Rezension: Grimorum Cantiones

Vorbemerkung: DSA ist immer schon ein sehr umfangreiches, historisch gewachsenes Rollenspiel gewesen. Das hat unter anderem inhaltlich zu einer enormen Beschreibungsdichte geführt (die manchmal etwas überbordet, aber umgekehrt in diesem Detailgrad ein zentrales Merkmal des Spiels darstellt), daneben gerade in der 4. und jetzt der 5. Edition zu einer Fülle an Regeln. Hier kann man durchaus klare Nachteile von DSA5 erkennen, indem einige Bereiche, die eigentlich zusammengehören, auf mehrere Bände verteilt wurden. Ein Beispiel ist der Magie-Sektor, für den es für DSA5 mittlerweile Aventurische Magie 1-3 gibt, wenn man denn alle relevanten Publikationen besitzen will, zudem sind Einzelelemente in noch anderen Bänden beinhaltet. Im Ganzen scheint nun aber der Regelbereich zumindest weitgehend erschlossen zu sein, so dass in Bälde Sammelbände das Bedürfnis nach kompletten Darstellungen stillen sollen. Für den Magiesektor soll nun zudem das Grimorum Cantiones eine andere Baustelle schließen, indem es den Anspruch hat, alle existierenden Zauber in einem Band zusammenzuführen, womit es als Zauberbuch in die Fußstapfen von bekannten Vorgängern tritt, z.B. dem Codex Cantiones oder dem alten Buch der 11×11 Zaubersprüche. Ein kleiner Druckfehler hat dafür gesorgt, dass der Band erst etwa 6 Wochen nach Rohals Erben erscheinen konnte, so dass dies hier im Blog auch den Rezensionsreigen zu dem Crowdfunding beschließt.  

In Zahlen:

– 504 Seiten

– Preis: 59,95 Euro

– Erschienen am 30.10. 2022

I. Aufbau und Inhalt

Der umfangreiche Band beginnt zunächst mit einigen Vorbemerkungen zu neuen Regelelementen, z.B. zu Elementarmagie und Zaubererweiterungen. Die größte Änderung aber stellt der Reversalis als Sonderfertigkeit dar, den es bisher für die 5. Edition noch nicht gab. Da er Zauber umkehren kann, hat er keine spezifische eigene Wirkungsbeschreibung, sondern für jeden Zauber eine individuelle Ausprägung. Somit ist jeder Zauber um eine Anmerkung zu seiner Reversalis-Variante ergänzt worden.

Folgend schließt sich dann der Bandkern an, indem voneinander getrennt alle Zaubertricks, Zaubersprüche und Rituale in alphabetischer Reihenfolge für DSA5 vorgestellt werden. Zaubertricks werden dabei entsprechend ihrer geringen Tragweite deutlich kürzer abgehandelt. Für sie wird in 1-2 Sätzen die Wirkung beschrieben, dem schließen sich die Angaben zu Reichweite, Wirkungsdauer, Zielkategorie, Merkmal und Anmerkungen an.

Deutlich umfangreicher findet die Präsentation der Zaubersprüche und der Rituale statt. Hier hat jede Formel eine komplette Seite erhalten, da viel mehr Angaben benötigt werden. Zunächst gibt es für jeden Zauberspruch/jedes Ritual eine allgemeine Definition, die folgend um die benötigte Probe ergänzt wird, woraufhin sich dann eine ausführliche Wirkungsbeschreibung anschließt (bei einigen Zaubern wird dies noch in verschiedene Qualitätsstufen unterteilt). Auch hier erfolgen dann weitere Details in Form von Zauberdauer, Kosten, Reichweite, Wirkungsdauer, Zielkategorie, Merkmal, Verbreitung und Steigerungsfaktoren. Gesondert werden Zaubererweiterungen aufgeführt. Zudem hat jeder Zauber eine Ergänzung mit der Bezeichnung Geste und Formel erhalten. Hier wird dann für die einzelnen Verbreitungskategorien geschildert, wie die bewirkende Person sich bei der Ausführung verhält, also ob eine bestimmte Gestik und/oder ein Formelausspruch benötigt wird. Dabei wird dann jeder Typus differenziert, also beschrieben, wie z.B. ein Druide/ein Gildenmagier etc. sich unterschiedlich verhält. Zuletzt schließt sich noch die oben angesprochene Reversalis-Form an. Manchmal gibt es noch handschriftliche Anmerkungen, die einen Ingame-Charakter erzeugen sollen, indem unterschiedliche Magiewirker eine Art Kommentierung zu dem konkreten Zauber/dem Ritual vornehmen.

