Rezension: Aphasmas Boten

Vorbemerkung: Abenteuer für DSK sind bislang dünn gesät und vor allem beinhaltet ja auch jedes Crowdfunding ein neues Setting, das auch spezifische Abenteuer benötigt, um die Hintergrundbeschreibungen nutzen zu können. Für Schleichender Verfall fällt diese Aufgabe der Anthologie Aphasmas Boten zu. Eine Besonderheit ist ja außerdem, dass hier gleichermaßen urbane (Donnerbach) Elemente und Wildnisanteile (für die Salamandersteine) vorhanden sind, die beide auch bedient werden wollen.

In Zahlen:

– 3 Abenteuer

– 48 Seiten

– Preis: 17,95 Euro

– Erschienen am 28.7. 2023

I. Aufbau und Inhalt

Wie immer bei DSK handelt es sich um eine Anthologie, bestehend aus den drei Einzelabenteuern Aphasmas Boten, Pinkle nie an einen Trollstein und So tief der Wald.

Aphasmas Boten

Das titelgebende erste Abenteuer Aphasmas Boten von Carolina Möbis ist das einzige Stadtabenteuer der Anthologie. Darin erhält die Heldengruppe von der Wirtin Offerta Schnellpfote den Auftrag, ein Wollknäuel zu einer Bekannten zu bringen, die ihr daraus eine Decke nähen soll. Dummerweise geht dieses Wollknäuel allerdings auf dem Weg verloren und wird von einem Menschen mit in sein Haus genommen. Als Fluch und Segen gleichzeitig für die Wiederbeschaffung erweist sich folgend der Umstand, dass in dem Haus ein Erwachter lebt. Der Dackel Werg lebt nämlich völlig insoliert, da seine menschlichen Besitzer ihn quasi völlig auf das Haus reduzieren und er somit keine Kontakte zu anderen erwachten Lebewesen hat. Logischerweise ist er somit sozial unerfahren und unbeholfen. Das führt zu einer schwierigen Interaktion, bei der er gleichermaßen klare Forderungen stellt, die seine unterdrückten Sehnsüchte befriedigen sollen, ist er doch unglücklich verliebt. Somit stehen den Spielercharakteren mehrere Möglichkeiten offen, unter anderem diesen Forderungen nachzugeben (was einiges an diplomatischem Geschick erfordert) oder gegen Wergs Willen zu agieren, womit man in das Haus einbrechen muss. Letzteres ruft aber nicht nur den Dackel, sondern auch die menschlichen Bewohner auf den Plan. Entscheidet man sich Werg zu unterstützen, ist für die Spielleitung ein Punktesystem vorhanden, mit dem man Erfolge und Misserfolge bemessen kann.

An vielen Stellen ist das Abenteuer optional angelegt, z.B. kann es neben Offerta auch noch einen anderen Auftraggeber geben. Zudem finden sich auch Anregungen, wie man den Einstieg, in dem die Gruppe ja einen Gegenstand verlieren soll, ohne spürbare Gängelung ablaufen lassen kann. Zuletzt ist die Lösung offen gehalten und es existieren unterschiedliche Alternativen. Das Abenteuer ist insgesamt auch doppelbödig angelegt, da sich der wahre Hintergrund des Wollknäuels den Spielercharakteren erschließen kann, aber nicht zwangsläufig muss. Zur Unterstützung findet sich im Abenteuer außerdem ein Plan von Wergs Zuhause.

Pinkle nie an einen Trollstein

Hinter dem Abenteuer mit dem ungewöhnlichen Titel aus der Feder von Dominic Hladek mag man zunächst eine eher humorige Story vermuten. Allerdings entpuppt sich das als Trugschluss, vielmehr handelt es sich in seiner Ausgangskonstellation um ein sehr dramatisches Abenteuer. Die Heldengruppe befindet sich in Dammstadt, um dort an den Festivitäten zum sogenannten Kreischesommer (einer Art Herbstfest) teilzunehmen. Was unbeschwert anfängt, nimmt schnell eine ernste Wendung, als die Stadt von einem riesigen Steinwesen angegriffen wird, das eine Spur der Verwüstung hinter sich herzieht. Die Kreatur auszuschalten erscheint unmöglich, zunächst besteht die Aufgabe darin, möglichst viele Leben zu retten und Schaden einzudämmen. Somit ergibt sich zu Beginn eher eine Art Katastrophenszenario.

Im zweiten Teil hingegen gilt es, im Auftrag des Stadtrats von Dammstadt die Verfolgung des unbekannten Feindes aufzunehmen und diesen auszuschalten. Ab diesem Moment entwickelt sich ein Wildnisabenteuer. Dabei kann man einerseits versuchen, mehr über die Hintergründe des Wesen zu erfahren. Andererseits muss man Strategien erdenken, wie man einen offenkundig übermächtigen Feind schlagen kann. Hierzu sind unterschiedliche Möglichkeiten im Abenteuer antizipiert worden. Daneben ergeben sich allerdings auch noch andere Herausforderungen, u.a. kann das Wesen unerwartete Unterstützung erhalten.

