Rezension: Heldenwerk Archiv VII

Vorbemerkung: Der Oktober bringt jedes Jahr ein kleines DSA-Highlight mit sich, weil dann das neue Heldenwerk-Archiv erscheint, das einen Jahrgang der Kurzabenteuer (ergänzt um das Con-Abenteuer des aktuellen Jahres) mit Zusatzmaterial ausbaut. Damit erhält man immer eine Anthologie kurzer, schnell spielbarer Abenteuer. Auch wenn ich gerade am Umgang mit dem Platz immer wieder mal etwas zu mäkeln habe, bin ich dennoch ein großer Befürworter des Format. Mittlerweile sind wir beim Heldenwerk-Archiv VII angekommen, damit kann man sicherlich auch von einer kontinuierlichen Erfolgsgeschichte sprechen. Wie immer bei den Archiven werde ich die ursprünglichen Rezensionen nur noch verlinken und beschränke mich rein auf die Besprechung des Zusatzmaterials.

In Zahlen:

– 128 Seiten

– 7 Abenteuer

– Preis: 34,95 Euro

– Erschienen am 27.10. 2023 

I. Aufbau und Inhalt

Wie sonst auch sind alle 7 Abenteuer in der Form abgedruckt, in der sie bereits als Einzelheft erschienen sind. Dazu hat jedes Abenteuer ein Vorwort der Autor*innen erhalten, in dem sich zumeist ein paar Worte zur Genese der Handlung finden. Am Ende das Originalplots sind dann jeweils 2-6 Seiten Zusatzmaterial angehängt worden.  

Gebet an die Tiefe

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Benjamin Bahr beschreibt in seinem Vorwort die lange Genese seiner Idee eines Konflikts der Meeresgötter, die in weit größeren Dimensionen begann und dann im Heldenwerk in einer anderen Form realisiert wurde. Das Zusatzmaterial beinhaltet zunächst noch drei Quelltexte, in denen Anhänger der drei konkurrierenden Gottheiten zu Wort kommen. Konkret werden dem zentralen Antagonisten zwei nützliche Helfer an die Hand gegeben, mit denen man dessen Möglichkeiten erweitert. Zudem erhält man einige Zusatzinformationen über die Geschichte des Handlungsortes. Für das Finale werden die Optionen mit dem Antagonisten umzugehen, um vier verschiedene Varianten ausgebaut, außerdem finden sich zwei weitere Wertekästen mit Gegnerkreaturen.

Eine vergessene Mine

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Andreas Landmesser steigt mit einem humorigen Beispiel aus einer Testspielrunde in sein Vorwort ein und erläutert darin generell den immensen Wert solcher Runden, um das Endergebnis zu optimieren. Die beiden Seiten des Zusatzmaterials konzentrieren sich voll auf die Handlungen des wichtigsten Antagonisten, bei dem im eigentlichen Abenteuer davon ausgegangen wird, dass er sich der Heldengruppe zum Kampf stellt. Hier wird nun eine alternative Möglichkeit ausgebaut, indem dessen Fluchtversuch skizziert wird bzw. wie man diesem Versuch begegnen kann. Dabei werden einige Wildnisparts beschreiben. Zusätzlich wird noch auf einen möglichen Prozess vor Gericht eingegangen und die Option auf eine größere Belohnung für die Heldengruppe.

Puppenspiel

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David Frogier de Ponlevoy outet sich in seinem Vorwort als Sprachliebhaber und beschreibt die Ideenfindung des Abenteuers ausgehend von dem Begriff Mirhamionette. Die Bonusinhalte sind auf unterschiedlichen Ebenen angelegt. Zunächst finden sich einige Spielleitungstipps, u.a. zur Darstellung unterschiedlicher Figuren (da ja Theatralik ein wichtiger Bestandteil der Handlung ist). Zusätzlich erhält man Anregungen, wie man bestimmte Elemente des Abenteuers stärker betonen kann. Genauso wird die Theaterhandlung etwas ausgebaut, mit Blick darauf, was die Spielercharaktere daraus an Informationen entnehmen könnten. Die Figurenebene wird durch eine weitere Person ausgebaut, die auftritt, falls man Hilfe von außen erhalten möchte. Die entsprechende Magierin kann u.a. als Störfaktor verwendet werden. Generell wird das Gebäudeinnere um einige vornehmlich magische Effekte ergänzt, die die Besonderheit des Schauplatz noch unterstreichen.    