Diese drei Kernkategorien werden um ein Kapitel zu Zaubergesten und Formeln erweitert, in denen theoretische Anmerkungen zu Zaubergesten im Spiel vorhanden sind. In alter Tradition finden sich hier dann auch gereimte Formeln für alle Zaubertricks, und -sprüche sowie die Rituale, wie beispielsweise Claudibus Clavistibor – Seid verschlossen, Tür und Tor. Für einige Zauber gibt es außerdem Zhayad-Formeln.

Dazu werden auch die Zauberwirker selbst in die Fokus genommen, indem auch – meist auf einer halben Seite – die einzelnen Zaubertraditionen als Sonderfertigkeit aufgeführt werden. Berücksichtigt werden Animisten, Borbaradianer, Brobim-Geoden, Darna, Druiden, Elfen, Geoden, Gildenmagier, Goblinzauberinnen, Hexen, intuitive Zauberer, Kristallomanten, Qabalyamagier, Runenschöpfer, Scharlatane, Schelme, Ysilische Bannzeichner, Zauberalchimisten, Zauberbarden, Zaubertänzer und Zibilja.

Am Ende sind noch einige Sortierungskategorien vorhanden, indem die Zauber erst nach Merkmalen und dann nach Traditionen sortiert werden. Zudem sind noch Werte für beschworene Kreaturen beinhaltet.

II. Kritik

Erstmal möchte ich das loben, was ohnehin als erstes augenfällig ist: Das Grimorum Cantiones ist optisch ein wunderschöner Band. Das beginnt außen mit einem schönen Ingame-Look, der natürlich den Eindruck eines „echten“ Zauberbuchs erwecken soll. Innen setzt sich das fort, die schönen Illustrationen von Tokala in kräftigen Farben passen gut zu den Zauberformeln und geben viel Atmosphäre dazu. Das Ingame-Feeling soll noch durch die gelegentlichen Anmerkungen in unterschiedlichen Handschriften unterstrichen werden, was aus meiner Sicht aber nicht unbedingt passt: Es ist eben kein wirklicher Ingame-Band, schließlich sind eben auch Regeln und Werte enthalten, an dieser Stelle ist die Machart dann uneinheitlich, das hätte besser zu einem Band gepasst, der wirklich regelfrei und im Stil eines Vademecums gehalten ist. Umgekehrt stellt das für mich jetzt auch keinen wirklichen Mangel dar, es ist eher nicht ganz stimmig als störend.

Im Ganzen relevanter als die reine Optik ist aber natürlich das, was der Band inhaltlich leistet. Und da halte ich das Grimorum Cantiones für einen enorm wichtig Beitrag. Immerhin handelt es sich um eine Zusammenführung aller Zauberformeln, die für DSA5 derzeit verfügbar sind. Eine solche Bündelung war bislang nicht gegeben, stattdessen waren die entsprechenden Formeln bisher auf drei Bände verteilt.

Sicherlich kann (und muss) man an dieser Stelle auch hinterfragen, ob es nicht von Beginn an andere Wege der Publikation gegeben hätte. Denn so positiv ein Komplettband auch ist, verursacht er doch einmal mehr eine immense Menge an Doppelungen. Wer Aventurische Magie 1-3 besitzt, der wird zwar immer noch einige Neuerungen finden (sowohl neue Zauberformeln aber auch andere Darstellungsformen, wie z.B. die kompletten Ergänzungen zu den reversalisierten Zaubern), trotzdem aber ist das meiste mehrheitlich schon mal an anderer Stelle abgedruckt worden. Weiterhin bleibt DSA5 somit eine kostspielige Angelegenheit.

Trotzdem überwiegt aus meiner Sicht der Nutzen, ein Komplettwerk kann ganz anders genutzt werden, nun liegt endlich wieder ein Band vor, der den altmodischen Zweck eines Nachschlagwerks tatsächlich erfüllt und den man am Spieltisch unkompliziert verwenden kann.

