Rezension: Das Heldenbrevier der Gildenmagie

Vorbemerkungen: Auch wenn es sich bei Rohals Erben um keine Regionalspielhilfe handelt, so ist es in der Produktpalette doch recht ähnlich aufgebaut. Somit hat sich Ulisses auch hier dafür entschieden, einen Ingame-Band zu veröffentlichen, der magiebegabte Figuren aus der eigenen Charaktersicht zeigen soll. Das Resultat ist Das Heldenbrevier der Gildenmagie und wurde, wie fast alle Bände der Heldenbrevier-Reihe von Carolina Möbis verfasst. Logischerweise liegt der Fokus auch nicht auf regional verhafteten Charakteren, sondern darauf, die Bandbreite der gildenmagischen Ausrichtungen zu zeigen.

In Zahlen:

– 160 Seiten

– 3 zentrale Figuren

– erschienen am 30.10. 2022

– Preis: 17,95

I. Inhalt und Aufbau

Im Mittelpunkt des Bandes stehen demzufolge drei Figuren, die jeweils stellvertretend für die Weiße, Graue und Schwarze Gilde auftreten. Dabei handelt es sich um die junge und unerfahrene Weißmagierin Daphne Biagotti, den ambitionierten Schwarzmagier Imaro von Chorhop und die erfahrene Lehrmeisterin Chaima saba Chaliba aus der Grauen Gilde.

Allen drei gemeinsam ist, dass sie jüngst den Magier Relion von Grangor getroffen haben, der ihnen von der kürzlich erfolgten Entdeckung eines alten Gebäudes aus bosparanischen Zeiten in der Nähe von Cophira, am Oberlauf des Sikrams, erzählt hat. Es gibt dabei begründeten Anlass, dass es sich um das Anwesen des Magiers Effardon von Cuslicum handelt, einer damaligen Koryphäe auf dem Gebiet der Stabzauberei. Alle drei erkennen das Potential einer gründlichen Ausgrabung, vermuten sie doch, dass sich dort Artefakte finden lassen, mit denen man eventuell heute noch bahnbrechende wissenschaftliche Fortschritte erreichen kann oder zumindest große Anerkennung innerhalb der Magierzunft ganz Aventuriens gewinnen kann.  

Wie üblich ist das Heldenbrevier in der Form eines Briefromans verfasst, so dass man vor allem durch den Schriftverkehr der drei Hauptfiguren über den Verlauf ihrer jeweiligen Mission erfährt. Zunächst versuchen alle drei, sich die notwendigen finanziellen Mittel zu verschaffen. Tatsächlich zeigen sich hier schon einige aufschlussreiche Erkenntnisse, wenn man die Mittel vergleicht, mit der sie zum Ziel gelangen wollen. Diese gliedern sich in völliges Entnerven der Entscheider über Schmeichelei bis hin zu unterschwelliger Erpressung.

Den schließt sich ein gewisser Reiseanteil an, bis Daphne, Imaro und Chaima zuletzt am Ort ihrer gemeinsamen Begierde aufeinandertreffen. Dort ist teilweise noch unklar, ob sie in Konkurrenz zueinander stehen oder ob sie sich für eine Kooperation entscheiden. Vor Ort offenbart sich zudem schnell, dass es sich keineswegs nur um eine simple archäologische Ausgrabung handelt, sondern dass in den Gemäuern mehr verborgen ist als zunächst angenommen.

II. Figuren

Gerade der Kontrast der Hauptfiguren ist augenfällig: Daphne ist eine strebsame junge Magierin, die mit ihrer extrem fokussierten Art und ihrer Verbissenheit immer wieder bei ihren Vorgesetzen aneckt und auch sonst als Eigenbrötlerin über wenig soziale Kontakte verfügt. Ihr Antrieb ist weniger das Vorantreiben ihrer eigenen Karriere, sondern der Erkenntnisgewinn.

Imaro hingegen ist ein charismatischer Aufsteiger, der zwar grundsätzlich sehr hedonistisch veranlagt ist, dabei aber trotzdem seine ehrgeizigen Ziele nicht aus den Augen verliert. Er erhofft sich mit der Entdeckung von Effardons Erbe eine weiteren Aufstieg in gelehrten Kreisen.

Anders als ihre beiden jungen Kolleg*innen steht Chaima eher am Ende ihrer langen Karriere. Sie muss weder sich noch anderen etwas beweisen, sondern sieht nach ihrer Laufbahn als reine Theoretikerin in der akademischen Lehre endlich die Gelegenheit, endlich ein großes Abenteuer zu erleben.

