Rezension: Dämonenmacht und Sternenkraft

Vorbemerkung: Rohals Erben liefert im Ganzen sehr viel Hintergrundmaterial, welches man langfristig verwenden kann. Wichtig ist aber natürlich auch, dass man viel davon direkt nutzen kann. Dieser Part fällt in dem Produktportfolio des Crowdfundings der Anthologie Dämonenmacht und Sternenkraft zu. Enthalten sind dabei drei Abenteuer, die jeweils einen unterschiedlichen Schwerpunkt haben, der primär mit einer der drei großen Gilden verbunden ist, was sich dann aber natürlich auch in den thematischen Aspekten widerspiegelt.

In Zahlen:

– 3 Abenteuer (je eines für eine Gilde)

– 122 Seiten

– Preis: 34,95 Euro

– erschienen am 30.10. 2022

I. Aufbau und Inhalt

Die Anthologie besteht wie angesprochen aus drei Abenteuern, die alle einer Gilde zuzuordnen sind und dementsprechend auch an einer anderen Akademie spielen. Konkret handelt es sich um Siegelbruch (Weiße Gilde), Die Beschreibung der Unendlichkeit (Graue Gilde) und Ein Zombie zum Dessert (Schwarze Gilde).  

Siegelbruch

Das erste Abenteuer der Anthologie von Christian Nehling und Christoph Trauth nimmt seinen Anfang in Gareth, wo die Heldengruppe ihren Auftrag von Saldor Foslarin persönlich erhält. Konkret sollen sie einen merkwürdigen Fall von plötzlichem Wahnsinn ergründen, der die junge Rohalswächterin Yelinda Glimmerdiek befallen hat. Diese hat sich unlängst auf den Weg nach Wagenhalt begeben und wurde später völlig verwirrt aufgefunden. Foslarin vermutet, dass dies mit einem alten Übel aus den Magierkriegen und auch dem Untergang der ehemaligen Akademie des Zirkels des Elementaren Heptagramms zusammenhängt. Somit sollen sie sich auf den Weg nach Wagenhalt machen und dort die Schritte der Magierin nachvollziehen. Wagenhalt stellt insofern ein durchaus brisantes Pflaster dar, da sich dort sowohl ein Ordenshaus der Rohalswächter als auch die noch relativ neue Niederlassung des Stoerrebrand-Kollegs befindet, zwischen denen einige Konflikte herrschen. Zu der gesamten Hintergrund- und Vorgeschichte finden sich umfangreiche Hintergrundinformationen.

Der Kern des Abenteuers spielt dann aber in Wagenhalt selbst, was sehr detailliert beschrieben wird. Dazu ist ein Stadtplan vorhanden, mit den Angaben der wichtigen Anlaufstationen, hier ergibt sich schließlich ein größerer Rechercheteil, wozu die einzelnen Stationen benannt werden und die Informationen, die man dort erhalten kann. Ergänzt wird dies auch um einige Figuren, die dort als Ansprechpartner fungieren können. Ebenso laufen parallel zu den Handlungen der Heldengruppe Ereignisse ab, die durchaus dramatisch sind.

Gelingt es, die Umstände von Yelindas Aufenthalt zu rekonstruieren, mündet das Abenteuer in ein sehr effektreiches Finale an einem höchst ungewöhnlichen Ort, wo sich auch die wahren Antagonisten offenbaren. Dabei kann man durchaus tiefe Einblicke in einige Mysterien der Vergangenheit ergründen. Auch für den Finalort existiert eine Karte, die aufgrund dessen Besonderheiten eine außergewöhnliche Optik hat.

