Rezension: Hexennacht

Vorbemerkung: DSA zeichnet sich mittlerweile durch eine extreme Vielfalt an Charakterkonzepten aus, die man auf vielerlei Arten ausdifferenzieren kann, gerade die 4. und 5. Regeledition mit ihrer riesigen Bandbreite haben dazu geführt. Allerdings ist das natürlich das Resultat eines Entwicklungsprozesses, viele Charakterklassen sind nach und nach entstanden. Aus heutiger Sicht sind dabei teils merkwürdige Wege gewählt worden, ein solches Beispiel stellt das Abenteuer Hexennacht von Sandra Stöcker dar, in dem die Hexe im Anhang als spielbare Klasse eingeführt wird. Eingebettet ist dies aber in eine Abenteuerhandlung, die auch die Lebenskultur der aventurischen Hexen vorstellen soll. Wie immer bei den Klassikern stellt sich auch hier die Frage, inwieweit Inhalt und Handlung gut gealtert sind.

In Zahlen:

– 28 Seiten

– Preis: 12,95 Euro

– Erschienen am 27.10. 2023 (im Original 1988)

I. Aufbau und Inhalt  

Die Einführung findet einmal mehr in Form eines Vorlesetextes statt, in dem die Heldengruppe auf dem Weg von Donnersbach (der Name war wohl damals noch leicht anders) nach Gareth ist und von einer alten Frau dazu aufgefordert wird, den Weg durch den Blautann abzukürzen, wo sich Hexen und Schätze befinden sollen. Kaum im Wald, werden sie von einer Hexe angesprochen, ob sie sich ein ordentliches Sümmchen verdienen wollen, wozu sie auf einer Hexennacht mit verzauberten Instrumenten für die Unterhaltung sorgen sollen. Selbstverständlich bleibt es aber nicht bei dieser eher gemütlichen Aufgabe, sondern zügig stellt sich das eigentliche Abenteuer ein. Vermisst wird nämlich die Oberhexe Luzelin, was wenig später durch eine Botschaft aufgelöst wird: Diese wurde von der Hexe Achaz entführt und für deren Freilassung fordert sie die Herausgabe des Kessels, in dem auf dem Hexentreffen eigentlich gemeinsam die Flugsalbe für die kommenden Monate hergestellt werden sollte.  

Folgend soll die Heldengruppe einerseits die Übergabe organisieren und sich andererseits an Achaz Fersen heften, um sie aufzuspüren. Dabei ergeben sich eine Reihe von merkwürdigen Begegnungen und Ereignissen, die natürlich oftmals mit Hexenmagie verbunden sind. Ebenso gilt es einige Örtlichkeiten aufzusuchen, für die jeweils Raumbeschreibungen und Karten existieren.

Die letzten 4 Seiten verlassen den Abenteuerbereich und stellen die Regelergänzungen vor, die man damals benötigte, um eine Hexe spielen zu können. Dazu gehört eine allgemeine Hintergrundbeschreibung, die u.a. Satuarias Geschichte erzählt und die Regelvoraussetzungen vorstellt (u.a. dass ein hohes Charisma bei der Generierung eine Voraussetzung ist). Ebenso werden die damaligen 7 Hexenzauber mit allen Regeln thematisiert, genauso wie die verschiedenen Vertrautenarten und deren Magie.

II. Figuren

Dominant im Eindruck ist natürlich die Hexe Achaz als Gegenspielerin, deren Pläne es zu durchkreuzen gilt. Direkte Konfrontationen finden allerdings meist eher kurz statt, da man meist die Rolle der Verfolgenden einnimmt. Achaz ist in der Darstellung anscheinend eine verbitterte Außenseiterin, die sich gegen die Gemeinschaft stellt, weil sie ihre eigenen Pläne verfolgt.

Bemerkenswert ist außerdem die Einführung von Luzelin vom Blautann, die in der DSA-Historie im Kontext der Rückkehr Borbarads eine gewichtige Rolle einnimmt und somit eine der prominentesten Vertreterinnen unter den Hexen Aventuriens ist. Allerdings ist auch sie in der Interaktion nur wenig präsent, da sie als Entführte ebenfalls lange Zeit nicht in direktem Kontakt mit den Spielercharakteren steht.

III. Kritik

Hexen sind ikonische Wesen, sowohl was unsere reale Historie betrifft (eben in sehr unguten Kontexten wie der Hexenverbrennung), als auch in der Literatur, beginnend bei den Märchen bis hin zu einer moderneren, ambivalenteren Darstellung. Somit erscheint es selbstverständlich, dass auch DSA früher oder später auf dieses archetypische Charakterkonzept zurückgegriffen hat, immerhin hat es aber bis 1988, eben bis zum Erscheinen von Hexennacht, gedauert. Somit gebührt dem Abenteuer das Verdienst, dieses heute unverzichtbare und beliebte Element spielbar eingeführt zu haben. Im Abenteuerhintergrund wird dabei eine Mischung aus tradiertem Klischee und modernen Ansätzen verwendet: Achaz als Antagonistin entspricht klar dem klassischen Bild der bösen, hässlichen Hexe, die mitleidlos und grausam vorgeht und anderen Wesen Schaden zufügt (immerhin wird sie nicht nur als Entführerin, sondern auch Tierquälerin dargestellt). Dem gegenüber steht der Hexenzirkel vom Blautann, dessen Mitglieder durchweg freundlich agieren und deren Hexennacht ein fröhliches und unbeschwertes Fest ist.

