Rezension: Das Geheimnis der Zauberschüler

Vorbemerkung: Die Produktpalette von Rohals Erben ist sehr breit aufgestellt, trotzdem denke ich, dass man Das Geheimnis der Zauberschüler von Kilian Lieb wohl mit Fug und Recht als den ungewöhnlichsten Band bezeichnen kann. Immerhin stellt er auch in der DSA-Historie etwas dar, was es in dieser Form bisher noch nicht gegeben hat: einen Themenband für eine Spielgruppe, die sich ausschließlich aus jungen Magiebegabten zusammensetzt und als Thema deren Lehrjahre an einer Akademie hat. Die Harry-Potter-Anleihen sind natürlich klar erkennbar, allerdings ist dessen Popularität sicher kein Nachteil, um vielleicht sogar neue Spieler*innen ansprechen zu können.   

In Zahlen:

– 64 Seiten

– Preis: 17,95 Euro

– Erschienen am 30.10. 2022

I. Aufbau und Inhalt

Der Band umgreift die gesamte Ausbildungszeit von Zauberschüler*innen an der Magieakademie zu Punin, somit geht es um einen Zeitraum von mehreren Jahren. Das bedeutet natürlich, dass auf gut 60 Seiten nicht alles im Detail geschildert werden kann, sondern schlaglichtartig gearbeitet wird bzw. die Spielleitung einiges selbst ausgestalten muss. Dementsprechend besteht die erste Hälfte des Bandes aus Hilfsmaterial, um den allgemeinen Hintergrund zu kennen, den man als Basis dafür benötigt.

Dies beginnt mit einer Reihe von Spieltipps für eine Scholarengruppe, wobei einige Fragen vorgestellt werden, mit denen die Spieler*innen ihre Figur gestalten können. Dazu werden die Schritte der Ausbildung aufgegliedert und mit Regelelementen für Jugendliche versehen, z.B. mit Angaben, in welcher Ausbildungsphase man wie viele Abenteuerpunkte auf welche Fertigkeitsbereiche verwenden sollte. Hinzu kommen Hinweise zur zwischenzeitlichen Vergabe von Abenteuerpunkten und den Prüfungen, denen man sich in verschiedenen Phasen der Ausbildung stellen muss.

Dem schließt sich die Ausarbeitung des Handlungsortes an: Zunächst wird auf die Geschichte der Akademie eingegangen, bevor das Innere in Form eines Rundganges geschildert wird. Folgend wird außerdem das Alltagsleben an der Akademie beschrieben, wobei Punin klar als eine Eliteeinrichtung charakterisiert wird, auch im aventurischen Vergleich. Besonders wichtig für den Gesamtverlauf des Abenteuers sind die zentralen NSC, die folgend vorgestellt werden. Naturgemäß können nicht alle über 100 Personen berücksichtigt werden, die hinter den Mauern der Einrichtung leben, sondern es wird ein Fokus auf die wichtigsten NSC gelegt, wobei es sich vor allem um Spektabilität Sirdon Kosmaar, seine Vertreterin Rahjandrea Yallimon und das andere Lehrpersonal handelt, dazu gehören aber auch andere Figuren wie die zwergische Köchin Sorscha Kupferblatt oder der Akademiegardist Quetzel Halmstädt, der für die Sicherheit zuständig ist. Um eine solche Scholarenkampagne ausgestalten zu können, benötigt man zusätzlich neben den Lehrenden noch die Lernenden und somit sind viele Scholar*innen beinhaltet, manche explizit aus dem Jahrgang der Heldengruppe, andere in höheren oder niedrigeren Jahrgängen. Da es sich ja um eine Kampagne handelt, die auf mehrere Jahre ausgelegt ist, wird bei vielen Figuren auf die Entwicklung eingegangen, wenn diese sich im Laufe der Handlung signifikant verändern.

