Rezension: Rahjas Diener

Vorbemerkung: Während viele Bände wie ein Vademecum oder eine Abenteuerkampagne zum Standardrepertoire unter den DSA-Produkten gehören, fällt Rahjas Diener eindeutig aus dem gewöhnlichen Rahmen. Erstmals erscheint nämlich ein expliziter Meisterpersonen-Band, der speziell auf die Produkte des Crowdfundings abgestimmt ist. Die darin enthaltenen Personen finden sich demzufolge in den anderen Publikationen, die zu Die Gunst der Göttin gehören und sollen diese für die Spielleitung als NSC erweitert aufbereiten.

In Zahlen:

– 128 Seiten

– 58 Figurenbeschreibungen

– Preis: 34,95 Euro

– Erschienen am 21.6. 2023

I. Aufbau und Inhalt

Nach den üblichen Vorbemerkungen zu Regeln etc. besteht der Band ausschließlich aus Personenbeschreibungen. Diese sind immer als Doppelseite aufgemacht, indem ein Text die Figur vorstellt, unterteilt in die Kategorien Kurzcharakterisierung, Motivation, Agenda, Hintergrund und Darstellung (d.h. wie man den Charakter als Spielleitung z.B. gestisch oder mimisch darstellen kann), dazu kommen noch einige Zitate, um die Sprechweise des NSC zu veranschaulichen. Um die Figuren auch für Abenteuerstoffe direkt verwenden zu können, wurden jeweils 1-4 Szenariovorschläge hinzugefügt. Weiterhin hat jede Figur eine Illustration und einen ausführlichen Wertekasten erhalten. Insgesamt enthalt der Band 58 Personenbeschreibungen.

Passend zum Schwerpunkt des Crowdfundings handelt es sich bei den ausgewählten NSC um solche, die besonders mit den Themen Lust und Liebe verbunden sind, wobei es nicht unbedingt die Nähe zu Rahja sein muss, die hier ausschlaggebend ist. Die Bandbreite ist sehr unterschiedlich aufgestellt, einige zählen zu den bekanntesten Persönlichkeiten Aventuriens, wie z.B. Alara Paligan, Nahema, Pardona oder Thomeg Atherion. Andere sind NSC, die in den vergangenen Jahren sehr präsent gewesen sind, wie z.B. regional wichtige Figuren wie Arkos oder Khelbara in Aranien. Daneben gibt es viele, die nicht so bekannt sind, aber in den anderen Publikationen des Crowdfundings (oder auch schon in Bänden aus Wege der Vereinigungen) eine Rolle spielen, wie z.B. die Rahjageweihte Yasmina saba-es Sulef. Allen Charaktersierungen gemein ist, dass dort immer auch eine Passage zu finden ist, in der das Liebesleben (also primär die sexuellen/erotischen Vorlieben der jeweiligen Person) ausführlicher berücksichtigt wird.   

II. Kritik   

Zunächst muss eindeutig die Nützlichkeit eines solchen Bandes betont werden, die aus meiner Sicht in mehrerlei Hinsicht besteht: Zum einen stellt es eine sehr gute Ergänzung zu den anderen Bänden von Die Gunst der Göttin dar, insbesondere natürlich für den Kampagnenband, aber auch die kürzeren Abenteuer. Auf diese Weise kann man hier ausführlichere Personenbeschreibungen auslagern und den Platz der anderen Bände für inhaltliche Informationen (also z.B. zum Handlungsverlauf oder für Ortsbeschreibungen) nutzen. Gleichermaßen funktioniert das ja auch über besagte Abenteuer hinaus, schließlich kann man die beschriebenen NSC ja auch für andere (z.B. eigene) Szenarien nutzen.

Ganz generell würde ich mich in diesem Kontext über mehr solcher Bände freuen, nach wie vor halte ich gute und vor allem konstant präsente NSC für immens wichtig für den Metaplot und in den Regionalspielhilfen ergibt sich ja immer nur begrenzter Platz und Abenteuer sind ja eher singuläre Produkte. In der Vergangenheit habe ich durchaus moniert, dass wenig neue spannende NSC nach dem „großen Aufräumen“ in der Riege der Figuren der ersten Stunde im Zuge der Splitterdämmerung nachwachsen. Das geschieht nunmehr durchaus, mehr solche Bände könnten das aber noch deutlicher forcieren und natürlich auch ausweiten. Insofern sehe ich hier vor allem einen Wert als Konzeptband, der möglicherweise einen spannenden Impuls für die zukünftige Publikationsstrategie für DSA liefern könnte.