Die Beschreibung der Unendlichkeit

Bei dem Abenteuer zur Grauen Gilde von Kilian Lieb handelt es sich quasi um eine Art spielbare Katastrophe. Hier wird man ohne großes Vorgeplänkel in die Handlung hineingeworfen. Während sich die Heldengruppe mehr oder weniger zufällig südlich der gorischen Wüste befindet, geschieht in einer Anlage, die von der Drachenei-Akademie zu Khunchom betrieben wird, ein Desaster. Anscheinend ist ein Himmelskörper in das sogenannte Adamant-Loboratorium gestürzt und hat dort massive Zerstörungen angerichtet. Die Anlage war ursprünglich ein vor geraumer Zeit entdecktes Grab eines Magiermoguls, in dem die Drachenei-Akademie aufgrund der dort zusammenkommenden Kraftlinien einen günstigen Fokus für eine Forschungseinrichtung errichten ließ. Der Einschlag hat massive Zerstörungen verursacht, vor allem befinden sich in der unterirdischen Anlage immer noch vermisste Personen sowie massive Sachwerte in Form von Artefakten und Forschungsergebnissen. Die zufällig anwesende Akademieleiterin Ashtarra Okharim nimmt die Leitung der Bergungsmaßnahmen persönlich in die Hand und sucht dazu vertrauenswürdige Personen, die sich in die Anlage hineinbegeben wollen. Allerdings ist dies ein enorm risikobehafteter Auftrag, werden doch alle, die sich längerer Zeit dort aufhalten, von einer lebensbedrohenden Krankheit befallen, die Sternenfieber genannt wird. Somit kann man immer nur kurze Vorstöße wagen, bevor man umkehren muss, um sich von den Auswirkungen des Sternenfiebers zu erholen. Die Situation gewinnt noch einmal an Dramatik durch die Erkenntnis, dass die zerstörerischen Effekte sich ausbreiten, also auch die weitere Umgebung des Unfallortes bedroht ist.

Folgend ergibt sich demnach ein umfangreiches Dungeonabenteuer, indem die Heldengruppe mit weiteren Freiwilligen Stück für Stück das Areal erkundet, um dort Überlebende, Artefakte und Forschungsergebnisse zu retten. Dazu sind Pläne aller Gebäudeebenen und Beschreibungen der Lage vor Ort vorhanden, ebenso werden alle Personen vorgestellt, sowohl die Bergungsleitung um Ashtarra und ihr Beratergremium sowie die anderen potentiellen Begleiter*innen. Ebenso wird natürlich auch auf das Sternenfieber und dessen regeltechnische Auswirkungen eingegangen. Somit steht am Ende des Vordringens die Frage, wie man mit der Wurzel des Übels umgeht und wie es gelingen kann, eine weitere Ausbreitung der Katastrophe zu verhindern.

Ein Zombie zum Dessert

Das letzte Abenteuer von David Frogier de Ponlevoy setzt sich mit der Schwarzen Gilde auseinander und hat einen eindeutigen Intrigen-Schwerpunkt. Handlungsort ist die Dunkle Halle der Geister zu Brabak, an der zwischen den hochrangigen Magistern seit jeher Machtspielereien vorherrschen. Allerdings haben diese im Vorfeld des Abenteuers an Schärfe zugenommen, wurde doch auf den kürzlich von einer Forschungsreise zurückgekehrten Magister Lucan Larez anscheinend ein Mordanschlag verübt. Mithilfe der Heldengruppe kann dieser aber vereitelt werden, was den verängstigten Lucan dazu verursacht, die Spielercharaktere als Leibwächter zu engagieren.  Sie sollen somit zum einen sein Leben schützen und zum anderen ergründen, wer hinter dem Anschlag steckt. Um diese Recherche zu ermöglichen, sind ein Stadtplan von Brabak sowie eine kurze Beschreibung der wichtigsten Orte vorhanden. Zudem wird auf einen weiteren Ort ein besonderer Fokus gelegt, ebenfalls ergänzt um Karte und Beschreibungen. Dabei handelt es sich um Lucans Haus, in dem die Heldengruppe nunmehr für Sicherheit sorgen soll.

