Rezension: Kodex des Schwertes

Vorbemerkung: Die ersten Veröffentlichungen der Kodex-Bände waren von viel Kritik begleitet, da viele Spieler*innen sich eine besonders intensive Regelüberarbeitung auserbeten hatten, die sie dort nicht erfüllt sahen. Dies ist insofern relevant, als dass in den Bänden ja nun alle bisherigen Regeln kompakt gebündelt werden und damit auch die Grundlage bilden sollen, ein komplett griffbereites Regelwerk zu haben. Dementsprechend hat sich der Kodex des Schwertes über längere Zeit verzögert, in dem alle Regelerweiterungen zu profanen Angelegenheiten, u.a. Fertigkeiten und Kampf, vor allem aber Optionalregeln gesammelt werden sollen. Nun aber liegt der Band endlich vor und auch wenn ich mich eher als Regellaie betrachte, ist für mich immer die Frage relevant, inwiefern der Band für mich ein praktisches und nachvollziehbar sortiertes Nachschlagewerk darstellt.

In Zahlen:

– 392 Seiten

– 59,95 Euro

– erschienen am 10.8. 2023

I. Aufbau und Inhalt

Das erste Kapitel Grundregeln widmet sich den absoluten Basiselementen von DSA5, die hier erläutert werden. Dazu gehören Proben und ihre Durchführung, Eigenschaften und -proben, Fertigkeiten und -Proben, verschiedenen Arten von Proben (z.B. Vergleichs- und Sammelproben), die Verwendung von Schicksalspunkten sowie Zustände und Status.

Im zweiten Kapitel geht es um die Talente. Zunächst finden sich allgemeine Erläuterungen, z.B. zu Routineproben und Qualitätsstufen, zudem einige Sonderaspekte wie Berufsgeheimnisse. Danach werden die einzelnen Talente vorgestellt, sortiert in die Bereiche Körper-, Wissens-, Gesellschafts-, Natur- und Handwerkstalente. Für jedes Talent wird die dreigliedrige Probe angeführt, danach das Talent beschrieben, ergänzt um die Anwendungsgebiete sowie viele Zusatzaspekte wie Belastung, Auswirkungen einer misslungenen Probe bzw. eines kritischen Erfolges und eines Patzers sowie die Steigerungskosten. Ein kleine Tabelle führt außerdem beispielhafte Handlungen aus und mit welchen Modifikatoren diese versehen sind.

Der Kampf nimmt das 3. Kapitel ein. Zunächst werden wieder die allgemeinen Aspekte thematisiert, u.a. was man unter Kampfrunde und Initiative versteht und welche Aktionen es gibt. Danach wird der Nahkampf gesondert betrachtet, mit allen Elementen, die Attacke und Parade betreffen (inklusive Patzertabelle), kritische Erfolge und Patzer, sowie die Schadensermittlung. Ergänzt wird dies um spezielle Nahkampfregeln, z.B. in Form einer Untergliederung der Nahkampftechniken, Auswirkungen von Rüstungen, zudem Spezialbereiche wie Passierschläge und Hinterhalte, Sicht, Kampf im Wasser, das Führen von Zweihandwaffen. Gesondert werden Regeln zum Reiterkampf und der Fernkampf aufgegliedert. Bei Letzteren werden u.a. die Modifikatoren durch Größe, etwaige Bewegungen des Ziels, Sicht etc. angesprochen sowie generelle Punkte wie kritische Erfolge und Patzer (mit Patzertabelle), auch hier gibt es spezielle Fernkampfregeln für die einzelnen Kampftechniken.

Unter Detailregeln werden im 4. Kapitel viele Sonderregeln angesprochen. Dazu gehören u.a. sozialer Stand, Regeneration und Heilung, verschiedene Schadensformen, Gifte und Krankheiten und Heilkräuter (mit regeltechnischen Vorstellungen der gängigsten Varianten).

Das 5. Kapitel Fokusregeln ist mit über 120 Seiten der längste Einzelbereich des Bandes. Hier sind optionale Sonderregeln zu den verschiedensten Bereichen vorhanden, beispielsweise zu Recherche und Herumfragen, Anbahnen, Lebensstilen, dem Studium von Büchern, Jagd und Nahrungssuche, Abrichtung von Tieren (dazu gibt es auch einige beispielhafte Tiere mit Werten), Herstellung (z.B. von Waffen und Ausrüstungsgegenständen), Hausbau (mit Details für Material oder einzelne Anbauten für eine Burg), Trefferzonenregeln, besondere Patzerregeln für den Kampf, Turnierregeln (mit einem Turnierkalender). Dem schließt sich noch ein kurzes Kapiteln mit Gruppenregeln an.

