Rezension: Im Reich der Königinnen

Vorbemerkung: Die Schwarze Katze hat mich bisher als Spielsystem sehr überzeugen können, sowohl was seine Regelleichtigkeit angeht als auch in der Präsentation der Hintergrundwelt durch die Spielhilfen. Was ich allerdings noch als ausbaufähiges Feld angesehen habe, ist der Abenteuerbereich. Die DSK-Abenteuer halte ich zwar mehrheitlich für qualitativ durchausgelungen, allerdings handelt es sich bisher ausschließlich um sehr kurze Plots, da nur Anthologie-Abenteuer oder Pfotenwerke (bzw. andere Kurzabenteuer) erschienen sind. Somit sind die dahinterstehenden Geschichten immer sehr überschaubar, größere Handlungsbögen hat es daher noch nicht gegeben. Dies ändert sich jetzt mit Im Reich der Königinnen von Matthias Willems und Philipp Baas, dem bislang längsten Einzelabenteuer, das gleichzeitig auch einen neuen Schauplatz vorstellt. Dem Klappentext und dem Cover zufolge werden dabei auch deutlich düstere Töne als bisher angeschlagen.

In Zahlen:

– 66 Seiten

– Preis: 19,95 Euro

– Erschienen am 14.12. 2023

I. Aufbau und Inhalt

Im Ganzen verfügt der Band über eine Zweiteilung, indem zunächst als neuer Schauplatz Niriansburg im Stile der bisherigen DSK-Spielhilfen vorgestellt wird und dann mit Im Reich der Königinnen der konkrete Abenteuerinhalt folgt.

Niriansburg ist ein aus menschlicher Sicht eher unscheinbarer Ort in der Nähe von Havena. Dominiert wird der Schauplatz von der Burg Niriansee. Teile der Burg wurden im letzten Krieg verheert und somit handelt es sich partiell um eine Ruine. Die Folgen des Krieges sind aber auch im Dorf spürbar, herrscht dort doch überwiegend Armut und Mangel, was sich auch auf das Leben der dortigen Erwachten auswirkt. Für Erwachte aus Havena stellt Niriansburg dennoch einen attraktiven Anlaufpunkt dar, hält sich doch das Gerücht, dass man dort Krankheiten und Gebrechen aller Art heilen kann.

Dementsprechend werden zunächst mögliche Anreisearten beschrieben, bevor auf die wichtigsten Örtlichkeiten von Niriansburg eingegangen wird. In bewährter Tradition findet dies in Form eines Rundgangs statt, der aus der Sicht des Katers Zerzio vom Dach geschildert wird. Getrennt wird zwischen dem Ort und der Burg, die eine gesonderte Beschreibung erhalten hat. Offenkundig werden eine Vielzahl von Konflikten, da in letzter Zeit mehrere Erwachte verschwunden sind und unterschiedliche Fraktionen sich uneins sind, wie man dieser Bedrohung Einhalt gebieten kann, wobei sie sich natürlich gegenseitig der Urheberschaft beschuldigen. An dieser Stelle werden auch die titelgebenden Königinnen angesprochen, die die Vorherrschaft über den Ort für sich beanspruchen. Durch den vorherigen Krieg hat es zudem viele Tote gegeben, so dass viele Geister umhergehen, die von Erwachten wahrgenommen werden können. Sowohl für den Ort als auch für Burg Niriansee existieren jeweils eine Karte. Ebenso finden sich Charakterisierungen der zentralen NSC. Dazu kommen noch einige Regelerweiterungen in Form des sogenannten Nachtjägers (eine Art Untotenjäger im Stil von Abraham van Helsing) und dazu passendes neues Heldenwerkzeug und Sonderfertigkeiten. Dem düsteren Setting entsprechend werden im kleinen Bestiarium Vampirkatzen, Untote Katzendiener, Hunde-Ghule und Lebende Puppen aufgeführt. Für die Spielleitung ist auch ein Mysterienkapitel hinzugefügt worden.