Für die Recherche besonders wichtig ist zudem natürlich die Dunkle Halle der Geister selbst, primär die dort lebenden Personen, wobei der Schwerpunkt auf dem Lehrpersonal liegt. Somit sind umfassende Personenbeschreibungen von Akademieleiterin Demelioe Nandoiella Terbysios und ihrem Führungszirkel vorhanden, u.a. beinhaltet dies mit dem legendären Polberra auch eine der prominentesten Figuren unter den Magiern Aventuriens. Schnell wird ein größeres Geflecht von Intrigen sichtbar, was sich in weiteren Anschlägen manifestiert. Die Recherche der Spielercharaktere sollte die dahinterstehenden Geheimnisse nach und nach lüften, um letztendlich die finale Konfrontation angehen zu können.

II. Kritik

Ich denke, man merkt es den Beschreibungen an, alle Abenteuer haben für Anthologie-Bestandteile einen bemerkenswert epischen Hintergrund. Es geht nicht um kleine Geheimnisse unter Magiebegabten, sondern es gilt, sich potenten Gegenspieler*innen zu stellen und größere Bedrohungen auszuschalten. Das beinhalten das Aufdecken alter Mysterien, die Interaktion mit einigen der prominentesten Figuren der drei Gilden, das Auffinden mächtiger Artefakte und die Auseinandersetzung mit gefährlichen Gegnern, z.B. mehrgehörnten Dämonen. Sprich: Hier wird auch immer wieder das große Rad des Metaplots ordentlich angeschoben. Als jemand, der solche Bewegungen im größeren Maßstab in den letzten Jahren immer wieder eingefordert hat, befürworte ich eine solche Anlage auf jeden Fall. Somit sollte man auch auf erfahrene und kompetente Spielercharaktere zurückgreifen können, es handelt sich samt und sonders definitiv nicht um Einsteigerszenarien. Erfahrene Figuren können dafür besonders gut eingefügt werden, begegnen sie hier doch auch dem Who is who der Gildenmagie, wenn man unter anderem mit Saldor Foslarin, Ashtarra Okharim, Tomegh Atherion und Polberra interagieren kann. Somit ist im Ganzen auch eine gute und sinnvolle Vernetzung mit Rohals Erben gegeben, indem man die dort enthaltenen Angaben hier direkt verwenden kann, da hier ja auch viele Spezialthemen verwendet werden, z.B. die Rolle der Rohalswächter, Magiersiegel oder Konkurrenzstrukturen in der Leitung von Magierakademien.

Ein besonders wichtiges Kriterium bei Anthologien ist für mich aber auch die thematische Bandbreite, die hier ebenfalls erkennbar ist: Ein Zombie zum Dessert ist ein klassisches Intrigenabenteuer, allerdings vor dem ungewöhnlichen Hintergrund einer Akademie der Schwarzen Gilde, wo quasi aus Prinzip alle Figuren nach normalen Maßstäben finster und sinister wirken. Siegelbruch setzt sich eher mit den Mysterien der aventurischen Vergangenheit und deren Auswirkungen auf die Gegenwart auseinander und setzt eine konventionelle Recherche in Kontrast mit einem sehr ungewöhnlichen Finale. Die Beschreibung der Unendlichkeit zuletzt hat sicherlich den höchsten Actionanteil, steht man hier doch von Beginn an in einer Katastrophensituation, deren Umstände einen hohen Druck auf die Spielgruppe ausüben.

Letzteres Abenteuer ist für mich auch das Highlight der Anthologie, vor allem durch seinen ungewöhnlichen Schwerpunkt: Letztlich handelt es sich um die aventurische Entsprechung der Eindämmung einer Art atomaren Katastrophe, denn das Sternenfieber ist in meiner Wahrnehmung ein klares Äquivalent zu einer Art Strahlenkrankheit, setzt man sich hier zu lange aus, stirbt man unwiederbringlich. Und die finale Beseitigung des Problems verlangt möglicherweise ein hohes persönliches Opfer. Sicher mag das nicht unbedingt ein Thema sein, mit dem sich jeder auseinandersetzen möchte, es hat aber für mich ein hohes dramatisches Potential, wenn man jeden seiner Schritte genau bedenken muss, wegen einer Gefahr, die man nicht einfach so beseitigen kann. Verstärkt wird das noch durch die chaotische Atmosphäre des Schauplatzes, der zudem noch zusätzliche Geheimnisse birgt. Die Interaktion mit den NSC ist hier außerdem sehr komplex, da man mit sehr vielen unterschiedlichen Interessen konfrontiert wird und man sich entscheiden muss, wie man sich dahingehend positioniert.