Für den vorliegenden Band würde ich die Nutzbarkeit allerdings insofern etwas einschränken, als dass es sich bei vielen der Charaktere um solche handelt, die sehr stark an das Rahja-Thema angepasst sind. Für die Bände von Die Gunst der Göttin sind sie somit natürlich stimmig, aber in ihrem speziellen Zuschnitt stellen viele von ihnen sicherlich nicht unbedingt typische Figuren für Abenteuer mit anderen, konventionelleren Schwerpunkten dar. Beispielsweise sind dort derart ausführliche Informationen über die erotischen Vorlieben eines NSC nicht so relevant, generell hätte ich mir gewünscht, dass hier noch mehr Fokus auf Aspekte gelegt wird, die Konfliktpotential bieten, z.B. Feindschaften. Das ist aber natürlich keine Kritik an Rahjas Diener, denn hier soll der Band ja genau diese Aspekte liefern. Dennoch denke ich, dass z.B. die Information, dass Garf von Engasaal gerne mit Liebesspielzeugen experimentiert, im Alltag der meisten Spielgruppen keine wirkliche Relevanz hat.

Was ich allerdings etwas schade finde, ist die teilweise mangelnde Vielfalt unter den Figuren. Z.B. fehlt es meiner Meinung nach wieder ein wenig an Exoten. So sind von den 58 Personen 52 Menschen, dazu gibt es eine (Hoch-)Elfe, drei Halbelfen, einen Zwerg und einen Ork. Bis auf wenige Ausnahmen sind zudem fast alle Figuren im Süden Aventuriens beheimatet. Das mag sicherlich auch der Schwerpunkt der Rahjaverehrung sein, allerdings bin ich mir sicher, dass man auch Nordaventurien mit mehr Figuren hätte versehen können.  

Manches ist etwas uneinheitlich gehalten: So merkt man den Szenariovorschlägen an, dass sie erst nach der Kritik an den vielen Leerstellen des Bandes im Vorab-PDF entstanden sind. Man hat diesen Platz eben ausschließlich durch die Szenarien aufgefüllt, so dass Figuren, die vorher schon längere Texte hatten, nur ein Szenario erhalten haben (z.B. Alara Paligan oder Alev ibn Assaban), andere hingegen, die nur über sehr kurze Beschreibungstexte verfügen, haben viele Szenarien auf den Leib geschrieben bekommen, ein Extrembeispiel ist hier Praiosmine Hirnbacher, bei der mehr Szenariotext als Charakterbeschreibung vorhanden ist. Grundsätzlich empfinde ich es aber als löblich, dass im Falle von Rahjas Diener wirklich die Kritik im Vorfeld aufgenommen und darauf angemessen reagiert wurde (was ja leider bei vielen anderen Bänden von Die Gunst der Göttin nicht der Fall ist).       

Keine konkrete Kritik am Band, sondern am Crowdfunding, wäre zuletzt der Aspekt, dass Rahjas Diener meiner Meinung nach innerhalb des Crowdfundings konzeptionell nicht passend genutzt wird. Ich hätte dem Band eine Entlastungsfunktion zugesprochen: Während in normalen Bänden eine Doppelseite für Personenbeschreibungen schlicht nicht sinnvoll ist, also eigentlich eine Kurzbeschreibung mit Werten angebracht ist, kann man sich in so einem Band dann ausführlichere Charakterisierungen holen. Dieser Nutzungszweck verliert sich aber, wenn – wie in Die verlorene Gabe in extremer Häufigkeit geschehen – die langen Personenbeschreibungen komplett abgedruckt werden (minus der Szenariovorschläge).    

II. Fazit

Diener Rahjas halte ich für einen durchaus innovativen Band, der die anderen Bücher des Crowdfundings gut ergänzt (allerdings leider nicht immer so genutzt wird) und viele Zusatzinformationen zu den beschriebenen Charakteren enthält. Somit würde ich mir diese Art von Produkten öfter wünschen, allerdings nicht mit einem derart spezialisierten Fokus (u.a. auf erotische Vorlieben, was natürlich umgekehrt zum Crowdfunding und seinem Thema passt), sondern mit mehr Referenzen auf mögliches Konfliktpotential (was wiederum neue Abenteueranlässe liefern kann). Bewertung: 4 von 6 Punkten

7 Kommentare

  1. Gibt es aus deiner Sicht Meisterpersonen, die hier besonders vielversprechend und brauchbar sind? Wer ist da noch so drin, neben den bekannten von dir aufgeführten Berühmteren?