Den zweiten Schwerpunkt setzt dann folgend die Scholarenkampagne. Auch hier gibt es zunächst ein paar allgemeine Hilfestellungen. Da ja ein nicht geringer Teil der Handlung aus dem Akademiealltag besteht, wird zunächst der typische Unterricht mit einigen Beispielthemen und Prüfungsaufgaben für die einzelnen Lehrmeister*innen thematisiert. Dann folgen zwei allgemeine Szenarien, die beliebig innerhalb der Ausbildungszeit verortet werden können. Folgend werden dann auf jeweils knapp drei Seiten Abenteuer für die ersten beiden Ausbildungsphasen, das Elevium und das Novizium, vorgestellt. Diese dienen vor allem dazu, mit den anderen Figuren und dem Leben an der Akademie vertraut zu werden.

Mit dem Studium, also dem letzten Ausbildungsteil für Charaktere etwa ab dem 16. Lebensjahr, beginnt dann der Zentralteil im Abenteuersegment und hier ist dann mit Verlockendes Wissen ein deutlich detaillierter ausgearbeiteter Abenteuertext vorhanden. Letztlich handelt es sich um eine Art Horrorabenteuer, das mit dem Tod einer der Lehrpersonen einen Anfang nimmt und in dessen Folge einige merkwürdige Geschehnisse die Aufmerksamkeit der Heldengruppe erregen. Auch dies ist aber eingebunden in den Akademiealltag, z.B. mit Wechseln im Unterrichtspersonal, Prüfungsdruck und den geheimen Traditionen unter den Scholar*innen. Am Ende gilt es natürlich, eine große Gefahr für die gesamte Akademie abzuwenden. Dem schließt sich zuletzt noch das Szenario Die Mitternachtsakademie an, das direkt an Verlockendes Wissen anknüpft und parallel zu den letzten Prüfungen für die Heldengruppe vor dem Ende ihres Studiums stattfindet.

II. Figuren

Wie schon gesagt, sind die Figuren elementar für das Abenteuer, da man vor allem anhand ihrer Handlungen Ereignisse generieren kann, um die gesamte Ausbildungszeit auszugestalten. Durch die Besonderheit der Handlungssituation gibt es klassische Rollen wie die von Auftraggebern eher nicht, sondern letztlich hat man es vor allem mit dem Lehrpersonal und den anderen Scholaren zu tun. Sirdon Kosmaar ist somit beispielsweise als Akademieleiter jemand, mit dem man eher weniger zu tun hat, vielmehr sind es die Unterrichtenden. Hier wird die komplette Bandbreite von Lehrertypen bedient, von der gütigen Magisterin Mafalda von Neersand, der guten Seele der sonst sehr leistungsorientierten Akademie bis hin zum gestrengen Korobar von Perricum, der ständig Druck auf seine Lerngruppen ausübt. Ebenso gibt es alle denkbaren Schülertypen, von der jahrgangsbesten Überfliegerin Elrika über den beliebten Schönling Sequin bis hin zum tollpatschigen Außenseiter Irian. Da die Akademie ein geschlossener Komplex ist, spielen Figuren von außerhalb kaum eine Rolle, Punin als Stadt und dessen Bewohner werden bis auf eine kurze Expedition weitgehend ausgeblendet.              

III. Kritik

Ich muss zugeben, dass ich selbst kein ausgewiesener Harry Potter-Fan bin, genauso wenig habe ich allzu viel übrig für andere klassische Formate von Internatsgeschichten (denn nichts anderen ist die beschriebene Akademie). Trotzdem kann ich gleich vorausschicken, dass ich das ungewöhnliche Abenteuerformat als eine durchaus gelungene Idee ansehe. Es geht – bis auf die Ausnahme von Verlockendes Wissen – meist nicht um epische Handlungselemente, in denen das Schicksal der gesamten Akademie auf dem Spiel steht. Stattdessen stehen eher die großen und kleinen Sorgen des Akademielebens, der Stress mit Prüfungen, zwischenmenschliche Probleme, fehlgeschlagene Zaubersprüche etc. im Mittelpunkt. Das alles bedingt natürlich, dass man dazu bereit sein muss, sich auf diese Art von Abenteuer einzulassen, also unter anderem damit, Heranwachsende zu spielen und eben keine erfahrenen Charaktere, wie man es sonst bei DSA gewohnt ist.