Ebenfalls als sehr stark würde ich Siegelbruch einordnen. Anfangs offenbart sich ein eher recht konventionell wirkendes Rechercheabenteuer mit den üblichen Begleitumständen, die dramatisierend wirken, z.B. durch Ereignisse wie den plötzlichen Tod von NSC unterstrichen. Aber schon hier ist positiv anzumerken, dass diese Recherche aus meiner Sicht gut ermöglicht wird und Informationen übersichtlich aufgebarbeitet und gebündelt wurden. Als sehr gelungen betrachte ich aber vor allem das Finale, das in einer sehr originell gestalteten Globule spielt, die ein wenig von den Gemälden von M.C. Escher inspiriert wirken, wo man sich auch mit sehr kreativen Gegnern auseinandersetzen muss.

Ein Zombie zum Dessert fällt dem gegenüber für mich leicht ab, aber auch hierbei handelt es sich für mich um ein gutes Abenteuer. Allerdings ist es in seinen Abläufen für mich etwas stark gelenkt und hat einige eher szenisch wirkende Konstruktionen, bei denen man weniger Einfluss auf die Ereignisse nehmen kann. Die Stärke liegt hier in den guten Personenbeschreibungen, alle Figuren in der Dunklen Halle der Geister geben formidable Verdächtige in einem Komplott ab, zudem ist die Atmosphäre in der Akademie der Schwarzen Gilde extrem düster und morbide, was durch viele Kleinigkeiten gut ausgestaltet wird.

III. Fazit

Dämonenmacht und Sternenkraft ist eine gute und sehr abwechslungsreiche Anthologie. Alle drei Abenteuer haben unterschiedliche Schwerpunkte, die zu den einzelnen Gilden gut passen und die spannende Szenarien ergeben. Dazu interagiert man mit vielen interessanten und prominenten NSC innerhalb der aventurischen Magiergilden und muss sich mit teils sehr epischen Geschehnissen auseinandersetzen.

Bewertung: 5 von 6 Punkten         

4 Kommentare

  1. Danke für die gute Rezension! Rückfrage: setzen die Abenteuer voraus, dass einer der Helden Gildenmagier (ggf. sogar der entsprechenden weißen, grauen, schwarzen Gilde) ist?

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    1. Ich würde es mit einem klaren jein beantworten. Sicherlich kannst du alle Abenteuer ohne Gildenmagier oder sogar mit einer rein profanen Heldengruppe spielen. Gemacht sind die aber nicht unbedingt dafür. Im ersten Abenteuer für die weiße Gilde geht man einem alten Artefakt nach und betreibt viel Recherche. Da passt ein Weißmagier gut. Im zweiten Abenteuer wird man mit mächtigen magischen Phänomenen konfrontiert. Hier wird aber darauf hingewiesen, dass es einige NSC gibt, die man verwenden kann, wenn Figuren mit entsprechenden Fähigkeiten fehlen. In „Ein Zombie zum Dessert“ wird man als Leibwächter engagiert, hier kann ich mir andere Charaktere sehr gut vorstellen, umgekehrt ist am Ende jemand, der Dämonen effektiv bekämpfen kann, sehr wichtig. Auch da wären Gildenmagier sicher von Vorteil.

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  2. Die Abenteuer der Schwarzen und Grauen Gilde habe ich noch nicht gelesen, aber bei Siegelbruch (Weiße Gilde) ist es nicht zwingend nötig. Es gibt auch verschiedene Vorschläge und ein kleines Szenario, warum der Auftraggeber einen Krieger, Geweihte o.ä. anwirbt. Auch sind Gildenmagier anderer Gilden problemlos spielbar. Lediglich bei Dämonologen, Paktierer, Nekromanten, Chimärologen usw. wird es schwierig…

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