Rezension: Im Auge des Sturms

Vorbemerkung: Einzelabenteuer haben bei DSA in den vergangenen Jahren einen gewissen Seltenheitswert erhalten, zumeist gibt es sie nur noch als Begleiter zu Regionalspielhilfen oder als Teil einer Kampagne. Eine Ausnahme stellt jetzt Im Auge des Sturms von Jeanette Marsteller und Fred Ericson dar. Wie Titel und Cover schon verraten, handelt es sich dabei um ein Abenteuer, das unter anderem einem maritimen Schwerpunkt hat.

In Zahlen:

– 64 Seiten

– Preis: 19,95 Euro

– Erschienen am 15.12. 2022

I. Aufbau und Inhalt

Das Abenteuer ist in seinem Kern in drei Teile aufgeteilt, indem die Heldengruppe zunächst eher zufällig mit einem wichtigen Protagonisten zusammentrifft und diesem aus einer Notlage hilft, anschließend mit diesem nach Bethana reist und dort den zentralen Recherchepart durchführt, woraufhin sich ein ausgesprochen episches Finale anschließt.

Nach der Schilderung der Vorgeschichte ist der Einstieg variabel gehalten, indem nicht klar festgelegt ist, wo sich die Spielercharaktere befinden. Vorgesehen ist eine Stadt an der Westküste, wobei in erster Linie Grangor oder Ruthor vorgeschlagen werden, für beide Städte gibt es auch einen Infokasten. Kerngeschehen ist hier jeweils, dass die Gruppe beobachtet, wie der Seefahrer Thalion della Turani von einer Übermacht verfolgt wird, wobei das Ziel zu sein scheint, ihn zu überwältigen und zu entführen. Mutmaßlich dürften wahre Held*innen hier nicht tatenlos zusehen, sondern versuchen dies zu verhindern (hoffentlich erfolgreich). Besagte Verfolgungsjagd wird auf mehreren Seiten detailliert beschrieben. Gelingt es, Thalion zu retten, können zusätzlich Hinweise gefunden werden, die darauf verweisen, dass die Hintermänner des Verbrechens sich in Bethana befinden. Zudem scheint die versuchte Entführung mit einem außergewöhnlichem Lebensereignis von Thalion zusammenzuhängen, der vor Jahren einer der wenigen Überlebenden einer gescheiterten Expedition gewesen ist. Zusammen mit Thalion und seinem Schiff, der Karavelle Belemans Braut, begeben sie sich also nach Bethana, um die Hintergrunde zu ermitteln. Zur Ausgestaltung der Seereise finden sich Beschreibungen von Thalion und seiner Mannschaft.

Der Mittelteil des Abenteuers nimmt den meisten Raum ein und ermöglicht eine umfangreiche Recherche in der horasischen Hafenstadt. Dazu sind eine Stadtbeschreibung mitsamt einer Stadtkarte vorhanden. Folgend werden die Rahmenbedingungen der anschließenden Ermittlung vorgestellt, u.a. mit einem Zeitplan der dort stattfindenden Geschehnisse und Tabellen mit den auffindbaren Spuren und den Informationen, die man an unterschiedlichen Orten erhalten kann, unterteilt in verschiedene Kategorien (z.B. über relevante Ereignisse der Vergangenheit oder die Antagonisten). Ebenso werden die relevanten NSC beschrieben, wozu natürlich vor allem die Gegenspieler gehören. Den Kern machen aber auch hier einzelne Ortsbeschreibungen aus, wobei die wichtigsten Anlaufstellen ausgeführt werden, wen man dort antreffen kann und welche Informationen man erhalten kann. Teilweise bedingen diese sich gegenseitig, eine Information kann dazu führen, dass man mehrere neue Optionen erhält, an denen man weiterfragen kann. Stellenweise spielt es zudem eine Rolle, zu welchem Zeitpunkt man sich an einen bestimmten Ort begibt, dann sind mehrere Zustandsbeschreibungen vorhanden. Am Ende des Kapitels werden noch mehrere Helfer und Freunde hinzugefügt, zudem eine mögliche Darstellung des Rechercheendes.