Dieser gesamte Hintergrund wird dann im über 30seitigen Abenteuer Im Reich der Königinnen genutzt. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Heldengruppe sich aus Havena nach Niriansburg begeben hat. Hier folgt ein kurzer Überblick über den Ort (nun nicht mehr in Ingameperspektive, sondern für die Spielleitung aufgearbeitet). Als direkter Einstieg fungiert die Rettung der jungen Minka, die von mehreren anscheinend untoten Katzenwesen angegriffen wird. Die junge Katze ist gleichermaßen verstört wie dankbar und führt die Gruppe zu dem Ort, wo viele lokale Katzen sich des Nachts zusammenfinden. Dort trifft man auch auf Kara Goldfell, die sich selbst als Königin von Niriansburg bezeichnet. Sie beauftragt die Spielercharaktere den rätselhaften Vorfällen der jüngeren Zeit auf den Grund zu gehen, wobei sie sie vor allem auf einen Kater namens Fargo Eisenkralle verweist, der vor kurzem noch Mitglied ihres Rudels war, sich aber mit einigen Anhängern nun davon abgespalten hat.

Für den folgenden Erkundungsgang durch den Ort sind einige Zufallsbegegnungen aufgearbeitet worden, mit denen die wichtigsten Fraktionen eingeführt werden. Schnell ergibt sich dabei die Erkenntnis, dass hier viel Misstrauen untereinander herrscht und die vielen Konflikte der Parteien den Blick für die wirklichen Hintergründe verstellen. Somit dürfte es nach und nach gelingen, die wahren Ursachen für die Entführungsfälle zu entdecken. Zuletzt dürfte sich ein durchaus episches Finale ergeben, das relativ offen angelegt ist, da unter anderem viele diplomatische Varianten existieren, z.B. kann es durchaus gelingen ein breites Zweckbündnis zu schmieden, damit alle Erwachten gemeinsam der Gefahr gegenüberstehen.

II. Figuren

Ein bestimmendes Element des Settings sind die dominanten Anführerfiguren Kara Goldfell und Fargo Eisenkralle. Beide haben viele Anhänger um sich geschart, denen sie in der düsteren und mangelgeprägten Umgebung Hoffnung geben. Gleichermaßen eint die beiden einstigen Verbündeten mittlerweile nur noch ein inniger Hass aufeinander. Ein wichtiger Begleiter kann außerdem Zerzio vom Dach sein, der als ortskundiger Führer fungieren dürfte. Im Verlauf des Abenteuers kommt es zu Begegnungen mit weiteren relevanten NSC, unter anderem ergibt sich die Erkenntnis, dass Kara nicht die einzige Person ist, die den Titel einer Königin von Niriansburg für sich beansprucht.       

III. Kritik

Wie aus der Inhaltsbeschreibung deutlich wird, handelt es sich bei Im Reich der Königinnen tatsächlich um das bislang längste DSK-Abenteuer, allerdings mit der Einschränkung, dass nur in etwa die Hälfte des Textes den Abenteuertext darstellt, während der Rest eine Spielhilfe ist, die Niriansburg in Ganze als spielbaren Schauplatz vorstellt.

Interessant erscheint mir dabei der tonale Wandel, den DSK mit diesem Abenteuer weiter vorantreibt. Die Schwarze Katze (also der Havena-Band) hatte einen deutlich leichteren Ton und mit den optionalen Kinderregeln auch viel kindgerechte Anmutungen bzw. war so angelegt, dass es sich gleichermaßen an Erwachsene wie auch an Kinder richten kann (dementsprechend gab es auch Kinderregeln). Schon Brüchiger Frieden mit seinen deutlich ernsteren Konflikten nimmt dort einen gewissen Wandel vor. Der vorliegende Band allerdings geht in dieser Hinsicht deutlich weiter, handelt es sich doch um ein klares Grusel- und Horrorsetting. Dabei wird reichlich in das Füllhorn gegriffen, indem die menschlichen Geister noch die harmloseste Variante darstellen, denn es kommen noch Vampirkatzen, Sekten, die Erwachte quasi opfern, zombieähnliche Wesen und ein Ghulhund hinzu.

