Rezension: Pfad der Legenden

Vorbemerkung: Abenteuer sind ein wichtiger Bestandteil von Aventuria, aber ebenso bedeutsam – gerade auch für die bislang überzeugende Qualität – sind die Mechanismen, die das Spiel verwendet, z.B. um die Kämpfe abwechslungsreich zu gestalten. Eher simpel gehalten waren bisher die Möglichkeiten, wachsende Erfahrung darzustellen, dazu gab es nur einen Heldenbogen, in den man Abenteuerpunkte eintragen konnte, um Werte zu steigern und ein paar Belohnungskarten, mit denen man das eigene Deck etwas verändern konnte. Hier setzt nun die zweite dicke Box des neuen Crowdfundings an, Pfad der Legenden. Der Schwerpunkt liegt eben genau auf dem Aspekt, Erfahrungszuwachs und Deckbau zu ermöglichen.

In Zahlen

– 605 Karten

– 16 Lokalitätsbögen

– 6 Aufbewahrungsboxen für Helden im Legendenmodus

– 1 Regelheft (12 Seiten)

– Erschienen am 9.3. 2022

– Preis: 74,95 Euro

I. Inhalt

Auch die zweite Box ist wieder sehr dick befüllt, enthält sie doch alleine über 600 neue Karten. Dazu kommen noch 6 kleine Pappboxen, mit Trennmarkern, mit denen man seine Heldendecks befüllen kann. Zur Erläuterung ist zunächst eine kurze Schnellerläuterung vorhanden, die Details kann man dann in einem 12seitigen Regelheft nachlesen. Im Spiel können dann noch 16 Lokalitätsbogen (kleine vierseitige Heftchen) verwendet werden.

Ziel der Box ist, eine sinnvolle Möglichkeit zu bieten, Schlagkraft und Fähigkeit der Held*innen auszubauen sowie einen Modus des Deckbaus vorzustellen, was insgesamt als Legendenmodus bezeichnet wird.

Ein erster Baustein dazu ist eine Erweiterung der Heldendecks. Diese bestehen nun nicht mehr aus den 30 Basiskarten (+ Helden- und Talentkarte), sondern nun gibt es 22 weitere Karten, die zwar die identischen Abbildungen und Kartenbezeichnungen haben, allerdings mit II oder III versehen sind. Damit sind quasi unterschiedliche Erfahrungsstufen gemeint, denn die Karten der beiden Ausbaustufen enthalten Änderungen in Form von Wertverbesserungen. Beispielsweise hat Layariels Ursprungs-Heldenkarte Werte für den Nahkampf von 8 und für den Fernkampf auf 12. Die Ausbaukarte II steigert den Nahkampfwert auf 9, die der Ausbaustufe III erhöht dann zusätzlich noch den Fernkampfwert auf 13. Ähnliches gibt es auch für Waffen, Zauber und Talente, die im Ausbau neue Zusatzeffekte oder höhere Werte erhalten.

Erkauft wird dies mit den Abenteuerpunkten, die man am Ende eine Abenteuers bzw. eines Aktes erhält. Diese können dann nach Abschluss eines Abenteuers investiert werden, wobei es eine Reihe von Investitionsmöglichkeiten gibt: Neben den Ausbaustufen kann man auch im Abenteuer erhaltene Belohnungskarten erwerben oder weitere Karten, die man durch die bereits erwähnten Lokalitätsbögen in Besitz bringen kann.

Bei diesen Bögen handelt es sich jeweils um Orte, z.B. ein Gasthaus, das Rathaus eines Ortes, eine Magierakademie, ein Gildenhaus etc. Diese kann man zwischen zwei Abenteuern als sogenanntes Zwischenspiel aufsuchen. Welche Orte man aufsucht, kann man mit 2W6 erwürfeln, woraufhin man sich für drei Bögen aus einer nun eingeschränkteren Auswahl entscheiden muss. Dann kann man durch einen erneuten Wurf 1W20 ein Ereignis durchspielen. Dabei kann man manchmal ohne weiteres etwas erhalten, mal muss man eine Talentprobe bestehen, in seltenen Fällen auch einen Kampf. Ein Scheitern hat auch hier Auswirkungen, es gibt auch negative Effekte z.B. analog zu gewinnbaren Vorteilen auch Nachteile, gleiches gilt für die neuen Konsequenzkarten. Beispielsweise kann man eine Narbe erhalten, die man in sein Deck untermischen muss und die einen Malus darstellt. Eine Besonderheit ist, dass man als Belohnung auch eine Karte aus einem fremden Heldendeck erwerben kann.