So oder so mündet die Recherche am Ende in eine Finale, dass man getreu dem Titel als ausgesprochen effektreich und kampfintensiv beschreiben kann und das einen Kampf auf Leben und Tod beinhaltet.

II. Figuren

Das Abenteuer verfügt über eine ausgesprochen große Figurenriege. Wobei besonders nennenswert natürlich Thalion della Turani als wichtigster Ansprechpartner ist, der gleichzeitig Anlass und Auftraggeber ist, zudem über weite Teile ein Begleiter. Dazu gehört ebenso die Mannschaft der Belemans Braut, auf deren seefahrerisches Können man im Laufe des Abenteuers angewiesen ist. Gerade die wichtigsten Offiziere werden beschrieben.

Sowohl im Einstieg als auch in Bethana wird man mit einer Reihe von Anatgonist*innen konfrontiert. Diese agieren im Regelfall jedoch nicht offen und sie müssen zumeist auch erst ermittelt werden, bevor man ihnen offen gegenübersteht.

Der umfangreiche Rechercheteil schließlich beinhaltet auch eine enorme Menge an weiteren NSC, von denen man Informationen erhalten kann. Diese stammen aus den unterschiedlichsten Schichten, was sogar bis in die höchsten gesellschaftlichen Kreise reicht, so begegnet man mit Efferdan ui Bennain dem derzeitigen Oberhaupt der Efferdkirche.

III. Kritik 

Eine erste Auffälligkeit ist für mich, dass Im Auge des Sturms sehr viel Abwechslungsreichtum aufweist, in allen Phasen des Abenteuers gibt es viel zu tun, wobei unterschiedliche Kompetenzen gefragt sind. Der Einstieg ist ausgesprochen dynamisch mit der längeren Verfolgungsjagd (die für meinen Geschmack allerdings kürzer hätte ausfallen können, zieht sie sich doch über mehrere Seiten), anschließend sind eher interaktive Fähigkeiten im Rahmen der Recherche gefragt. An Ende kann man sich dann vor allem mit kämpferischen Begabungen beweisen.      

Der Auftakt des Abenteuers hat im Kern eine spannende Verfolgungsjagd zu bieten, die sich über mehrere Etappen erstreckt, womit sich Thalions Rettung durchaus als Herausforderung erweist. Aus meiner Sicht müsste dieser Teil nicht so ausführlich ausfallen, vor allem wenn man das eher über Proben ausgestaltet. Zudem erschließt sich mir hier nicht unbedingt, warum unbedingt zwei verschiedene Ort vorgeschlagen und mit Infokasten vorgestellt werden müssen. Dieser Ansatz, variable Standorte anzubieten, ist für mich im Regelfall nicht notwendig. Vor allem hätte man sonst die Verfolgungsjagd noch konkreter an einem bestimmten Ort ausgestalten können, was die Jagd atmosphärischer und weniger generisch hätte werden lassen, dann würde Ausführlichkeit für mich auch mehr Sinn ergeben. Das ist allerdings eher Kritik am Allgemeinkonzept von DAS-Abenteuern und weniger etwas, was einen echten Minuspunkt von Im Auge des Sturms darstellen würde.