Als Bindeglied zwischen diesen dreien fungiert Magister Relion, der ebenfalls in einigen seiner Briefen als Erzähler fungiert und dabei durchblicken lässt, dass sein Interesse weniger der Forschung gilt, sondern er bewusst die Karrieren von Daphne, Imaro und Chaima im Blick hat und dabei nicht mit völliger Ernsthaftigkeit vorgeht.

III. Kritik

Gerade aus diesem Kontrast zieht der Roman seinen Reiz: Die drei Figuren wählen völlig andere Wege, die sie letztlich alle an das gleiche Ziel bringen. Das gestaltet sich sehr unterhaltsam, zum Teil sogar in  den Bereichen der Handlung, bei denen man es eigentlich nicht erwarten sollte: Sehr witzig ist hier das Beispiels Daphnes, die mit ihrer nervtötenden Art ihre beiden Lehrmeisterinnen dazu bringt, ihre anfangs völlig ablehnende Haltung aufzugeben. Aber nicht, weil sie an Daphnes Erfolg glauben, sondern weil sie sich durch die Bewilligung der Mittel primär erhoffen, die ungeliebte Nervensäge für einige Zeit loszuwerden, um sie zusätzlich krachend scheitern zu lassen. Chaima hingegen überrascht mit ihrem Durchsetzungsvermögen: Von der Ausstrahlung her wirkt sie eher wie eine liebenswürdige Großmutter, kann aber mit genau dieser Liebenswürdigkeit knallhart ihre Interessen durchdrücken. An diesen Stellen überzeugt mich vor allem der Humorfaktor, wobei der eher unterschwellig eingearbeitet wurde und nicht platt mit dem Holzhammer. Auch dies wird auf der Charakterebene erreicht, wenn z.B. Imaro immer wieder auch selbstironisch ist, während bei Daphne die Komik eben dadurch erzeugt wird, dass es ihr genau daran völlig mangelt.

Gleichermaßen ergänzen sich die drei Protagonist*innen umgekehrt auch, wobei hier dann – passend zum Thema des Crowdfundings – die Kombination ihrer unterschiedlichen Fähigkeiten gefragt ist. Selbst wenn sie ungleich erfahren sind, sind sie doch Experten auf ihrem jeweiligen Fachgebiet als Hellsichtsmagierin (Daphne), Golembauer (Imaro) und Elementaristin (Chaima). Zudem werden durch sie auch ein wenig ihre Gilden charakterisiert, indem z.B. Daphne als Weißmagierin sehr auf ein formal korrektes Vorgehen auf dem Dienstweg bedacht ist, während Imaro stattdessen auf sein Charisma und persönliche Kontakte setzt. Dies setzt sich auch später fort, indem Imaro gerne seine Fähigkeiten zeigt und andere wissen lassen möchte, wie kompetent (und mächtig) er ist. Daphne hingegen hält sich eher im Hintergrund und ist nur an Resultaten interessiert.

Die Handlungsebene der Ausgrabung ist zwar Anlass der Ereigniskette, steht aber erzählerisch nur teilweise im Mittelpunkt. So werden die dortigen Entdeckungen eher oberflächlich geschildert, auch der Fortgang der Grabung wird nicht sonderlich detailliert betrachtet. Im Vordergrund stehen mehr die drei Hauptfiguren, ihre Wahrnehmungen und ihre eigenen Aktionen. In dieser Hinsicht hält sich die Spannung in gewissen Grenzen, auch wenn sich durchaus eine Art dramatischer Höhepunkt ergibt, bei dem alle Beteiligten der Unternehmung in Lebensgefahr geraten. Aber auch dies wird mit der erzählerischen Ruhe, die dem Briefroman eigen ist, geschildert und keineswegs in intensiven Schilderungen eines gnadenlosen Überlebenskampfes gegen einen uralten Schrecken.     

IV. Fazit

Das Heldenbrevier der Gildenmagie setzt auf eine sehr unterhaltsame Weise drei Vertreter*innen der großen Gilden in Szene. Dabei werden die unterschiedlichen Herangehensweisen der Figuren deutlich, die auch mit ihren Fähigkeiten verbunden sind. Die Handlung hat vor allem in Sachen Humor einiges zu bieten, überzeugt aber mehr auf der Charakterebene als durch ausgesprochene Dramatik und Spannungsaufbau. 

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