Ein Blick in Als das Rad zerbrach

Vorbemerkung: Es hat in den vergangenen Jahren immer wieder sehr interessante Fanprojekte gegeben, die ich mir gerne angeschaut habe. Ein ganz besonderes Projekt stellt Als das Rad zerbrach dar. Hierbei handelt es sich um keine Spielhilfe oder ein Abenteuer, sondern um eine Gedenkschrift, die niemand Geringeren als Ulrich Kiesow würdigen soll, aus dem Anlass seines 25jährigen Todestages (er verstarb am 30.1. 1997). Kai Frerich (von Vier Helden und ein Schelm) hat seit Bestehen seines Blogs immer wieder auf das Wirken Ulrich Kiesows Bezug genommen und diesem gedacht. Der besondere Jahrestag war aber nun Anlass für ein deutlich größeres Projekt. Der Band enthält viele Einzelartikel, in denen Wegbegleiter oder andere Menschen, die DSA in der Folge mitgestaltet haben, ihre Beziehung zu Ulrich Kiesow schildern. Natürlich habe ich von Kais erster Ankündigung das Unterfangen verfolgt. Seiner Zielstrebigkeit ist es zu verdanken, dass die Texte nicht nur im Scriptorum Aventuris erhältlich sind, sondern in Kooperation mit Ulisses auch eine Printausgabe entstanden ist (bei der Anteile des Erlöses der deutschen Herzstiftung zugute kommen). Diese ist nun auch bei mir eingetroffen und deshalb möchte ich hier einige Eindrücke loswerden. Allerdings handelt es sich dabei um keine Rezension im herkömmlichen Sinne, ein Werk zum Gedenken an einen Verstorbenen möchte ich selbstverständlich nicht kritisch einordnen.

In Zahlen:

– 80 Seiten

– 19 Artikel

– Preis: 9,95 Euro

– Erschienen am 28.4. 2022  

Inhalt

Der Band beginnt mit einem Vorwort von Kai Frerich, in dem er kurz den Anlass zur Entstehung der Textsammlung erläutert und sein Anliegen an ein entsprechendes Gedenken vorstellt. Dem schließen sich die Einzelartikel an, in denen viele Personen ihre persönlichen Erinnerungen teilen oder erklären, wie Ulrich Kiesow ihr (Rollenspiel-)Leben beeinflusst hat.

In Alle können Helden sein schildert Anton Weste sein einziges Treffen mit Ulrich Kiesow und ordnet dessen Wirken ein, wobei er dessen Blick auf die einfachen Leute Aventuriens betont. Stefan Blanck hat seinen Artikel mit Der Menschenfänger betitelt und beschreibt darin, wie ein Anruf von Ulrich Kiesow sein junges Ich in Aufregung versetzt hat und wie in der Folge sein Abenteuer Im Dschungel von Kun-Kau-Peh entstand. Ihn ist dabei vor allem wichtig, die Integration der Spieler*innen als Leistung zu unterstreichen.

Einen anderen Ansatz wählt Angelika Fuchs in 25 Jahre ohne großen Bruder, indem sie vor allem ihre persönliche Erinnerung an ihren Bruder teilt. Ihr Mann Werner Fuchs (der letzte noch lebende Gründervater) blendet Aventurien und DSA in Easy Rider in Hubbelrath völlig aus und erzählt stattdessen eine humorige Anekdote, die ihre gemeinsame Zeit Ende der 60er Jahre illustriert.     

Auch die aktuellen Nachfolger in der Redaktion haben Texte beigesteuert. In Ulli Kiesow – der Lieblingsautor betont Nikolai Hoch seine Verbundenheit zu DSA, die schon bis in die Schulzeit zurückreicht, während Alex Spohr in DSA-Großmeister einige prägende Publikationen aus der Kiesow´schen Feder Revue passieren lässt.      

Tom Finn erinnert sich in Im Rausch der Ewigkeit an seine Teenagerzeit, in der er zunächst einen Briefwechsel mit Ulrich Kiesow unterhielt, was dann später zur persönlichen Bekanntschaft und letztlich zur Mitarbeit an einigen zentralen Bänden der aventurischen Publikationsgeschichte führte. Jörg Middendorf betont die Offenheit von Ulrich Kiesow gegenüber der Fangemeinde und schildert ihn in Der Weichensteller als offenen Menschen, bei dem man auch schon mal zum Essen eingeladen wurde.

Irgendwie passend zu seinen eigenen DSA-Publikationen wählt Karl-Heinz Witzko einen sehr augenzwinkernden Ansatz. Nackt im Wald beschreibt dabei, wie er von Ulrich Kiesow als Spielleiter in eine kuriose Abenteuersituation geworfen wurde und wie sich diese dann entwickelt hat. Lena Falkenhagen beginnt in Der Fragensteller damit, wie es zu ihrem ersten Roman Schlange und Schwert kam und wie Ulrich Kiesow sie auch folgend weiterhin zum Schreiben für DSA motiviert hat.

Arne Gniech greift in The DSA-Master himself auf seine Zeit als Fanzine-Herausgeber zurück und beschreibt ebenfalls einen Briefwechsel mit Ulrich Kiesow, wie dieser sich intensiv mit Kritik ausgesetzt hat. Auch dieser Kontakt mündete in eine spätere Zusammenarbeit (vor allem die Soloabenteuer Das Schiff in der Flasche und Verrat auf Arras de Mott betreffend). Dabei zitiert er auch einige der Briefe Ulrich Kiesows.

