Rezension: Zwist der Raben

Vorbemerkung: Lange hat es nicht gedauert, bis der Postbote die erste DAS-Neuheit des Jahres eingeworfen hat. 2024 beginnt demzufolge mit einem neuen Heldenwerk-Abenteuer. Dabei handelt es sich um Zwist der Raben von Jan-Christopher Altenhoff und es setzt laut Klappentext den altbekannten Konflikt zwischen der Puniner und der Al´Anfaner Boronkirche in den Mittelpunkt. Hellhörig macht zudem der Schauplatz, das Kloster Mantrash´Mor, die aventurische Entsprechung von Mount Rushmore, wo dem gesamten Pantheon der Zwölfe besondere Verehrung entgegengebracht wird.

In Zahlen:

– Heldenwerk Nr. 52

– 15 Seiten

– erschienen am 24.1. 2024 (zusammen mit dem Aventurischen Boten 223)

I. Aufbau und Inhalt

Wie immer wird zunächst die Vorgeschichte des Abenteuers geschildert, die in diesem Fall besonders mit den beiden rivalisierenden Zweigen der Boronkirche zu tun hat. Konkret geht es darum, dass einer der vielen Konfliktpunkte beseitigt werden soll, nämlich die Frage, wie das Antlitz Borons im Zwölfgöttermonument ausgestaltet werden soll. Dazu haben haben beide Kirchen eine je dreiköpfige Delegation entsandt, um darüber zu verhandeln. Kurz vor dem Eintreffen der Heldengruppe sind diese aber aus von außen nicht erkennbaren Gründen zum Erliegen gekommen. Tatsächlich jedoch wurden den Gesandten Al´Anfas wichtige Dokumente entwendet, ohne die es unmöglich ist, mit den Gesprächen fortzufahren. Um die Hintergründe des Diebstahls diskret ermitteln zu können, werden die Spielercharaktere von der Borongeweihten Velvenya Morales mit der Wiederbeschaffung beauftragt, allerdings unter der Vorgabe, dass niemand davon erfährt (hierfür existiert auch eine regeltechnische Umsetzung mittels der festgestellt werden kann, ob jemand auf die Umtriebe der Heldengruppe aufmerksam wird und was das für Auswirkungen hat).

Zur Ausgestaltung der Ermittlungen sind eine Karte des Klosters vorhanden sowie grobe Beschreibungen der Räumlichkeiten. Ebenso finden sich einige Personenbeschreibungen, v.a. der beiden Gesandtschaften, aber auch diejenigen einiger Bewohner des Klosters, wobei auch viele Informationen zum betreibenden Bund des wahren Glaubens hinzugefügt wurden. Die eingeforderte Diskretion wird u.a. dadurch erschwert, dass die Praiosgeweihte Soleria Aurealis, die als Vermittlerin im titelgebenden Zwist auftreten soll, sehr argwöhnisch alle Begleitumstände betrachtet und ggf. nicht gewillt ist, einen Diebstahl unter den Tisch zu kehren.

Konkret werden verschiedene Spuren ausgestaltet, denen man nachgehen kann, wobei es sich sowohl um falsche Fährten handelt als auch um solche, die zu des Rätsels Lösung führen können. Dabei ist der Weg allerdings nicht ganz gradlinig, da natürlich nicht immer sofort die Wahrheit zutage kommt, außerdem haben sich weitere Verwicklungen ergeben, die die ursprünglichen Ereignisse weiter verkompliziert haben.

Generell gilt, dass in diesem Abenteuer handfeste Fähigkeiten, also vor allem der Kampf, nicht gefragt sind, sondern es eher um Kombinationsfähigkeit (inklusive Rätseln) und diplomatisches Talent geht, allein der ehrwürdige Ort verbietet es quasi, mit der blanken Klinge vorzugehen.