Die Grundvoraussetzung für eine gelungene Kampagne ist ein gut ausgearbeiteter Hintergrund und der ist mit der ausführlichen Beschreibung der Akademie und deren Bewohner*innen absolut gegeben. Mit diesen kann man viel zusätzliche Handlung abseits der Szenarien generieren, wozu auch solche Angaben wie typische Unterrichtsinhalte beitragen. Natürlich muss man auch hier anfügen, dass die Kampagne trotz dieser vielen Beschreibungsinhalte für eine Spielleitung sicherlich eine Herausforderung darstellt. Mit einem Band von 60 Seiten eine Spanne von mehreren Jahren ausspielen zu wollen, ist nicht gerade einfach. Ganz explizit wird deshalb auch dazu angeraten, immer wieder den Zeitraffer zu verwenden, um keine Langeweile aufkommen zu lassen, was aus meiner Sicht absolut sinnvoll klingt. Gut erscheinen mir die die dargebotenen Szenarien, die einen allgemeinen Hintergrund bieten können, oft sind sie zudem so angelegt, dass sie nicht ein kompaktes Abenteuer darstellen, sondern dass sich die Inhalte über einen gewissen Zeitraum entfalten können und mit dem sonstigen Akademiealltag verwoben werden können. Damit können im Lauf der Zeit die Figuren und die Beziehungen der Heldengruppe zu ihnen weiterentwickelt werden, denn sie stellen schließlich den Kern dar, um den die Gesamthandlung aufgebaut ist, wobei nicht zuletzt die Entwicklung der Spielercharaktere den zentralen Aspekt verkörpert.

Die konkreten Abenteuer halte ich im Wesentlichen für gelungen, auch in ihrem Aufbau. Die kleinen Szenarien im Elevium und im Novizium dienen der langsamen Einführung in das Setting und dem Aufbau des Figurengeflechts. Dieses kann sich dann in Verlockendes Wissen voll entfalten, wenn die Handlung an Dramatik und Konsistenz gewinnt, durchaus mit tragischen Momenten verbunden. Verlockendes Wissen ist somit ein spannender dramaturgischer Höhepunkt, in dem man sich Verdienste im größeren Stile erwerben kann. Und trotzdem ist die Handlung in diesem Moment gut mit dem Akademiealltag verbunden, allerdings auch hier mit einem Höhepunkt, wenn man sich einem geheimen Wettbewerb unter den Scholaren stellen muss.

Als einzigen relevanten Schwachpunkt betrachte ich das Folgeszenario Die Mitternachtsakademie. Dieses fällt deutlich ab im Detailgrad, obwohl es Verlockendes Wissen ja eigentlich abschließen soll. Die Ausarbeitung ist dementsprechend grob und in meiner Wahrnehmung wirkt die Handlung hier eher platt gestaltet und die Auflösung der Fälle von verschwundenen Kindern erscheint mehr als offensichtlich. Zudem negiert die Grundprämisse den Einstieg der vorherigen Abenteuers, indem die Magistra, die alles dafür getan hat, Schaden von anderen abzuwenden und dabei bis zum Selbstopfer gegangen ist, plötzlich doch dem Unheil verfallen ist. Das soll natürlich die darin liegende Tragik unterstreichen, ist aber für mich nicht überzeugend.

Was dafür sehr gut gelingt ist die Verbindung mit Rohals Erben als Hauptband. Die dort enthaltenen Angaben – besonders die Ausbildung innerhalb den Institutionen der Gildenakademien – kann man immer wieder einbinden und dies entlastet den vorliegenden Band somit immens, wenn man sich nur auf die handlungsrelevanten Aspekte konzentrieren kann und allgemeine Informationen ausgelagert sind.

IV. Fazit

Das Geheimnis der Zauberschüler ist ein gelungener Band, der im Bereich von DSA weitgehend innovativ ist, indem der Ansatz einer Themengruppe konsequent verfolgt wird. Für das Spiel als heranwachsende Magier*innen ist genügend Hintergrund enthalten, um die langfristig angelegte Kampagne ausgestalten zu können. Die einzelnen Abenteuer sind dabei passend zueinander aufgebaut, lediglich das abschließende Szenario kann aus meiner Sicht nicht überzeugen. Sehr deutlich muss man allerdings sagen, dass die Anforderungen an eine Spielleitung sehr hoch sind.

Bewertung: 5 von 6 Punkten       

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