Kai Frerich nimmt sich in Das Grab des Großmeisters dem Gedenken an Ulrich Kiesow an, indem er einen gemeinsamen Besuch mit Ina Kramer an dessen Grabstätte beschreibt und in diesem Text noch einmal eine Rückschau auf dessen Bedeutung für die Entstehung und das Wachsen von DSA vornimmt.            

Jasmin Neitzel wählt eine andere Perspektive, indem sie in Nahema und Herr Tamerlan feststellt, dass DSA unter Leitung von Ulrich Kiesow schon sehr früh Charaktere verwendet hat, die mit damals geltenden Geschlechterkonventionen brechen.

Zusätzlich zu diesen neu entstanden Artikeln sind noch einmal andere Texte abgedruckt, die bereits an anderer Stelle publiziert wurden. So ist eine Abschrift des Nachrufs Seht das Rad – Es ist zerbrochen vor der Zeit von Niels Gaul vorhanden, in dem dieser im Aventurischen Boten 67 vom Februar 1997 die Spielerschaft über das traurigen Ereignis informiert hat. Dazu sind drei Nachrufe aus der Wunderwelten 37 vom Juni 1997 enthalten, in denen der mittlerweile leider selbst verstorbene Hans Joachim Alpers in Zum Tod von Ulrich Kiesow, Thomas Römer in Offene Fragen und Werner Fuchs in Ulrich Kiesow – Ein Nachruf den Verstorbenen würdigen. Zuletzt setzt sich Kai Frerich mit der Frage Wer war eigentlich Andreas Blumenkamp? auseinander und beschreibt das satirische Alter Ego von Ulrich Kiesow. Der Band schließt mit einer Bibliografie aller Werke Ulrich Kiesows.       

Eindrücke

Wie schon angesprochen kann es nicht Sinn dieses Textes sein, Erinnerungen an einen Verstorbenen kritisch zu beleuchten. Das würde dem Werk und dessen Anlass nicht gerecht werden und das ergibt auch für mich keinen Sinn. Letztlich geht es allen Beteiligten darum, ihre Gedanken zu Ulrich Kiesow zu teilen oder auch von persönlichen Begegnungen mit ihm zu berichten.

Gerade in letzterer Hinsicht sind einige sehr interessante und auch unterhaltsame Artikel vorhanden, insbesondere diejenigen, in denen Autor*innen davon sprechen, wie er sie zu DSA gebracht hat. Hier zeichnet sich ein Bild einem Menschen ab, der sehr stark darauf bedacht war, Rückmeldungen zu seiner Entwicklung zu erhalten und dem auch viel daran lag, mit den Spieler*innen in Kontakt zu kommen. So sind ja gleich mehrere Artikel davon geprägt, dass man sich ein Herz gefasst hat, Ulrich Kiesow anzusprechen oder anzuschreiben und dann die Überraschung groß war, dass das eigene Anliegen auf fruchtbaren Boden fiel. Besonders aussagekräftig (und auch amüsant) finde ich in diesem Zusammenhang den Text von Arne Gniech, in dem dieser seinen Briefwechsel als kritischer Begleiter von DSA (durch sein Fanzine) schildert und der illustriert, dass DSA schon damals aus einem Diskurs zwischen Macher und Fan bestand. Genauso zeigen u.a. Tom Finn, Lena Falkenhagen und Stefan Blanck wie sie dazu gekommen sind, für DSA zu schreiben und wie sie darin von Ulrich Kiesow bestätigt worden sind.

Die verschiedenen Perspektiven zeigen dabei sicher kein komplettes Bild des Verstorbenen (was ja auch schlecht möglich ist), allerdings lassen sich durchaus Gemeinsamkeiten feststellen, wenn z.B. immer wieder die Fähigkeit Menschen zusammenzubringen betont wird.

Somit ist ein sehr ausführlicher Rückblick entstanden, der auch um einige Zeitdokumente angereichert wurde (u.a. die Nachrufe im Aventurischen Boten und in der Wunderwelten). Das führt mich beispielsweise auch persönlich in die Zeit zurück, da der Nachruf von Niels Gaul auch für mich der Moment war, in dem ich von dem Tod Ulrich Kiesows erfahren habe, da ja im prä-Internet-Zeitalter Informationen ein ganz anderes Verbreitungstempo hatten. Damals war das ja grundsätzlich nur ein Name, der in vielen Publikationen gestanden hat, erst dadurch habe ich von seiner genauen Rolle für DSA erfahren. Publikationen wie diese hier geben dem deutlich mehr Konturen. Hier kann man nun sehen, dass es viele Menschen gibt, die mit seiner Person persönliche Erinnerungen verbinden und das auch nach so vielen Jahren.

Ganz generell möchte ich nochmal den Einsatz loben, der hinter dieser Publikation steht. Kai Frerich hat (nicht zu ersten Mal) mit viel Hartnäckigkeit eines seiner Anliegen umgesetzt und dafür offenkundig viel Aufwand betrieben, nicht nur in der abschließenden Zusammenlegung der Texte und im Layout, sondern auch enorm viele Weggefährt*innen und DSA-Kreative dazu bewegt, ihre Gedanken zu teilen. Das nötigt mir viel Respekt ab, solche Projekte nicht nur anzudenken, sondern auch wirklich umzusetzen. Dass dann Ulisses Spiele auch noch eine Printumsetzung ermöglicht, freut mich umso mehr. Vor allem muss auch der karitative Aspekt unterstrichen werden, indem passenderweise von den Erlösen des Projekts die Deutsche Herzstiftung profitiert.       

Hinterlasse einen Kommentar