Die Regelanteile in ein Abenteuer einzusetzen ist aus heutiger Sicht sicherlich eine fragwürdige Entscheidung, allerdings darf man dabei nicht vergessen, dass DSA damals bei weitem noch keine solche Systematik in der Weiterentwicklung hatte wie heute. Die Regeln selbst sind natürlich sehr basal, statten die Hexe aber direkt mit einigen sehr passenden und größtenteils heute noch bekannten Fähigkeiten und Zaubern aus, ebenso wird hier schon das besondere Vertrautenkonzept eingeführt. Gleichermaßen finden sich in der Abenteuerhandlung auch schon andere Setzungen, z.B. das gemeinsame Brauen der Flugsalbe in der Hexennacht.

Was den Abenteuerinhalt betrifft, ergibt sich für mich ein sehr durchwachsener Eindruck. Das Abenteuer ist sehr linear aufgebaut und das reicht – typisch für diese Phase von DSA – soweit, dass die Autorin die Spielleitung immer wieder dazu auffordert, bestimmte Situationen gar nicht entstehen zu lassen, unabhängig von den Handlungen der Spieler*innen und somit sind solche Aufforderungen wie „Lassen Sie es also nicht zu einem Kampf mit der Hexe kommen“ vorhanden. Das führt stellenweise zu einer sehr eingeschränkten Handlung, in der man nach der Hexennacht und einem missglückten Austausch zwei potentielle Aufenthaltsorte der Hexe aufsucht, bis es gelingt, Luzelin zu befreien. Unterm Strich hat das etwas Statisches. Zudem gibt es weder mit Achaz noch mit Luzelin eine tiefergehende Interaktion, so dass beide Charaktere zwar ihre Funktion als Gegenspielerin bzw. Entführungsopfer erfüllen, man sie aber nicht wirklich in Aktion erlebt, was insbesondere bei Achaz enttäuschend ist, da sie im Finale nach Planung der Autorin gar nicht anwesend ist, was ihr schlicht sehr viel an möglicher Wirkungsmacht nimmt.

Umgekehrt verfügt Hexennacht in den Details über viele schöne Ideen, beginnend mit der Aufgabe als Orchester mit selbstspielenden Instrumenten (die auch eine sehr originelle Belohnung darstellen können), dem Erforschen des Hexenhauses und – als mein persönliches Highlight – die Interaktion mit einer wandelnden Hütte. Das sind Elemente, die sehr reizvoll sind und die auch für die Spieler*innen passende Aufgaben ergeben. An einigen Stellen finden sich zudem schon etwas modernere Ansätze, z.B. sind die Beschreibungen in den Gebäuden nicht völlig statisch, sondern es werden teilweise weiterührende Konsequenzen genannt, was passiert, wenn die Gruppe bestimmte Aktionen durchführt.  

Wie immer fallen auch einige anachronistische Details auf, z.B. würde man eine Hexe heute sicher nicht mehr Achaz nennen und auch ihr Begleiter Nirraven entspricht nicht mehr der heutigen Setzung des Dämons, auch wenn versucht wird, dafür eine plausible Erklärung zu finden.  

IV. Fazit

Hexennacht hat die Einführung der Hexe und der dazugehörigen Hintergrundelemente als historisches Verdienst. Das Abenteuer selbst ist sehr gradlinig aufgebaut und hat die damals üblichen Gängelungstendenzen, generell ist die Handlung im Ablauf eher unspektakulär, auch weil die Figuren wenig zur Geltung kommen. Dafür sind immer wieder schöne Details enthalten, die sehr ungewöhnlich sind.

Bewertung: 3 von 6 Punkten     

1 Kommentar

  1. Das Abenteuer gehört zu dünnen Reihe, hat also weniger Seiten als normale DSA-Abenteuer; für ein AB mit Regelteil wohl etwas zu dünn. Es folgte ja mit dem „Im Zeichen der Kröte“ ein zweites Hexenabenteuer mit Regelteil, und es gab noch ein Travia(geweihte) und das Schelmenabenteuer (1988).
    Letzteres wurde in derZauberZeit No.12 (Sep/Okt 1988, S.49f) besprochen; der Schlußsatz paßt auch zu „Hexennacht“ (1988): Insgesamt ist das A. etwas zu kurz geraten. Darüber hinaus ist es bedenklich, neue SCs in Modulen vorzustellen, denn falls der „Schelm/Hexe“ in der zu erwartenden Box „Magie dSA“ (1989) noch einmal behandelt wird, hat der SL für dieselben Informationen doppelt bezahlt, läßt man sie aber aus, entgeht allen Spielrunden, die das Modul nicht besitzen, jene.“ (Der Schelm wird als orginellster Charaker bezeichnet.)
    Trotzdem ein schönes Abenteuer, und Luzelin, Achaz und Hühnerbein sollte man irgendenwann wieder begegnen 🙂

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