Wolfsherz

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Auch Julia Beske beschreibt kurz die Entstehung ihres Abenteuers während eines heißen Sommers, der stark im Kontrast zum frostigen Handlungsort steht. Das Abenteuer selbst erhält einen verstärkten Krimi-Aspekt, indem die zwei Bonus-Seiten dafür genutzt werden, die Handlungen einer Nebenfigur stark auszubauen. Diese steuert eine Reihe von Verdächtigungen bei, die den Tod der Schamanin betreffen. Das wird konsequent für alle Kapitel umgesetzt bzw. fortgeführt, so dass ein komplett neuer Handlungsstrang entsteht.

Der Trovere

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Dominic Hladek erläutert, wie er und Ralf Kurtsiefer unabhängig einen Bezug zur Verdi-Oper entwickelten und dann zusammen auf das Projekt zur Umsetzung als Heldenwerk/Oper kamen. Dabei beschreibt er auch, welche Änderungen im Vergleich zur Vorlage vorgenommen wurden. Das Abenteuer wird nicht um neue Handlungsteile erweitert, stattdessen erhält die Spielleitung auf 6 Seiten umfangreichere Beschreibungen der zentralen Figuren (teils im Umfang von 1,5 Seiten). Insgesamt handelt es sich dabei um 6 NSC, die zusätzlich auch noch mit entsprechenden Wertekästen versehen wurden.

Der Flucht der Seestern

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Matthias Willems schildert verschiedene Phasen, in denen er das Abenteuer konstruiert hat und in denen der Schauplatz mehrfach verlagert wurde, bis zuletzt die Küstenregion Havenas auserkoren wurde. Das Bonusmaterial setzt vor allem auf den Ausbau von vorhandenen Elementen des Abenteuers. So wird die Anwerbung in Havena durch die Kapitänin Seola Wolfshoven hinzugefügt und auch die Seereise wird um eine Kampfbegegnung erweitert. Ebenso erhalten verschiedenen Bereiche der Insel Anfügungen, die u.a. mehr Gegner beinhalten.

Frevlerwacht

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In ihrem Vorwort gehen Anni Dürr, David Lukaßen und Jens Marx vor allem auf die Person des Auftraggebers Amando Laconda da Vanya ein, u.a. wird auf einige seiner bisherigen Auftritte in Abenteuern referiert, zudem werden Ansätze zu einer Verknüpfungen mit dem Rahja-Kampagnenband Die verborgenen Gabe vorgestellt. Diese Perspektive ergibt sich durch das dreiseitige Bonusmaterial, das das Abenteuer um ein erweitertes Ende verlängert. Dabei wird von einer erfolgreichen Mission ausgegangen, in deren Folge anlässlich der Einweihung des neuen Rahjatempels in Elenvina die pervertierte Keule vernichtet werden soll. Dazu ist ein aufwändiges Ritual geplant. Hier ergeben sich allerdings deutliche Komplikationen und die Heldengruppe muss versuchen, eine Katastrophe abzuwenden, was durchaus epischen Charakter annimmt.

II. Kritik

Einmal mehr kann ich schon in der Sammlung der Basishefte dem Heldenwerk-Archiv VII bescheinigen, dass man eine abwechslungsreiche Anthologie erhält, auch weil ich diesmal eine Reihe von Highlights sehe, u.a. mit den sehr gelungenen Abenteuern Gebet an die Tiefe, Der Fluch des Seestern und Frevlerwacht, die ich auch innerhalb der Reihe für sehr starke Vertreter unter den Heldenwerken halte. Hinzu kommen noch Puppenspiel und Wolfsherz an denen ich die originellen Storyschwerpunkte schätze, indem man etwas andere Aufgaben erhält, als man es normalerweise gewohnt ist. Ebenso stimmt die Mischung aus epischen Handlungen, vor sehr atmosphärischen Hintergründen mit reizvollen Dungeons (Frevlerwacht, Gebet an die Tiefe), offenen Arealen, in den man sich frei bewegen kann (Der Fluch der Seestern), einem closed-Room-Krimiszenario (Puppenspiel), Intrigenspielen (Der Trovere) und intensiver Interaktion mit ungewöhnlichen Figuren (Wolfsherz). Zudem kann man unterschiedliche Regionen Aventuriens aufsuchen, von Hohen Norden bis hinunter nach Almada, zwei der Abenteuer haben außerdem einen maritimen Zuschnitt.            

