalität, indem hier die Opernhandlung fast komplett übernommen wurde und nicht nur Orientierungshilfe selbst war. Für die abschließende Wertung würde ich demnach den reinen Spielspaß normalerweise höher einordnen.

Bewertung: 2 von 6 Punkten     

8 Kommentare

  1. Diese Rezension ist wie gewohnt schön und in nachvollziehbarer Syntax geschrieben, allerdings muss ich geschehen, dass ich die Kritik an fehlenden Fantasyelementen überhaupt nicht nachvollziehen kann. Dies würde ja implizieren, dass es keine primär profanen Plots geben kann oder darf und dass dementsprechend profane Charaktere keine eigenständige Handlungsmöglichkeiten innerhalb der Welt haben dürfen ohne dabei fantastische Elemente heranzuziehen. Denn im Umkehrschluss könnte solches Handeln ja profane Plots auslösen, was wiederum nicht sein kann oder darf.
    Die hier zugegeben primär profane Handlung wurde zudem durch fantastische aventurische Elemente angereichert. So finden wir Goblinräuber, eine echte Zahorihexe und zudem vermutlich magische und karmale Spielercharaktere, auf deren Handlungsmöglichkeiten mehrmals speziell eingegangen wird. Jediglich die Kernhandlung ist profan, was halt auch mal aktzeptabel sein sollte, da ansonsten alles Profane eine reine Statistenrolle gegenüber dem Fantastischen zugewiesen bekäme.

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    1. Ich finde, gerade die Moeglichkeit rein profaner Handlungen ohne den staendigen Rueckgriff aufs Phantastische macht(e einst) Aventurien aus. Erst durch seine Ungewoehnlichkeit wirkt das Phantastische auch wirklich fantastisch.

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  2. Das Fehlen von Fantasyelementen ist für mich auch kein genereller Kritikpunkt, es gibt immer wieder Abenteuer die solche nicht enthalten. Für meinen Geschmack gibt es allerdings zu viele davon, aber das ist ein anderes Thema. Bei dem vorliegenden Abenteuer halte ich es aber für einen relevanten Einwand, weil der irdische Stoff fast unverändert übernommen wurde und dann ist es logisch, wenn da dieser Aspekt sehr kurz kommt. Hier stört mich dann, dass in der Hinsicht keine Anpassung vorgenommen wurde, bloß die Werte einiger Goblinräuber reichen da nicht aus. Und die von dir angesprochene Zahori-Hexe hatte ich ja auch erwähnt: Hier wird kein Übertrag vorgenommen. In der Verdi-Oper wie auch hier im Abenteuer ist sie eben eher ein Spielball der Geschichte, die nicht wirksam gegen Madaluna vorgehen kann. Bei einer aventurischen Hexe kann hingegen gerade das Thema Rache viel besser ausgestaltet werden, wenn man die Flüche berücksichtigt, die eigentlich zur Verfügung stehen müssten. Gerade das Thema Magie hätte man hier besser einweben können.

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    1. Ja, stimmt, die Hexe nicht nur als reiner Spielball, sondern als Akteur, dem Magie in Form von Flüchen zur Verfügung steht, hätte dem ganzen gut getan.

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  3. Die Grundidee des Abenteuers finde ich großartig! Warum nicht von den alten Meistern lernen, um eine Extraportion Dramatik in das Rollenspiel zu bringen?

    Die Umsetzung scheint mir – nach dem Lesen des Abenteuers – auch recht gut gelungen zu sein. Mit zwei Mankos:
    1. Die Spieler könnten die Oper wiedererkennen, da sollte man dann doch die Namen austauschen (leicht behebbar).
    2. Es ist schwer zu glauben, dass die Hexe ihr eigenes Kind mit dem gestohlenen verwechselt. Die beiden müssten schon extrem gleich aussehen und gleich alt sein. Klar, das kommt aus der Oper, aber gerade in DSA, das dem Prinzip des fantastischen Realismus folgt, wirkt das eher deplatziert. Leider ist es sehr schwer, das zu korrigieren, da weite Teile der Handlung darauf aufbauen.

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  4. @Balduin
    das die Hexe ihr eigenes Kind mit dem gestohlenen verwechselt muss ich überlesen haben. Dachte sie opfert ihr eigenes anstelle des anderen und erklärte mir es damit das ihres vielleicht eine Totgeburt oder so war (ähnlich wie bei Platons Kratylos).

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    1. Dann hast du unterbewusst und nonchalant den Plot verbessert! Ich könnte mir vorstellen, dass deine Lösung sogar sehr gut funktioniert. Danke für die Idee!

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