Rezension: Die Legende von Assarbad

Vorbemerkung: Das neue Jahr läuft, was DSA-Neuerscheinungen angeht, noch etwas verhalten an (was sich aber Ende des Monats ändern wird). Das gibt mir ein wenig Muße, in ältere Sachen zu schauen. Auf meinem Stapel der ungelesenen Publikationen liegen dabei unter anderem das Romanduo Aranische Nächte und eben dessen Prolog Die Legende von Assarbad. Der Roman des leider vor einigen Jahren verstorbenen Jörg Raddatz leitet in die Ereignisfolge um die oronische Schreckensherrschaft in Aranien ein, greift dabei sogar weit in die Vergangenheit der Region zurück. Alle drei Romane sind kürzlich neu aufgelegt worden im Zuge des Crowdfundings Rohals Erben.

In Zahlen:

– 264 Seiten

– Erschienen 1996 bzw. am 30.10. 2022 (in der Neuauflage)

– Preis: 14,95 Euro

I. Inhalt und Aufbau

Der Roman hat im Wesentlichen zwei unterschiedliche Zeitebenen: Zum einen spielt er in der aventurischen Gegenwart seiner Entstehungszeit, im Jahr 1018 BF. Der aranische Prinz Arkos, dessen Krönung zum Staatsoberhaupt noch ein Jahr in der Zukunft liegt, wird von seltsamen Visionen heimgesucht, in denen eine verschleierte Frau ihn auffordert, Aranien vor einer kommenden Bedrohung zu retten. Das befördert noch seine etwas vergeisterte Art, in der er den Helden von Araniens Vergangenheit nacheifert, obwohl er selbst eine eher schwache Konstitution aufweist. Dementsprechend sieht seine Verlobte Eleonora dies mit Sorge, zumal ihr als Heilerin die Aufgabe zugewiesen wurde, auf das gesundheitliche Wohlergehen von Arkos zu achten. Seine Abenteuerlust wird zudem von Fürstin Sybia gedeckelt, die ihm eine angestrebte Reise zu den Gräbern der Magiermogule bei der ehemaligen Feste Zhamorrah verbietet. Laut seinen Visionen liegt dort aber der Ursprung der neuen Gefahr und dementsprechend unternimmt er diese Queste im Geheimen, wobei ihm einige Helfer*innen bei Hofe zur Seite stehen, u.a. seine Schwester Dimiona und sein Mentor, der Marschall Haldoran. Auf der sich anschließenden Reise kann man unter anderem erleben, wie Arkos mit den Nöten des einfachen Volkes konfrontiert wird. Gleichermaßen stellt sich heraus, dass der Prinz sich durch das Verlassenen der behüteten Palastmauern angreifbar gemacht hat und tatsächlich dunkle Mächte im Hintergrund die Strippen ziehen.

Die zweite Zeitebene liegt weit in der Vergangenheit und beginnt im Jahr 519 BF, als die Magistra Meliopema, die damalige Spektabilität der Halle der Antimagie zu Kuslik, einen magisch außergewöhnlich begabten Straßenjungen bei einem Taschendiebstahl ertappt und diesen mit sich nimmt. Sie nennt ihn Tharsonius von Bethana und fördert folgend seine Entwicklung. Über einige Jahre verfolgt man somit Tharsonius Aufstieg zum Erzmagier. Auffällig ist seine Ähnlichkeit mit Rohal dem Weisen, der selbst bald eine Mentorenrolle für ihn einzunehmen versucht. Letztlich erweist sich aber, dass beide antagonistischen Idealen anhängen und Tharsonius immer mehr danach strebt, seine Macht auszubauen.

II. Figuren

Im besonderen Fokus des Romans liegt die Figurenkonstellation des aranischen Fürstenhauses. Noch regiert die umsichtige Sybia, die allerdings bald die Macht an ihren Sohn Arkos weitergeben möchte (wobei aufgrund der Sitten Araniens dann die entscheidende Kraft seine zukünftige Gemahlin Eleonora sein wird). Arkos allerdings wirkt zu Beginn des Romans eher wie ein romantischer und weltfremder Träumer, der kriegerischen Idealen nachhängt, die er selbst kaum erfüllen kann. Einen klaren Kontrapunkt liefert dagegen Eleonora, die einen sehr rationalen Charakter hat und unnötige Risiken gerne vermeiden möchte, obwohl sie über Mut und Entschlossenheit verfügt. Auch die dritte Frauenfigur in Arkos Leben, seine Schwester Dimiona, ist mit mehr Ehrgeiz ausgestattet, dient sie ihrer Mutter doch als Ratgeberin.

Im Handlungsstrang der Vergangenheit wird schlaglichtartig die Entwicklung von Tharsonius nachgezeichnet, der von Beginn an sehr distanziert beschrieben wird und letztlich auch gefährlicher wirkt, je mehr er seine besonderen Kräfte nutzen kann. Dieser Prozess kann sogar von einem mächtigen Mentor wie Rohal, der genau um die Natur seines Zöglings weiß, nicht aufgehalten werden.                     