Was das Bonusmaterial angeht, fällt primär auf, dass diesmal extrem unterschiedliche Ansätze vertreten sind: Eine Reihe von Abenteuern setzen eher auf ein gewisses Sammelsurium mit unterschiedlichen neuen Inhalten oder Szenenergänzungen (Gebet an die Tiefe, Der Fluch der Seestern, Puppenspiel), Die vergessene Mine baut eine neue Option für einen Teil der Handlung ein, Wolfsherz erhält einen neuen durchgehenden Handlungsstrang und Frevlerwacht wird um ein neues Ende ausgebaut. Der Trovere hingegen wird auf der Handlungsebene gar nicht verändert, stattdessen erhalten die Figuren mehr Tiefe durch viel längere Charakterbeschreibungen. Tatsächlich gefällt mir der konstante Ausbau von Abenteuern deutlich besser als die vielen kleinen Teilergänzungen. Diese fallen mir unterschiedlich stimmig auf, z.B. gefällt mir bei Puppenspiel die Magierin als zusätzlicher Charakter sehr gut, die Darstellungstipps für die Spielleitung sind dafür etwas, wofür ich keinen Raum verwendet hätte. Gleichermaßen ist in Gebet an die Tiefe der Ausbau der Möglichkeiten des Antagonisten eine passende Idee, während ich in den zusätzlichen Quelltexten keinen Sinn erkenne, da für mich nicht ersichtlich ist, wie man sie in einem Abenteuer ohne Rechercheteil einsetzen soll. Bei Der Fluch der Seestern sind es für meinen Geschmack zu viele Miniergänzungen, hier wäre es für mich sinnvoller gewesen, sich auf 1-2 Elemente davon zu konzentrieren und diese intensiver auszubauen. Die vertiefenden Charakterbeschreibungen in Der Trovere sind sicher nützlich, umgekehrt empfand ich die kürzeren Charakterisierungen des Originals nicht als dessen Kernschwäche, stattdessen hätte ich mir mehr klare Verortung in Aventurien erhofft, nach wie vor bleibt für mich die Schwäche, dass ich zu sehr eine zu tiefgehende Adaption der irdischen Vorlage sehe.

Bei Eine vergessene Mine halte ich die Grundidee einer Flucht für durchaus gelungen, allerdings empfinde ich den Ausgang als völlig unbefriedigend, wenn die Setzung letztlich ist, dass unabhängig von den Handlungen der Heldengruppe der Antagonist letztlich aufgibt. Das nimmt dem Handlungsstrang aus meiner Sicht nachträglich den Reiz, stattdessen wäre für mich ein Konzept sinnvoller gewesen, wie man Erfolge oder Misserfolge bei der Verfolgung darstellen kann und wie diese Einfluss auf den Ausgang haben. Frevlerwacht hat einen extrem epischen Ansatz, der auch darauf abzielt, einem wichtigen NSC einen großen Auftritt zu verschaffen. Das gefällt mir als Idee absolut und auch das, was als Ablauf skizziert wird, erscheint mir sinnvoll. Für ein Ereignis die Größe, indem plötzlich massives Chaos herrscht und man einer gewaltigen Bedrohung ausgesetzt ist, sind drei Seiten allerdings viel zu wenig, das erscheint mir fast schon Stoff für ein eigenes Abenteuer. Den besten Ausbau hat nach meiner Auffassung Wolfsherz erhalten. Der neue begleitende Handlungsstrang fügt dem Abenteuer noch ein zusätzliches Krimielement hinzu und das wird auch konsequent verfolgt, indem alle Phasen der Handlung berücksichtigt wurden.

Ganz generell halte ich es für günstiger, sich auf einen Handlungspart zu fokussieren, anstatt zu viele kleine Teile neu einbauen zu wollen, das hat für mich trotz einiger guter Ideen etwas den Charakter einer gewissen Beliebigkeit, konsequent ausgebaute Parts sehe ich da als günstiger an. Dafür wurde diesmal auf den von mir als wenig reizvoll empfundenen Ansatz verzichtet, Verknüpfungen einzelner Abenteuer untereinander als Bonusmaterial anzubieten. Stattdessen vermisse ich es nach wie vor etwas, dass konsequenter an den Schwächen der Abenteuer gearbeitet wird. Einen Erklärungsansatz bietet hier das Vorwort, in dem Niko Hoch anmerkt, dass die Zusatzparts immer schon direkt mit dem Heldenwerk erstellt werden. Das mag zwar redaktionell günstig sein, weil man alles direkt zusammen erhält und in einem Arbeitsgang durchgehen kann. Somit verpasst man aber die Möglichkeit, das Feedback aus der Community aufzunehmen, was ja mitunter auch Anregungen liefern kann. Das ist allerdings kein echter Kritikpunkt am vorliegenden Band, sondern eher ein Denkanstoß an das redaktionelle Vorgehen.

III. Fazit

Das Heldenwerk-Archiv VII ist eine gelungenen Anthologie an Heldenwerk-Abenteuern, in der Zusammenstellung auch insofern empfehlenswert, weil es sich im Schnitt um gute Vertreter des Kurzformats handelt. Das Bonusmaterial sehe ich als eher durchwachsen an, die Mehrzahl der Abenteuer setzen etwas zu sehr auf viele Kleinerweiterungen, den Ausbau eines größeren Einzelelementes halte ich für sinniger.                       

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