Das Kapitel Sonderfertigkeiten beinhaltet dann auf ebenfalls fast 100 Seiten die in den vergangenen Jahren entstandenen Spezialbereiche, unterteilt in allgemeine Sonderfertigkeiten, Kampfsonderfertigkeiten, (erweiterte) Talentstilsonderfertigkeiten, (erweiterte) Kampfsonderfertigkeiten und Kampfstile.

Der umfangreiche Anhang beginnt mit einer Checkliste, in der man für seine Spielrunde festhalten kann, welche Optionalregeln man verwenden möchte. Dem schließen sich Tabellen an, u.a. für Talentanwendungsgebiete, aventurische, uthurische und myranische Sprachen und alle Arten von Sonderfertigkeiten. Zuletzt folgt ein Part zu Waffen und Rüstungen, ebenfalls mit vielen Tabellen. Der Band endet mit einem Schlagwortindex.

II. Kritik

Mein erster Eindruck ist in der Tat, dass es sich bei dem fast 400 Seiten starken Band um einen förmlich erschlagenden Backstein handelt, angesichts der Masse an beinhalteten Themenkomplexen und des Detailgrads, der sich teilweise dahinter verbirgt. In dem Band ist ja vieles gebündelt, was in den letzten Jahren u.a. im Aventurischen Kompendium I und II enthalten gewesen ist, aber auch in den Rüstkammern und auch noch weiteren Publikationen. Somit ist es auch ein Stück weit Werkgeschichte und illustriert nachhaltig, wieviel Arbeit bereits in die aktuelle Regeledition geflossen ist.

Was dem Band definitiv gut getan hat, ist die deutlich verlängerte Überarbeitungsschleife, an der sich ja auch die Fanszene mit umfangreichem Feedback beteiligt hat. Der Aufbau wirkt jetzt überwiegend sehr intuitiv und logisch, die einzelnen Bereiche sind passend voneinander abgegrenzt bzw. bedingen sich gegenseitig. Damit bietet sich der basale Teil zu Beginn auch an, in dem die absoluten Grundmechanismen nochmal erläutert werden, auf den dann die Talente folgen und anschließend der Kampf. Das sind die Bereiche, in denen der Band seinen allgemeinen Wert hat, indem Grundwissen für DSA5 vermittelt wird.

Mit dem 4. und 5. Kapitel ändert sich dies, da nun all das vorgestellt wird, was dann in den optionalen Bereich hineingeht. Das ist dann auch der Punkt, an dem DSA seine zwei Gesichter für mich offenbart. Einerseits ist es bemerkenswert, welche Regeltiefe die 5. Version hat. Es gibt nicht nur alles, was ich mir ausdenke könnte, sondern in jedem Bereich mehr davon. Wer Komplexität mag und auch möglichst vieles, was im realen Leben bzw. in der Logik einer Fantasywelt möglich ist, darstellen will, der kommt auf seine Kosten. Man kann seine Charaktere immens ausdifferenzieren, ihren Lebensstil bestimmen, sich eine eigene Festung bauen, ein Ritterturnier darstellen etc.

Gleichermaßen ist das auch der Bereich, an dem es für mich zu einem Komplexitätsmonster wird, vieles davon mutet mir in seiner Kleinteiligkeit völlig absurd an und hat mit meiner persönlichen Definition von Spielspaß wenig bis gar nichts zu tun. Alleine Begriffe wie Talentstilsonderfertigkeiten oder erweiterte Kampfsonderfertigkeiten haben für mich eher den sprachlichen Charme einer Steuererklärung als dass sie den Wunsch nach Eskapismus in eine fantastische Welt mit Monstern und Held*innen in mir aufkommen lassen. Gleichermaßen sind gerade im Bereich der Optionalregeln viele Bestandteile vorhanden, die ich für eher kontraproduktiv halte, z.B. die berühmt-berüchtigten Rechercheregeln. Hier einen Regelkomplex zu haben, ist eigentlich nicht verkehrt, allerdings führen sie in der Realität dann oft dazu, dass dafür eine gründliche Informationsausgabe in Abenteuern entfällt, mit denen man das auch spielerisch erledigen könnte.  