So tief der Wald

Das Abenteuer von Philipp Baas setzt ebenfalls auf einen Wildnisschwerpunkt. Hier aber steht eher ein Entdeckerplot im Vordergrund, der auf eine sehr ungewöhnliche Art und Weise zustande kommt: Die beiden Schoßkatzen Ayla Topasauge und Torbald Fleckenfell sind eigentlich eher gemütliche Naturen. Allerdings trifft dies nicht auf ihre menschlichen Besitzer Alrik und Dora Steinegger zu, zwei in die Jahre gekommene Gelehrte. Diese nehmen die Chance auf ein letztes großes Abenteuer wahr, indem sie an einer Expedition der Kaiserlich Derographischen Gesellschaft teilnehmen. Ayla und Torbald sollen eigentlich in Donnerbach bleiben, beschließen aber, den beiden Menschen zu folgen, um ihre eigene Heldengeschichte schreiben zu können. Die Heldengruppe erhält dabei die Aufgabe, die beiden völlig unerfahrenen Katzen zu beschützen.

Damit sich daraus ein echtes Abenteuer entwickelt, müssen sich zwangsläufig unerwartete Wendungen ergeben. Diese sind in erster Linie mit der menschlichen Expedition verbunden, die auf mehr Widerstände stößt als erwartet. Dazu sind einige optionale und auch notwendige Ereignisse beschrieben, die in ein dramatisches Finale münden, wobei der Ausgang durchaus offen ist, gerade was Erfolg oder Scheitern betrifft.

II. Kritik       

Zunächst fällt auf, dass die Abenteuer in vielerlei Hinsicht Abwechslung erzeugen. Sowohl das städtische Donnerbach wird mit Handlung bedacht (Aphasmas Boten, der Auftakt von So tief der Wald) als auch die Wildnis der Salamandersteine (Pinkle nie an einen Trollstein, die Haupthandlung von So tief der Wald). Das bedeutet auch, dass unterschiedliche Fähigkeiten gefragt sind, indem mal diplomatisches Geschick vonnöten ist (wenn man mit Werg verhandeln muss oder demjenigen, der hinter der Katastrophe von Dammstadt steckt), mal eher handfeste Qualitäten Problemlöser sind (vor allem im Wildnisteil von So tief der Wald). Alle Abenteuer verfügen dabei über interessante Figuren, mit denen man interagieren muss, gemeinsam ist diesen allerdings, dass sie eher verunsichert sind (was gleichermaßen für den isolierten Werg gilt wie für die beiden „Couchpotatos“ Ayla und Torbald, die eigentlich für eine Expedition völlig ungeeignet sind, in Pinkle nie an einen Trollstein handelt es sich um eine Außenseiter-Figur, die mit plötzlicher Macht überfordert ist).

Aphasmas Boten hat sicherlich ein großes Humorpotential, sind es doch gerade Wergs Wünsche, die der Heldengruppe ungewöhnliche Aufgaben zuweisen, indem sie u.a. als Date-Planer auftreten sollen, was für allerlei Verwicklungen sorgen kann (was im Abenteuer auch gut antizipiert wird). Gleichermaßen gefällt mir dort die Variabilität, man kann sich genauso auch dafür entscheiden, gegen Werg zu arbeiten, womit man eher eine Art Heist-Abenteuer hätte (auch dafür existieren die notwendigen Angaben und vor allem der wichtige Gebäudeplan).      

Der Auftakt von Pinkle nie an einen Trollstein ist an Rasanz sicherlich kaum zu überbieten, wenn man sich urplötzlich inmitten einer Katastrophe befindet. Da der Gegner aus Erwachten-Perspektive zunächst übermächtig ist, fühlt es sich nach meinem Eindruck auch nicht als Gängelung an, wenn man hier das Problem noch nicht beseitigen, sondern im Prinzip nur Schadensbegrenzung betreiben kann. Fast noch spannender als die Konfrontation mit der Urgewalt ist aber nach meiner Auffassung die Aufdeckung der wahren Hintergründe, die eine gewisse Tragik beinhalten, wenn der Urheber Pip kein Erzschurke ist, sondern eigentlich ein Pechvogel, der per Zufall die Kontrolle über ein fast unbezwingbares Wesen erhalten hat. Auch hier sind die Lösungsmöglichkeiten sehr offen gehalten.

So tief der Wald erscheint hingegen vergleichsweise konventionell, wenn hier v.a. viele Gegebenheiten der Spielhilfe in eine konkretes Abenteuer eingewoben werden, z.B. die Shinx oder die Bedrohung durch die Suulaks und die Krächzer. Der Reiz ergibt sich aus der Interaktion mit der parallel laufenden menschlichen Expedition, indem deren Teilnehmer in weit größere Schwierigkeiten hineingeraten und die Erwachten eine Retterrolle einnehmen können.

III. Fazit

Aphasmas Boten ist eine gute Abenteueranthologie, die sowohl Donnerbach als auch die Salamandersteine gelungen als Hintergrundsetting in Szene setzt. Dabei sind sehr abwechslungsreiche Handlungen vorhanden, sowohl was die Aufgaben für die Heldengruppe angeht, als auch durch die interessanten NSC verursacht. Allen Abenteuern gemein ist zudem eine gewisse Variabilität, indem verschiedene Lösungsmöglichkeiten antizipiert werden.

Bewertung: 5 von 6 Punkten               

1 Kommentar

Hinterlasse einen Kommentar