III. Fazit

Seine besonderen Reiz entfaltet der Roman natürlich dadurch, dass auf beiden Handlungsebenen zentrale Figuren des aventurischen Metaplots im Mittelpunkt stehen. Arkos, der spätere Held, ist hier noch ein unerfahrener Junge, der anscheinend gar nicht die Fähigkeiten mitbringt, um seine Träumereien in die Tat umzusetzen. Somit folgt man hier seiner Heldenreise, in der sich unter anderem seine Einstellung zu seinen Untertanen ändert, indem er erstmals das behütete Zuhause verlässt und „normale“ Menschen kennenlernt. Dabei wird er bewusst von den anderen Adeligen abgehoben, die eher tyrannische Züge aufweisen. Genauso lernt man Eleonora als den rationalen Part kennen, die sich sogar von der Tatsache, dass ihr zukünftiger Gemahl ihr wenig Gefühle entgegenbringt, in ihrem Pflichtbewusstsein nicht beirren lässt. Als Figur ist sie auch deshalb interessant, weil sie trotz ihrer Ambitionen als Heilerin mit einem engen Peraineglauben auch ein magisches Erbe in sich trägt.

Die eher negativ konnotierten Figuren lernt man deutlich weniger intensiv kennen: Sowohl Tharsonius als auch Dimiona nehmen nicht so viel Raum ein. Bei Arkos Schwester liegt dies daran, dass sie selbst nur wenige Auftritte innerhalb der Handlung hat, wobei allerdings direkt ihre Fähigkeiten als Strippenzieherin gezeigt werden. Bei Tharsonius wird der Fokus auf seine Darstellung als Inkarnation Borbarads gesetzt und man verfolgt seinen Werdegang in Etappen mit großen Zeitsprüngen und kaum kontinuierlich. Gerade in der zweiten Romanhälfte wird aber sein Denken immer klarer erkennbarer, in dem kein Raum für Empathie ist, sondern nur die Erfüllung der eigenen Ambitionen relevant ist.

Diese Erzählweise sorgt dafür, dass der Roman aus meiner Sicht zwar durchaus interessant ist, allerdings nur über überschaubare Spannungsbögen verfügt. Beide Handlungsebenen unterbrechen sich immer wieder, allerdings wird dies über sehr kurze Einzelkapitel so gelöst, dass man schnell wieder der anderen Ebene folgen kann. Umgekehrt sorgt dies dafür, dass vieles eher oberflächlich erzählt wird. Einzelne Figuren wie Arkos und Eleonora werden zwar intensiver charakterisiert, aber fast alle anderen Hintergründe werden maximal angerissen. Dies hat den Effekt, dass der Roman gerade für Leser*innen, die mit der aventurischen Historie weniger vertraut sind (oder auch mit Aranien), oft wenig bis gar keine Kontexte enthält, was das Verständnis erschwert (z.B. die Rolle der Frauen in Aranien, die Magiermogule, das Verhältnis der Nandussöhne etc.). Erschwert wird dies außerdem durch den Umstand, dass – anders als in heutigen Romanen – zu Kapitelbeginn nie zeitliche Verortungen vorgenommen werden (also durch einen Datumsverweis). Das hat die Folge, dass man die Zeitsprünge überhaupt erst nach einiger Zeit wahrnimmt. Sicher ist das ein gewollter Effekt, allerdings keiner, den ich für notwendig oder sinnvoll erachte. Stellenweise ist es mir aber auch etwas unverständlich, warum erzählerische Lücken gelassen werden. So wird der Bastion des Assarbad große Bedeutung beigemessen, das Vordringen von Tharsonius in das Innere aber auf wenigen Seiten völlig vage abgehandelt.  

IV. Fazit

Die Legende von Assarbad ist ein interessanter Roman, in dem man vor allem erste Einblicke in die Personenkonstellation des aranischen Königshauses erhält und auch in das Verhältnis der antagonistischen Kräfte Rohal und Borbarad. Die Erzählweise ist allerdings nur mäßig spannend und sorgt zudem manchmal für Verwirrung durch die Vermischung von zwei Zeitebenen.     

2 Kommentare

  1. Der Roman – damals Bd.10 – ist die einzige Quelle über Borbarads Werdegang; daher für Historiker das wichtigste Nachschlagewerk – undi ch nutzte sie las Grundlage der Ausarbeitung im Aventurien Damals 2.
    Dies ist ein waschechter DSA-Roman – aber das gilt für beinahe alle aus jener Zeit – steht auch so beim Titel: Zehnter Roman aus der aventurischen Spielwelt.
    Das trotzem im Anhang alle Götter, Maße bis zu den Himmelsrichtungen stehen; weil dies bei jedem Buch enthalten war – wie die (sinnlose) Aventuriekarte.
    Ja, die Sprünge zwischen Traum, Vergangenheit und wieder zu Arkos sind nicht schön, ein Datum wäre da angemessen gewesen.

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  2. Ich stimme Zakkarus zu – Soweit ich mich erinnern kann, waren zum Zeitpunkt des Erscheinen der Originalausgabe Borborads Inkarnationen noch total unbekannt, insb. die von Assarbad. Ich fand das damals sehr inspirierend und glaube, dass sich die Spannung daraus abgeleitet hatte

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