Rezension: Das Garadan-Komplott

Vorbemerkung: Eigentlich habe ich den Rezensionsreigen zum umfangreichen Sonnenküsten-Crowdfunding schon vor längerer Zeit abgeschlossen. Tatsächlich hat es aber nun noch einen „Nachzügler“ gegeben, was mit einem der damals erreichten Bonusziele zusammenhängt. Dabei wurde ausgelobt, dass Sebastian Thurau passend zur Region noch ein Soloabenteuer verfassen würde, das ursprünglich nicht Teil des geplanten Gesamtpakets war und dementsprechend erst noch geschrieben werden musste. Daraus geworden ist im Endeffekt Das Garadan-Komplott, das Ende Juni erschienen ist. Wie immer freue ich mich sehr über ein zusätzliches Soloabenteuer, verbunden ist das aber natürlich auch mit einer gewissen Qualitätserwartung.

In Zahlen:

– 68 Seiten

– 344 Abschnitte (+ Prologe)

– Preis: 17,95 Euro

– erschienen am 30.6. 2022

I. Aufbau und Inhalt

Zunächst unterscheidet sich das Abenteuer in einem Punkt grundsätzlich von den bisherigen Solos der 5. Edition: Man kann hier einen beliebigen eigenen Charakter verwenden, erstmals ist keine feste Figur vorgegeben. Das bringt natürlich mit sich, dass keine Hintergrundinformationen des Charakters eingebaut sind, dieser verfügt über keine Vorgeschichte. Magisches oder karmales Wirken (so man denn über solche Fähigkeiten verfügt) sind bei Proben und Kämpfen dementsprechend nicht berücksichtigt worden, das muss man bei Bedarf selbst einfügen. Es gibt aber ein vollständiges Heldendokument für einen namen- und geschlechtlosen Händler aus dem Horasreich, falls man keine eigene Figur zur Hand hat.    

Inhaltlich handelt es sich um ein Intrigenabenteuer, das vollständig in der Stadt Neetha spielt. Im Einband ist auch ein Stadtplan abgedruckt, der allerdings nur optional der Illustration von Wegen dient und nicht direkt zur Navigation an bestimmte Orte verwendet werden kann. Zu Beginn bezieht der Spielercharakter Quartier in einer Herberge, die passend zur Bedeutung Neethas im Rondrakult den klangvollen Namen Schwert der Göttin trägt. Schnell kommt es zu einer denkwürdigen Begegnung mit der Zimmernachbarin Phedre, die sich als gleichermaßen wehrhaft wie geheimnisvoll erweist und die im gesamten Abenteuer mit der Hauptfigur verbunden ist. Der Spielercharakter selbst wird zudem in eine Reihe von merkwürdigen Ereignissen verwickelt, wobei diese nicht leicht zu deuten sind, da alle Ansprechpartner*innen sich recht verschlüsselt äußern und anscheinend davon ausgehen, dass man weiß, wovon die Rede ist. Offenkundig geht es um Bestrebungen der einflussreichen Separatistenbewegung, mehr Unabhängigkeit von der Zentralgewalt, also der Herrschaft durch den Horas, zu erhalten.

Je nach Verlauf des Abenteuers (also abhängig von den eigenen Entscheidungen) können sich dabei turbulente Verwicklungen ergeben, bei denen man versuchen kann, die Hintergründe zu ergründen. Das reicht von einer Variante des berühmten „Angebots, das man nicht ablehnen kann“ über gesellschaftliche Empfänge bis hin zu Kämpfen und Verfolgungsjagden. Ein wichtiger Teil des Abenteuers ist ortsgebunden, wozu sich ein Gebäudeplan im Einband befindet, der allerdings in den Raumbezeichnungen noch nicht ausgefüllt ist (den man aber nach entsprechender Erkundung selbst beschriften kann).