Am Ende kann man sich dann entscheiden, ob man einfach die Erweiterungskarten erwirbt oder die Bonuskarten aus dem Abenteuer (die man als Gruppe teilt) bzw. aus den Lokalitätsbögen. Die Kosten sind dabei unterschiedlich, z.B. kostet es mehr, die Talentkarte oder die Heldenkarte aufzuwerten als eine einfache Belohnungskarte zu wählen. Sowohl der Ablauf der Lokalitätsbögen als auch die Ausgabe der Abenteuerpunkte werden im Regelheft anhand von Beispielen erläutert. Um nicht die Übersicht zu verlieren, kann man die kleinen Pappboxen zusammenbauen, in die man folgend das Heldendeck stecken kann und durch die Trennmarker die veränderten Karten umsortieren.

Damit steigt aber natürlich auch das Machtlevel der Held*innen, womit sie unter anderen Voraussetzungen in die Abenteuer gehen, als dies bisher der Fall ist. Um dies auszugleichen gibt es sogenannte Herausforderungskarten, mit denen man die Schwierigkeit der Abenteuer modifizieren kann, zusätzlich zu den bisher schon existierenden vier Schwierigkeitsstufen. Z.B. hat die Herausforderungskarte Endlose Horden den Effekt, dass man Schergen nur dann endgültig ausschaltet, wenn man eine Schicksalspunkt ausgibt, statt einen zu erhalten. Sonst muss stattdessen ein neuer Scherge ausgelegt werden. Anhand einer Tabelle kann die aktuelle Stufe der Heldengruppe ermittelt werden, entsprechend dazu gibt es eine Angabe, wie viele Herausforderungskarten zur Kompensation verwendet werden.     

Zusätzlich zu den genannten Inhalten sind eben vor allem viele neue Karten enthalten, u.a. die Vor- und Nachteilskarten, die Konsequenz- und Herausforderungskarten und Markerkarten wie der Schatzhaufen, auf den die in einem Abenteuer gesammelten Belohnungskarten gelegt werden. Dazu sind viele neue Belohnungskarten beinhaltet, ebenso Begleiterkarten und zusätzliche Heldentitel. Besonders wichtig sind außerdem die Karten für die Heldenstufen II und III für die bisher erschienenen Held*innen, damit man auch Arbosch, Layariel und Co. im Legendenmodus spielen kann.

II. Kritik

Wie auch schon im Falle des Abenteuermodus muss ich genauso für den Legendenmodus feststellen, dass die bisher eher stiefmütterlich behandelte Charakterentwicklung (genauso wie der Deckbau im Allgemeinen) eine deutliche Aufwertung erhält. Man kann auf eine nachvollziehbare Weise seine Spielfigur Stück für Stück ausbauen und man kann nach einigen Abenteuern tatsächlich feststellen, dass mehr Schlagkraft und mehr Fähigkeiten vorhanden sind.

Besonders überzeugen mich dabei die beiden Ausbaustufen II und III. Diese sind direkt an das konkrete Heldendeck angepasst und passen sich auch dessen Stärken an. Beispielsweise kann man bei Geron vor allem dessen freie Aktionen verbessern, die ohnehin die Besonderheit von dessen Deck ausmachen. Etwas weniger gilt dies für die Belohnungskarten, hier kommt eben eher der Glücksfaktor dazu, ob diese sich gut zu den bisherigen Karten einfügen würden oder nicht (was aber völlig legitim ist bei einem Brettspiel, wenn auch der Glücksfaktor eine Rolle spielt). Auch die weiteren neuen Karten wie die Konsequenzkarten, die neuen Heldentitel oder die Vor- und Nachteile sind gute und gewinnbringende Ergänzungen. Zudem sind weiterhin durch die Kaufpreise Limitierungen eingebaut, um eine Figur nicht zu schnell ausbauen zu können, sondern man muss den Legendenpfad in Form von vielen Abenteuern im wahrsten Sinne des Wortes begehen.

Mit den Herausforderungskarten wurde auch die entsprechende Kompensation bedacht, im gleichen Maße wie die Held*innen stärker werden, kann man mit diesem Hilfsmittel auch dafür sorgen, dass die Abenteuer weiterhin fordernd bleiben. Das Anleitungsheft gibt dazu einfache und nachvollziehbare Berechnungsmöglichkeiten an die Hand.