Als größte Stärke des Abenteuers würde ich dann aber eindeutig den Mittelteil bezeichnen. Die Recherche in Bethana ist sehr detailliert ausgearbeitet worden und bietet unzählige unterschiedliche Ansätze. Man kann sich für viele verschiedene Spuren entscheiden, die teils längere Ketten ergeben. Beispielsweise kann man sich an die Fersen der Antagonisten haften oder nach weiteren Überlebenden des Untergangs der Delphinia suchen, genauso kann man in den vorhandenen Horten des Wissens nach dem mythologischen Hintergrund forschen. Das Ganze ist zudem in einen zeitlichen Rahmen zur Übersicht eingebunden, außerdem sind einige notwendige Ereignisse und zusätzliche Figuren eingebaut worden, die das Ganze sehr dynamisch wirken lassen. Ebenso wurden zeitliche Komponenten berücksichtigt, so dass es teilweise eine Rolle spielt, wann man während des Aufenthalts in Bethana einen Schauplatz aufsucht. Unterstützt wird dies durch die allgemeine Stadtbeschreibung und die Karte von Bethana. Der einzige größere Nachteil dieser Großrecherche offenbart sich am Ende: Leider wird sie zuletzt dadurch entwertet, dass sie im Prinzip kaum Konsequenzen hat. Ganz gleich, wie man vorgeht, am Ende steht als Resultat, dass die Gegner sich aufmachen, um das angestrebte Ritual zu vollenden, z.B. sind somit die Entführungen von einigen Personen gesetzt, obwohl man ihnen im Laufe der Recherche begegnet, man hat also kaum Einfluss auf ihr Schicksal. Hier hätte man aus meiner Sicht elegantere Lösungen finden können.

Das Finale ist somit in seiner Anlage etwas statisch angelegt, indem die Abläufe sehr szenisch sind. Dies hat erkennbare Gründe, indem eben ein großer Showdown im titelgebenden Sturmauge stattfinden kann. Auch hier ist sicher ein offeneres Vorgehen möglich, umgekehrt ist es auch ein sehr forderndes und effektreiches Ende geworden. Vor allem wird dafür gesorgt, dass die kompetente Mannschaft der Belemans Braut den Spielercharakteren nicht die Show stiehlt und sie zu Statisten degradiert. Stattdessen sind viele Optionen beinhaltet, wie sie hier sichtbar zum Erfolg beitragen können.         

IV. Fazit

Im Auge des Sturms ist ein ausgesprochen spannendes und abwechslungsreiches Abenteuer. Überzeugen kann dabei vor allem der intensiv ausgestaltete Mittelteil, indem man eine umfangreiche und gut vernetzte Informationssuche in Bethana erleben kann. Schade ist allerdings, dass diese Recherche in großen Teilen konsequenzlos ist und dann am Ende ein sehr stark gescriptetes Finale erfolgt.     

Bewertung: 4 von 6 Punkten

3 Kommentare

  1. Danke für diese umfangreiche Rezension.
    Wenn ich das Fazit lese und dann die Wertung darunter, frage ich mich, ob ich irgendetwas übersehen habe. Aber vielleicht ist das durchschnittliche Abenteuer inzwischen ja auch so hervorragend, dass eine Wertung von vier Punkten genau das widerspiegelt.
    Was mich tatsächlich noch interessieren würde, wäre die Frage nach der Seefahrtsatmosphäre. Cover und Titel zeigen ja ganz klar in die nautische Ecke. Wenn ich es recht verstehe, spielt aber nur das Finale auf dem Wasser respektive an Bord eines Schiffes. Vom Äußeren her erinnert es mich ein wenig an die Verdammten des Südmeeres. Aber die Schwerpunkte scheinen andere zu sein. Bethana ist ja eine Seefahrerstadt, aber doch irgendwie deutlich aufgeräumter als das südlich von Al’Anfa der Fall ist. Ich hoffe ich komme bald dazu mir das Abenteuer mal näher anzusehen.

    Like

    1. Bei mir entsprechen 4 Punkte quasi der Schulnote befriedigend, ich sehe es in der Idee als sehr gelungenes Abenteuer mit gewissen Umsetzungsschwächen, zumindest lese ich selbst das auch so aus meinem Text heraus.
      Seefahrt spielt eine Rolle, aber eben nicht ausschließlich. Es gibt im Abenteuer zwei Seepassagen. Eine vom Startort nach Bethana und anschließend spielt das gesamte Finale auf hoher See. Den längsten Teil aber nimmt der Recherchepart in der Stadt ein. Allerdings hat auch die Recherche enorm viel mit Seefahrt zu tun und fast alle Figuren stammen aus dem Milieu.

      Like

Hinterlasse einen Kommentar