Wie immer gibt es unterschiedliche Mechanismen, mit denen man Fortschritte generieren kann, z.B. die aus vorherigen Soloabenteuern bekannten Ankreuzprotokolle, mit denen man fixieren kann, dass man bestimmte Ereignisse erlebt oder Informationen erhalten hat (was sich nicht zwangsläufig positiv auswirken muss). Zudem ist Abenteuer diesmal sehr rätsellastig, wobei die einzelnen Bestandteile sich später zu einem großen Kernrätsel zusammenfügen. Je nach Errungenschaften, die sich aus dem Protokoll ergeben, gibt es unterschiedliche Endszenen, in denen man noch zusätzliche Erkenntnisse über die Gesamtereignisse gewinnen kann.

II. Figuren

Da diesmal der Spielcharakter keine festgelegte Figur ist, stehen dessen Eigenschaften oder die persönliche Vorgeschichte nicht im Mittelpunkt, wichtig ist hier nur, dass davon ausgegangen wird, dass man in Neetha ortsfremd ist. Die beiden einzigen Figuren, mit denen man zunächst zu tun hat, sind bereits angesprochene Zimmernachbarin Phedre und die Gastwirtin Caya. Phedre ist dabei zunächst schwer lesbar, da sie sich bewusst unnahbar gibt, allerdings immer einen gewissen Wissensvorsprung zu haben scheint. Caya macht sich sichtlich Sorgen, dass Gäste ihrer Herberge bedroht werden, kann aber in Fragen, die mit der Stadt zu tun haben, durchaus hilfreich sein.

Natürlich spielen auch noch weitere Figuren eine Rolle, allerdings liegt es in der Natur eines Intrigenabenteuers, dass hier meist mit einem doppelten Boden gearbeitet wird, d.h. Identitäten und Motivationen unklar sind und man wirklichen Drahtziehern natürlich eher im späteren Verlauf des Abenteuers begegnet.

III. Kritik

Ein gutes Zeichen ist es bei einem Soloabenteuer immer, wenn man es zwischendurch nicht weglegen möchte, sondern immer wieder darauf gespannt ist, wie es weitergeht. Das ist mir hier eindeutig passiert, tatsächlich habe ich irgendwann am Vorabend angefangen und dann bis in die frühen Morgenstunden durchgespielt, obwohl es eigentlich längst Zeit für das Bett gewesen wäre.

Was ist diesem Fall gut gelingt ist die Darstellung des Geheimnisvollen: Zwar gewinnt man im Laufe der Zeit immer mehr Erkenntnisse, allerdings gibt es gerade zu Anfang mehrere irreführende Aspekte. So durchblickt man zwar recht schnell, dass man selbst durch eine simple Verwechslung in die Ereigniskette verwickelt worden ist, wer aber hinter den Attacken steht und um was es eigentlich geht, erschließt sich erst nach und nach und selbst am Ende im Prolog können noch offenstehende Fragen geklärt werden.

Diese Art von Abenteuer passt natürlich gut zum Horasreich und auch in die titelgebende Garadan-Metapher. Mit Phedre erhält man dabei eine interessante Begleiterin, die durchaus Hilfestellungen geben kann, trotzdem bleibt bei ihr bis zum Ende unklar, aus welcher Motivation heraus sie agiert: Ist man für sie ein nützliches Bauernopfer oder liegt ihr wirklich etwas am Spielercharakter? Und wichtiger: Steht sie eigentlich auf derselben Seite oder wird sie sich noch als Antagonistin entpuppen? Von solchen Fragen lebt das Abenteuer und viele Ereignisse erschließen sich nicht direkt, sondern man lässt sich gerade zu Beginn eher treiben. Anfangs verläuft die Handlung noch recht linear, die eigenen Entscheidungen haben zwar eine unterschiedliche Resonanz in Form von kurzen zusätzlichen Textabschnitten, die Resultate sind bis zu einem bestimmten Gespräch an Ende gleich. Danach kann man tatsächlich auch mehrfach ganz aus dem Abenteuer aussteigen oder zumindest bestimmte Ereignisse verpassen, dann aber zu ein späteren Zeitpunkt wieder einsteigen (dann fehlen allerdings ein paar Informationen). Zumindest eine größere Szene ist damit optional, was aus meiner Sicht aber gut gelöst ist.