Die Lokalitätsbögen stellen nochmal eine zusätzliche Spielerweiterung dar, indem man jetzt auch zwischen den Abenteuern ein Spielelement zur Verfügung hat. Dies ist zwar nicht mit einem Abenteuer zu vergleichen, da man ja nur einen von 20 Abschnitten aufsucht, trotzdem macht es Spaß, seinen Charakter auch nach dem Abenteuer noch ins Gasthaus oder in eine Zwergenbinge zu begleiten. Ganz generell hat man jetzt noch ein weiteres Spielelement, da der Deckausbau an sich jetzt noch etwas ist, was Zeit in Anspruch nimmt, da man gut abwägen muss, welche von seinen Karten man verbessern möchte. Investiert man seine Abenteuerpunkte in die teure Steigerung seiner Heldenkarte oder splittet man die Punkte auf andere Deckkarten der Stufe II oder III auf oder wählt man eine Belohnungskarte vom Schatzhaufen?

Auch wenn mir Pfad der Legenden grundsätzlich gefällt, gibt es aber durchaus auch Kritikpunkte: Vor allem muss man darauf achten, das Spiel nicht zu komplex werden zu lassen, immerhin gilt es nun noch einmal deutlich mehr Regelaspekte einbauen zu müssen. Ich finde es grundsätzlich noch akzeptabel, aber die Einsteigerhürde ist auf jeden Fall höher, wenn man mit dem Legendenmodus spielt. Etwas umständlich betrachte ich die Option, auch Karten aus fremden Heldendecks wählen zu können. Das erzeugt ein sehr fummeliges Hin und Her, auch wenn mit den kleinen Kartenboxen an eine Aufbewahrungshilfe gedacht wurde. Trotzdem gibt es dem Spiel dann einen leicht buchhalterischen Touch, wenn man also gut beraten ist, seine Deckzusammenstellung irgendwo schriftlich festzuhalten. Zwar gibt es auch dafür einen Heldenbogen, aber aus meiner Sicht es ist gerade wünschenswert, wenn das Spiel nicht den Komplexitätsgrad eines Rollenspiels erhält. In der Hinsicht hätten Steigerungen mit den Ausbaustufen des eigenen Kartendecks oder mit gesonderten Belohnungskarten für mich ausgereicht.

Zuletzt muss ich auch den Preis ansprechen: Auch wenn die Box wirklich gut gefüllt ist und die Inhalte wertig gemacht sind, sind gut 75 Euro schon ein Preis, der abschreckend wirkt, auch wenn man vergleichend auf den Brettspielmarkt schaut, wo man wertige Spiele mit vielen Inhalten oft deutlich günstiger erhält. Mir ist klar, dass dies auch mit der geringeren Stückzahl im Nischenmarkt begründet ist, trotzdem kann ich mir kaum vorstellen, dass man so dafür sorgt, dass Aventuria mehr Spieler*innen erhält.   

III. Fazit

Pfad der Legenden erschafft mit dem Legendenmodus eine gute Möglichkeit, das eigene Deck individueller zu gestalten und die Spielfigur fähiger werden zu lassen. Umgekehrt wurde auch an die Spielbalance gedacht, so dass auch die Abenteuer daran angepasst werden können. Die Lokalitätsbögen fügen außerdem ein zusätzliches Spielelement zwischen den Abenteuern hinzu. Allerdings sollte man darauf achten, das Spiel nicht zu komplex und umständlich werden zu lassen, erste Tendenzen dazu sind hier schon vorhanden.

Bewertung: 5 von 6 Punkten               

2 Kommentare

  1. Ich persönlich empfinde die Box als gar nicht so teuer. Sicherlich ist der Preis für ein Kartenspiel absolut gesehen relativ hoch. Wenn ich mir aber mal die neue Auflage vom Arkham Horror LCG angucke, dann bin ich bei einer Erweiterung (z. B. Am Rande der Welt) mit über 100 Euro dabei und darin sind weniger Karten enthalten. Das ist dann der Verkaufspreis, nicht UVP, den du hier für Aventuria angegeben hast. Die Box kann mal ohne Probleme für unter 50.- erwerben. Hinzu kommt, dass die Karten von Aventuria wertiger sind, da sie über eine Leinenstruktur verfügen. Des Weiteren wird Aventuria in der EU produziert und nicht in China, wie beim Arkham Horror LCG.

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