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    1. Als Mentorfigur fällt mir da z.B. der Anführer der Rahjakavaliere, Tedeo ya Aranori ein.
      Spannend finde ich auch Nira Kalmao-Klippstein, die als Owalla-Anfängerin gegen die Granden auf dem Silberberg vorgeht. Gleiches gilt für die Schlangenhexe Madiana Gravura, die das Gefängnis Madas finden will.
      Persönlich ganz gelungen erscheint mir auch der tragisch angelegte Minnesänger Elmbring von Auen.
      Das sind nur einige Beispiele, aus einigen der Figuren kann man was machen. Zudem hat man hier Beschreibungen quasi der gesamten Führungsschicht der Rahjakirche, damit auch unterschiedliche Strömungen und folglich auch ein gewisses Konfliktpotential

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  2. Meine größte Kritik an dem Band sind die Wertekästen. Die spiegeln häufig die Fähigkeiten der Figuren nicht wieder, z.B. Dottore Vitalius beherrscht laut Beschreibung einen Salander, der nur Körperteile verwandelt – unter den Zauberfertigkeiten ist aber nicht mal ein normaler Salander. Und durch die Entscheidung allen Regelanteil aus WdV wieder rauszulöschen, fehlen natürlich auch die Zauber für die kosmetischen Genitalienveränderungen, die aber im Text sehr stark betont werden.

    Oder die Werte, von NSCs, die einfach aus ihrer Erstveröffentlichung übernommen wurden, ohne sie ihrem Erfahrungszugewinn anzupassen. Beste Beispiele hier: Djidhe, der als kompetenter Schwarzmagier Mitte 30 beschrieben wird, der aber insgesamt nur 6 Zaubersprüche überhaupt hat, von denen der beste einen ZfW 8 auf hat (und natürlich fehlen wieder alle seine Sexualmagie-Sprüche, weil WdV wurde ja redigiert). Oder Yasmina, die als erfahrene Rahjageweihte Anfang 30 von Glück reden kann, wenn ihr ihre Liturgien oder die Rahja-relevanten Talente mal gelingen.

    Ansonsten ist der Band aber tatsächlich einer der besseren Bestandteile des CF.

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  3. Eine wie immer gute Rezension.
    Auf einen Punkt möchte ich kurz eingehen. Der Band scheint in der Reihe der blauen Meisterpersonenbände zu stehen, die ich sehr schätze und oft und gerne für meine Spielabende nutze.
    Gut ausgearbeitete NSCs waren und sind eine große Stärke von DSA.

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    1. Du meinst die lilafarbenen Bände, z.B. „Söldner, Skalden, Steppenelfen“? Da sehe ich aber ein anderes Konzept, denn dort werden ja weniger konkrete Personen, sondern Beispiel für die Charakterkonzepte vorgestellt. Hier sind es konkrete NSC von unterschiedlicher Prominenz, die man als Figuren für Abenteuer nutzen kann.

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  4. Meiner Sicht nach schwankt die Qualität der Meisterpersonen ganz schön. Gerade die mit wenig Text haben auch innerhalb dieses Textes recht wenig Substanz, als wäre zu wenig Zeit geblieben.
    Auch geht man innerhalb des CF nicht konsequent mit den Figuren um, als hätten die Autoren keinen Zugriff auf die jeweils anderen Texte gehabt. Seltsam fand ich das z.B. beim Schneider Marfan. In der Kampagne steht ja auch sein kompletter Beschreibungstext, in dem er als DER Schneider Belhankas geführt wird, weswegen er auch derjenige ist, der der Geliebten der Göttin jährlich das gewand herstellt. In der Kampagne selbst ist das aber Null ersichtlich, wird nirgends erwähnt, obwohl das Herstellen des Gewandes eine Heldenaufgabe ist. Fand ich unglücklich.

    Ich war aber erfreut darüber, dass gerade solche MP aufgenommen wurden, die in der Vergangenheit zwar präsent, aber nicht wirklich ausgearbeitet waren.
    Z.B Malrizio ya Durdidanya, Amaziella Bosvani, Thedeo ya Aranori, Thomeg Aterion, Levaska… Schön, dass man teilweise auch sieht, was aus den Figuren wurde.

    Was hältst du persönlich von den Szenario Vorschlägen?

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  5. Vergiß nicht das früher in den beiden Aventurien-Box beinahe alle hochrangigen NSCs bechrieben, aktualiesiert etc. wurden. Genaueres zu den Figuren kam dann in den RSHs hinzu.
    Wieso DSA nie das Konzept eines NSC-Bandes – wie rech häufig bei D&D (FR) – verfolgte, ist mir schleicherhaft.
    (Und bereits zu DSA4 ging die Personenzahl eher zurück …)

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