II. Figuren

Wichtig für die Handlung sind vor allem die beiden Delegationen, die aus jeweils drei Geweihten bestehen, jeweils unter Führung der Erzgeweihten Marbold Ernbrecht (Punin) bzw. Corvo Bonareth (Al´Anfa). Dabei ragt Velvenya Morales als Auftraggeberin heraus, die auch die einzige direkte Ansprechpartnerin ist, da ja nicht auszuschließen ist, dass die Sabotage der Verhandlungen aus den Reihen der Gesandten selbst vorgenommen wurde. Eine Antagonistin der besonderen Art ist Soleria Aurealis, da sie erkennbar nicht die Täterin ist, allerdings unbedingt verhindert werden soll, dass sie die wahren Hintergründe erfährt und folgend öffentlich macht. Zusätzlich ist Mantrash`Mor ein belebter Ort, so dass Kurzbeschreibungen vieler weiterer Figuren existieren, die z.B. als Hinweisgeber oder Zeugen fungieren können.

III. Kritik       

Grundsätzlich gut empfinde ich den Ansatz, hier ein Abenteuer vorzulegen, in dem es klar geboten ist, die Klingen ruhen zu lassen und eindeutig der Fokus auf gesellschaftlichen Fähigkeiten gelegt wird. Das passt ja auch zur Prämisse des Bundes des wahren Glauben, dem es um die Überbrückung von Differenzen zwischen den einzelnen Glaubensgemeinschaften geht und somit stellt Mantrash´Mor auch einen sehr passenden Schauplatz dar, was ja durch die geplante Annäherung der beiden rivalisierenden Boronkirchen noch verstärkt wird. Letzterer zaghafter Schritt zu einer Aussöhnung gibt dem Abenteuer zudem eine durchaus höhere Tragweite, auch wenn jetzt nicht unbedingt an den ganz großen Rädern des Metaplots gedreht wird.

Allerdings – und hier setzt meine Kritik dann doch an – muss man eben dafür sorgen, dass sich Spannung aus anderen Elementen ergibt. Und in diesem Punkt ist mir vieles von dem, was im Handlungsverlauf geplant ist, schlicht etwas zu einfach gedacht. Die Lösung des Kriminalfalls fällt aus meiner Sicht eher unterkomplex aus, indem man nur der offenkundigsten Spur folgen muss, die einzige falsche Fährte besteht in einem Geweihten, der sich aufgrund seiner Wutanfälle zurückzieht und deshalb kein Alibi vorweisen kann. Zu vielen Figuren, die aus meiner Sicht relevant sein könnten, fehlen die Angaben, vor allem was die beiden Verhandlungsführer betrifft. Und zuletzt ergibt sich noch eine Folgeermittlung, in der es letztlich darum geht, dass jemand die versteckten Dokumente gefunden hat und sie nun selbst an sich genommen hat. Diese verbirgt er dann ausgerechnet in seinem Bett. Dazu kommt dann noch ein theoretisch nett gemeintes Rätsel, indem man die Aufbewahrungskiste öffnen kann, was allerdings letztlich sehr anspruchslos ist, zudem halte ich es für relativ wahrscheinlich, dass viele Gruppen dies mit Gewalt lösen würden, falls ihnen die Auflösung nicht direkt in den Sinn kommt. In der Gestaltung als Ermittlung hat es – auch im Rahmen der platzbegrenzten Heldenwerke – schon eine Reihe von Abenteuern gegeben, die dies weit besser und anspruchsvoller gelöst haben.