Das alles wird aber nicht willkürlich zusammengewürftelt, sondern wirkt in den Verbindungen absolut stimmig, indem die menschlichen Geistererscheinungen für manche Phänomene ursächlich sind und gerade auch die Konflikte der Erwachten untereinander mit all dem Misstrauen zusätzlich dafür sorgen, dass sie nicht in der Lage sind, das komplette Bild zusammenzufügen, sondern auf die Hilfe der Heldengruppe angewiesen sind.

Neben den handfesten Aspekten, in denen man sich mehrfach seines Fells erwehren muss, kommt auf die Spielercharaktere somit auch gleichermaßen viel Recherche zu und zuletzt sind auch diplomatische Fähigkeiten gefragt, da die Bedrohung so gestaltet ist, dass man ohne eine gewisse Anzahl an Verbündeten kaum erfolgreich sein kann. Dies ist verbunden mit einer reizvoll angelegten Personenriege mit sehr vielen Einzelcharakteren, die durchaus komplex zusammenhängen. Gerade der interaktive Anteil ist somit ein gelungener Schwerpunkt.

Die zweite große Stärke liegt für mich in der Atmosphäre, die gestaltet wird, die einerseits durch das Gruselsetting bestimmt wird und andererseits durch die dramaturgischen Abläufe. Niriansburg ist ein weitgehend geschlossener Raum, wenn man sich einmal dort befindet, ist es nicht leicht, sich den dort herrschenden Einflüssen zu entziehen. Das erinnert alles ein wenig an alte Hammer-Filme mit Dracula und Co. als Protagonisten, die neue Profession der Nachtjäger mit ihrem pseudo-technisch anmutenden Kampfgimmicks wirkt zudem recht eindeutig von dem Spielfilm Van Helsing (mit Hugh Jackmann als titelgebender Vampirjäger) inspiriert. Die Handlung nimmt zudem immer größere Dimensionen an, aus der Befreiung Minkas entwächst weit mehr als das Ausschalten einer lokalen Gefahr, gerade der Endkampf dürfte recht episch ausfallen und hat durch die Ziele der Antagonisten eine Relevanz, die weit über Niriansburg hinausragt.

Freilich ist die offenen Anlage auch eine Herausforderung für die Spielleitung, gerade das Ende ist sehr vage gehalten, da viele unterschiedliche Verläufe der Ereignisse denkbar sind. Zudem ist die Personenkonstellation insgesamt doch recht komplex und wird von vielen Personen und Fraktionen bestimmt. Hilfreich wäre hier vielleicht eine etwas kompaktere Übersicht über die einzelnen Parteien und ihre jeweilige Agenda, dies sind oft sehr über den Band verteilt, sowohl im Spielhilfe- als auch im Abenteuerbereich. Beide Textanteile sind für mich im Ganzen aber gut verbunden, z.B. indem man den Stadtrundgang mit Zerzio tatsächlich genauso nutzen kann, wie er hier abgedruckt ist.

IV. Fazit

Im Reich der Königinnen ist aus meiner Sicht der bislang stärkste Abenteuerband für Die Schwarze Katze, auch weil hier dramatische Dimensionen erreicht werden, die in den kurzen Abenteuern bisher so nicht ersichtlich sind. Niriansburg wird zudem gekonnt als ein düsteres Horrorsetting mit vielen interessanten Orten und Figuren beschrieben, in dem sogar unabhängig von den Gruselelementen viele Konflikte vorherrschen.

Bewertung: 5 von 6 Punkten                      

3 Kommentare

  1. Hi! Danke für die Rezension. Habe ich das richtig verstanden, dass du persönlich das Abenteuer nicht unbedingt für Kinder empfehlen würdest?

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    1. Puh, das finde ich immer sehr schwer zu beantworten, das hängt ja doch sehr von der Person ab und eben auch von der Spielleitung, wie man Horror und Grusel präsentiert, das kann man ja sehr unterschiedlich gestalten. Das Thema Vampire kann man ja durchaus auch so aufmachen, dass auch Kinder damit umgehen können.

      Worauf ich grundsätzlich hinauswollte, ist dass die ersten DSK-Sachen aus meiner Sicht Kinder noch sehr explizit als mögliche Zielgruppe im Fokus hatten, hier ist das für mich jetzt gar nicht mehr ersichtlich.

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