Den atmosphärischen Höhepunkt stellt eindeutig die Erkundung einer alten Villa dar. Dieser Abschnitt nimmt mit Abstand den größten Raum ein. Der Plan des Hauses sorgt für eine gute Übersicht und durch das Eintragen der einzelnen Raumfunktionen ergibt sich ein gewisses Entdeckergefühl. Verstärkt wird dies auch noch durch das mehrgliedrige Rätsel, das hier einsetzt. Man kann mehrere Objekte sammeln, dazu gehören aber noch weitere Informationen, die man ergänzend benötigt. Hier ist die schon erwähnte Garadan-Metapher gut eingearbeitet und man erfährt viele Details über das Spiel, die man zuletzt anwenden kann. Was mich allerdings etwas stört, ist der Umstand, dass das Haus vergleichsweise leer ist und man gefühlt wenig Hindernisse hat. Es gibt zwar ein System von Lärmpunkten, aber dies ist – insofern man leicht erkennbare grobe Fehler vermeidet – so angelegt, dass man eine Entdeckung kaum befürchten muss. Zwar gibt es am Ende eine durchaus plausible Erklärung dafür, trotzdem wäre hier eine höhere Hürde aus meiner Sicht reizvoller gewesen (wenn ich es beispielsweise mit einer Burgerkundung aus Die Schwarze Eiche vergleiche, was ja ebenfalls von Sebastian Thurau ist).  Im Gesamten gibt es durchaus auch Herausforderungen zu bestehen, dabei bleibt das Abenteuer (im Solobereich durchaus relevant) aber weitgehend fair: Ein Scheitern ist zwar möglich und es gibt auch die Gefahr, in Borons Hallen einzuziehen, allerdings kann man dies durch halbwegs umsichtiges Handeln eigentlich gut vermeiden. 

Als großer Fan von Escape-Räumen hat mit das Kernrätsel großen Spaß bereitet, es gibt allerdings neben der komplexen Variante auch eine einfache Lösung. Gut ist die Stufigkeit gelöst, so dass man bestimmte Erkenntnisse erst dann verwerten kann, wenn man ergänzende Informationen erworben hat, so dass der Mechanismus des mehrmaligen Aufsuchens von Orten Sinn ergibt und dies zusätzlich durch das Ausfüllen des Raumplans erleichtert wird, so dass man später schneller direkt zu bestimmten Räumen gelangen kann, ohne sich durch zig Absätze durcharbeiten zu müssen.

Gut gelingt die Vernetzung zu Die Sonnenküste, indem einige der dortigen Mysterien hier direkt aufgegriffen werden, gerade was die politischen Ränkespiele im Wilden Süden angeht. Besonders gefällt mir zudem, dass tatsächlich ein sehr rasches Anknüpfen an die dortigen Ereignisse stattfindet, was dem Gesamten auch eine gewisse Metaplotrelevanz gibt. Klare Referenzen gibt es auch zu Banner der Treue, da dessen Resultate erwähnt werden und auch inhaltliche Verbindungen existieren. Auch in dieser Hinsicht möchte ich lobend erwähnen, dass dessen Ereignisse somit sehr schnell Auswirkungen zeigen und nicht singulär bleiben.       

IV. Fazit

Das Garadan-Komplott ist einmal mehr ein gelungenes Solo-Abenteuer, das vor allem das Thema eines Intrigenabenteuers passend in Szene setzt und die Atmosphäre des Mysteriösen und Unheimlichen transportiert. Vor allem das Kernrätsel und der zentrale Schauplatz sind gut ausgearbeitet, an dieser Stelle hätte ich mir allerdings noch mehr Hürden gewünscht.

Bewertung: 5 von 6 Punkten              

2 Kommentare

  1. Vielen Dank für die aufschlussreiche Rezension.
    Ich zögerte bisher mir dieses Solo-Abenteuer zu holen, aber nun werde ich es mir zulegen.

    Eine Kleinigkeit ist mir aufgefallen, und zwar an dieser Stelle:
    > … erschließt sich erst nach und nach und selbst am Ende im Prolog können noch offenstehende Fragen geklärt werden.

    Müsste es nicht der ‚Epilog‘ sein?

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