Allerdings sind das ja lediglich meine persönlichen Befindlichkeiten und keine qualitative Einordnung. Genau deshalb passen diese Regeln ja auch in einen solchen Band mit einer Prämisse des vorliegenden, der das Notwendige mit dem Möglichen verbindet. Es schadet ja auch umgekehrt nicht, dass diese Optionen existieren. In dem Kontext gefällt mir auch die ausfüllbare Checkliste für die Sonderregeln, indem letztlich unterstrichen wird, dass die Kapitel mit den Sonderregeln und den Fokusregeln lediglich ein Angebot darstellen, aus dessen Fülle man sich nach Bedarf bedienen kann. Als interessant, aber im Vergleich doch als zu kurz habe ich das Kapitel zu den Gruppenregeln wahrgenommen, in dem es aber weniger um Regeln geht, sondern eher um allgemeine Hilfestellungen im Umgang mit Themengruppen oder Gruppen mit unterschiedlichen Erfahrungsgraden.

Stellenweise kann man über die Relevanz mancher Elemente in dem ohnehin schon enorm seitenstarken Band diskutieren, z.B. ob es noch notwendig ist, neben den allgemeinen Regelbereichen noch eigene Themenkomplexe wie beispielhafte Krankheiten und Gifte oder auch Tiere aufzuführen, da hätte man aus meiner Sicht sicherlich hier und da noch etwas Verschlankung betreiben können.

III. Fazit

Der Kodex des Schwertes ist ein Band mit einer enormen Regeldichte und -tiefe. Innerhalb dessen ergänzen sich basale Anteile (Grundregeln, Fertigkeiten und Kampfregeln) und optionale Angebote (Sonderregeln und Fokusregeln), wobei letztere den Löwenanteil ausmachen. Hier muss man für sich selbst entscheiden, ob man diesen Detailgrad für das eigene Spiel benötigt oder eben nicht. Da ich die Details im Bereich der Regeln (z.B. Balanceeffekte oder mathematische Korrektheit) nicht präzise genug einordnen kann, verzichte ich wie bei den anderen Kodexbänden auch auf eine Punktewertung.     

7 Kommentare

  1. Ich hab mir beim lesen gedacht – wenn man alle Fokusregeln nimmt, dann hat man quasi was bei Runequest Standard ist (welches ich liebe). Aber dann kann man halt auch Runequest spielen, wobei das System eleganter fuer solche Zwecke ist als das DSA mit seinen verkopften kann.
    Trotzdem finde ich vieles spannend und passend wenn man eine bestimmte Gruppe oder Thema hat. Reserche und Lesen ist perfekt fuer eine Scholaren-Gruppe. Jagd fuer… Jaeger usw.
    Da kann man das normale Spiel immer mal wieder auffrischen wenn man neuen Wind will ohne DSA zu verlassen.
    Und sogar eine Sache von WdV findet seinen Nutzen hier.

    Meine einzige Kritik ist wie immer die Obsession alles alphabetisch zu machen. Besser ist es immer thematisch zusammen fassen (hier Kampfstile z.B.) und dann vorab eine alphabetische Liste. Denn sonst ist es richtig schwierig schnell was vergleichen zu wollen, gerade bei Charakter-Erstellung.
    Wie viele Verlage, denkt Ulisses auch nicht an Lesbarkeit und wie es fuer disabled Menschen ist.
    Die Hintergrundfarbe bei Vorteilen/Nachteilen/SF and co werd ich nie kapieren. Im Schatten kann man das nimmer lesen.
    Chapeau fuer bessere Zusammenfassungen und Listen jedoch.

    Als letztes haette noch ein weiterer Edit-Durchlauf nicht geschadet, waere ne gute „lung“ gewesen. (cheers wenn jemand den Typo auch gesehen hat)

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    1. Im Deutschen sagt man ja Behindert/Beschraenkt, aber das finde ich furchtbar, auch weil die Begriffe immer noch als Beleidigung benutzt werden. Daher hab ich mich hier mit den englischen Begriff beholfen (leb auch da). Dachte, ist vermutlich bekannt genug. Anscheinend nicht, sorry.
      Also meint einfach ein Mensch mit jeglicher Art der Einschraenkung, physisch oder psychologisch.
      Hoffe, das hilft.

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  2. Ahh OK, danke für die Aufklärung.
    Da ich soziale Medien aus vielen Gründen meide und auch nicht mehr der jüngste bin, bekommt man Änderungen im Sprachgebrauch nicht wirklich mit. Da steht man ab und an wie der Ochs vorm Berg.

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