Regeltechnischer Detailanmerkungen werde ich mich enthalten, in der Hinsicht gibt es sicher Leute, die eine deutlich kompetentere Einordnung vornehmen können (was auch der Grund ist, warum ich am Ende dieser Rezension auf eine Wertung verzichten werde). Interessant finde ich, dass gerade auch Aspekte ausgebaut wurden, die keine regeltechnische Komponente haben, indem u.a. die unterschiedlichen Gesten und Formeln für die einzelnen Traditionen aufgeführt werden. Das wirkt sehr klassisch, vor allem wenn man noch dazu registriert, dass die alten Reimformeln wieder als Option hinzugefügt wurden. Natürlich bedient das eher die Nostalgie-Fraktion, ich halte es aber für einen im besten Sinne netten Zusatz, der zu einem solchen Band durchaus passt. Was ein wenig auffällt, ist dass die Hinzufügung des Reversalis offenbar ein Mammutprojekt gewesen ist, da so jede Formel nochmal überdacht wurde. Hier wirkt es auch ein wenig uneinheitlich, manchmal scheint mir die Balance zu fehlen, manchmal gibt es originelle Ideen, während bei anderen Sprüchen dann nur der lapidare Zusatz vorhanden ist, dass die Formel einfach angehoben ist. Hier macht es auf mich den Eindruck, dass eine Spielleitung oft noch nachjustieren muss und Hausregeln entwickelt werden müssten.

Ob zusätzlich zu den Zauberformeln noch weitere Regelaspekte zwingend eingebaut werden hätten müssen, darüber kann man sicher diskutieren. Sicherlich ist es hilfreich, wenn die wichtigen Traditionen hier auch beinhaltet sind, allerdings passen sie umgekehrt auch nicht ganz in Zauberbuch, gleiches gilt für die Werte beschworener Kreaturen.

III. Fazit

Das Grimorum Cantiones füllt eine Lücke, die seit Editionsbeginn vorhanden ist und die in der Vergangenheit immer ein klarer Kritikpunkt gewesen ist. Ein Komplettband für Zauberformeln ist sicherlich etwas, was seitens der Community gewollt ist und hiermit existiert ein solcher Band. Die Stärke liegt somit auch in der Vielfalt aventurischer Magie und in der Nutzbarkeit als Nachschlagewerk, auch wenn damit natürlich einmal mehr massive Doppelungen zu Vorgängerpublikationen einhergehen. Als einen bemerkenswerten Aspekt würde ich auf jeden Fall die schöne Optik des Bandes hervorheben. Aus angesprochenen Gründen verzichte ich auf eine Wertung, das überlasse ich lieber Leuten, die die Regeldetails besser einordnen können.      

5 Kommentare

  1. Stimme Dir zu, dass die Outgame-Erweiterungen hier nicht passen und teilweise willkürlich wirken.

    Noch mehr stört noch dann aber, dass für einen Magier die Stabzauber, etc fehlen.

    Mit etwas Kreativität hätte man aus der PDF-Version etwas echt Cooles machen können: eine Customisierung auf die einzelnen Traditionen: Als Magier interessieren mich nicht die Gesten der Hexen.

    Noch cooler wäre eine Auswahl, welche Zauber ich schon beherrsche, so dass ein Ausdruck dann nur meine relevante Zauber ausspuckt.

    Diese 3 Aspekte werde ich mir manuell nachbauen, um so MEIN Zauberbuch auszudrucken und einen Ledereinband zu heften

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  2. Der Band hat eine 100%-Note verdient, vor allem hat er Vorbildcharakter. Dass Änderungsvorschläge und Kritik aufgenommen und gewinnbringend eingearbeitet wurden, ist der letzte Feinschliff, der diesen Edelstein besonders schön funkeln lässt.

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  3. Für mich ein Pflichtkauf. Der Band ist mit so viel Detailliebe gestaltet, dass es eine Freude ist ihn in die Hand zu nehmen und zu lesen. Eine echte Perle unter den Rollenspielbüchern inhaltlich, haptisch und auch optisch. Das mit den ingame-Kommentaren stört mich überhaupt nicht. Ich persönlich mag es. Großes Lob an Ulisses!

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  4. Dazu möchte ich nur etwas aus dem Boten 168 (2014) zitieren:
    Ausblick: Das Aventurische Kompendium wird sich mit Kampf und Talenten beschäftigen. Allerdings umfaßt es mehr als sein Vorgänger, da weitere Regelerweiterungen enthalten sein werden, u.a. Regeln zu Seeschlachten, Massenkampf, Herstellung von Gegenständen, Hausbau; zudem weitere Professionen und Archetypen.
    Aventurische Zauberei (Arbeitstitel) wird sich mit allen Arten der Zauberei beschäftigen; und anders als in WdZ wird es einen umfangreiche Zauberspruchliste für alle enthaltenen Professionen geben. Ein Zauberbuch wie das LC ist somit zusätzlich nicht mehr notwendig. Während Aventurische Götterdiener (Arbeitstitel) sich auf die Diener der Zwölf konzentriert und ihre Kirche im Detail vorstellen inkl. neuer Liturgien.
    Beide Bücher werden Archetypen enthalten.
    (Hat ja etwas gebraucht, oder?)

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