Ganz generell ist mir außerdem die Informationsaufteilung nicht logisch erschließbar. So wird zu Beginn für die Spielleitung nur die Hälfte des Falles aufgelöst, indem nur die Täterschaft für die ursprüngliche Entwendung erläutert wird, folgend wird dann nur angedeutet, dass die Dokumente sich nicht mehr in ihrem Versteck befinden. Was folgend geschehen ist, wird erst in einem Infokasten auf Seite 13 (also kurz vor dem Ende des Abenteuers) aufgedeckt, vorher nur ohne Namensnennung angedeutet. Hier kann ich nur einmal mehr betonen, dass es nicht zielführend ist Informationen stückweise zu präsentieren, generell sind solche Texte auch nicht dazu geeignet, um Spannung beim Leser zu erzeugen, stattdessen will eine Spielleitung alle Informationen griffig und kompakt zur Verfügung zu haben. Das lässt sich aber auch an weiteren Beispielen fortführen, beispielsweise ist die Vorstellung von Personen sehr uneinheitlich und immer wieder zwischendurch vorgenommen worden. So findet man die Informationen zu Soleria an verschiedensten Stellen im Heft (Seite 4: Infokasten zu ihren Handlungen, Kurzcharakterisierung auf Seite 7, Gerüchte zu ihrer Agenda auf Seite 9, Auswirkungen ihres möglichen Eingreifens auf Seite 12). Wenig Profil erhält zuletzt der eigentliche Antagonist der Handlung. Auch andere Aspekte bleiben unklar oder nicht überzeugend, z.B. warum man von Velvenya beauftragt wird, nicht aber von ihrem eigentlichen Vorgesetzten bzw. erschließt sich mir nicht, was dessen Alternativen zu seiner Passivität sind, da er ja eigentlich unbedingt die Unterlagen zurückerhalten muss. Seine Untätigkeit ergibt aus meiner Sicht schlicht keinen Sinn, der angefügte Stolz allein ist nicht überzeugend. Insgesamt wäre eine deutlich übersichtlichere Struktur absolut wünschenswert.

Zuletzt wird man ein wenig alleingelassen ist der Frage, was genau eigentlich die Dokumente für Verhandlungswerte liefern sollen, da dies nie ausgeführt wird. Ebenso wird der Konflikt um die Boronsdarstellung für das Monument auch nur unzureichend skizziert, man erfährt zwar, dass die Kirchen sich dabei uneins sind, was genau die abweichenden Vorstellungen für die bildliche Darstellung sind und worin die Kompromisslösung liegen könnte, wird nicht verraten.

IV. Fazit

Von der Grundidee klingt Zwist der Raben durchaus reizvoll, gerade auch, weil es rein auf dem diplomatischen Parkett spielt. Allerdings gelingt es nicht, dies wirklich in einer spannenden Handlung umzusetzen, gerade die kriminalistischen Elemente empfinde ich als eher unoriginell. Auffällig ist auch die in meinen Augen sehr ungünstige Informationsaufteilung innerhalb des Heftes.

Bewertung: 2 von 6 Punkten   

2 Kommentare

  1. Danke für diese Rezension.

    Nach dem ersten Überfliegen des Textes war ich etwas verunsichert, weil ich irgendwie mit der Präsentation der Informationen nicht klar gekommen war. Das ist bei DSA-Abenteuern inzwischen ja eher eine große Ausnahme. Den Schauplatz und die Ideen an sich finde ich sehr reizvoll. Die Ausführung des Szenarios und die Aufbereitung der Informationen ist dagegen eher dürftig. Vielleicht hat es auch am Platz gefehlt, weil man noch das Kloster beschreiben musste. Das entschuldigt die Schlampigkeit in der Ausführung leider nicht wirklich.

    Im Grunde geht es mir hier ähnlich wie zuletzt bei den Lowanger Lügenmärchen. Eine sehr interessante Idee, die jedoch meines Erachtens weit unter ihren Möglichkeiten bleibt. Aus meiner Perspektive wären solche Module klassische Kandidaten für eine ergänzende Ausarbeitung durch Fans. Das ist aber womöglich aus der Mode gekommen.

    Ich persönlich finde es etwas schade, da ich den Bund des Wahren Glaubens sehr mag. Immerhin gibt es nun ein paar weitere Informationen zum Kloster.

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    1. Man muss dabei natürlich auch immer berücksichtigen, dass Heldenwerke zumeist von Neulingen geschrieben werden. Da halte ich es für nachvollziehbar, dass dort handwerklich das eine oder andere Problem auftaucht. Was ich dann eher problematisch finde, ist wenn – wie in diesem Fall – diese handwerklichen Fehler in der Machart trotzdem im Endprodukt zu finden sind, das müsste meiner Meinung nach in der redaktionellen Überarbeitung ausgebessert werden. Ich meine damit explizit nicht den Inhalt, sondern eben solche Aspekte wie die Informationsgestaltung.

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