Rezension: Catalogus Heptasphaericum

Vorbemerkung: Ingame-Bände haben ja den Vorteil, dass sie einerseits regelfrei gehalten werden können und andererseits nicht jedes Detail exakt umgesetzt werden muss, da man hier das Wissen darstellen kann, welches inner-aventurisch vorhanden ist. Gerade die ungehemmt subjektive Wahrnehmung der fiktiven Verfasser*innen hat dabei für mich ihren besonderen Reiz. In diesen Kontext reiht sich auch der Catalogus Heptasphaericum ein, in dem das beliebte Thema der Dämonologie aufgegriffen wird, das bislang auch in der 5. Edition schon mehrere Spielhilfen mit Dämonenbeschreibungen gefüllt hat.

In Zahlen:

– 160 Seiten

– Preis: 44,95 Euro

– erschienen am 1.3. 2024

I. Aufbau und Inhalt

Als fiktiver Erzähler fungiert Demirion Ophenos, ein Magister aus Mengbilla, der als privater Lehrmeister tätig ist und seine Affinität zur Dämonologie schon mit seiner Selbstbeschreibung als „Erforscher der Niederhöllen“ verdeutlicht. Als Zweck der Buches ist gleichermaßen eine Lernhilfe als auch Nachschlagewerk angedacht.

Im Werk werden vor allem verschiedene Dämonen beschrieben. Diese folgen immer dem gleichen Ordnungsprinzip, sortiert nach den 12 Erzdämonen: Zunächst werden die entsprechende Domäne und das Wissen über den Herrscher präsentiert. Dann folgen die einzelnen Dämonenbeschreibungen. Diese sind nach Mächtigkeit sortiert, also nach der Anzahl der Hörner aufsteigend. Für jede Domäne wurden dabei 3-8 Dämonen berücksichtigt. Beispielsweise wurden für Thargunitoth Braggu, Nephazz, Morgan, Yaq-Hai und Nirraven ausgewählt.

Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den Erfahrungswerten des Magisters, die gerne auch in Form von Warnungen formuliert werden. Beispielsweise wird oft angesprochen, welche Bedürfnisse von den Dämonen im Beschwörer geweckt werden, z.B. das Rachebedürfnis bei Blakharaz und dann erläutert, warum man diesem nicht nachgeben dürfe (oft mit expliziter Warnung vor einem Pakt).

Die Einzelbeschreibungen nehmen zumeist 1-2 Seiten ein. Inhaltlich sind diese nicht immer gleich aufgebaut: Elemente sind aber oft eine Schilderung des Äußeren und des möglichen Einsatzgebietes (z.B. die Verwendung des Gotongi als Spion). Teilweise geht Demirion aber auch auf Widersprüche oder Spekulationen ein (z.B. warum Heshthots sich zum Teil völlig unterschiedlich verhalten). Ebenso weist er auf Besonderheiten hin, die man bei der Beschwörung beachten sollte, um tödliche Fehler zu vermeiden, z.B. dass man sich auf den furchterregenden Anblick eines Braggus vorbereiten sollte, um nicht handlungsunfähig zu werden.

Zusätzlich zu den Erzdämonen wird auch der Namenlose berücksichtigt, wobei neben drei Dämonen (Isah, Grakvaloth und Maruk-Methai) auch Theorien zum Gott und seinem Gefolge aufgestellt werden. Einen Sonderbereich nehmen zudem die freien und unabhängigen Dämonen ein, die sich keiner Domäne zuordnen lassen (zumindest nach dem Kenntnisstand von Demirion), dies gilt beispielsweise für die Tagesherrscher der Namenlosen Tage.  

Sehr häufig verweist der Magister auch auf die Erfahrungen zweier besonderer Schüler, indem er ständig seinen Lieblingsschüler Nemekath lobt, während Alisha häufig Missgeschicke im Umgang mit den Dämonen widerfahren sind. Bei Dämonen, zu denen Demirion eine eigene Expertise fehlt, baut er teilweise Auszüge seiner Korrespondenz mit anderen Magiern ein, die von ihren Erfahrungswerten berichten, dieses sind dann durch einen anderen Schrifttyp gekennzeichnet. Bei einigen Dämonen existieren zudem Illustrationen, die im Stil von Bleistiftskizzen gehalten sind, oft ergänzt um handschriftliche Anmerkungen. 

Nach den Dämonenschreibungen folgen noch zwei Exkurse: Zum einen existiert ein längerer Abschnitt mit Theorien zum Dämonensultan (z.B. zu der Theorie, diesen könne man mit dem Namenlosen gleichsetzen) und weiteren Erzdämonen, zum anderen findet sich das Kapitel Handwerkzeug für Beschwörungen. Hier doziert der Magister über Aspekte wie die passende Gewandung, die richtige Zauberkreide bzw. Beschwörungskerze (jeweils nebst einem Rezept zu Herstellung), zu Schutzkreisen, Beschwörungen in einem Zirkel, Kontrollübernahme von Dämonen und Abwehrmaßnahmen. Zuletzt ist außerdem ein Glossar mit wichtigen magischen Begriffen vorhanden.

II. Kritik

Ingame-Bände haben ja eine andere Zielsetzung als normale Spielhilfen. Die Dämonenbände im Stil des Aventurischen Pandämoniums sollen primär den Spieler*innen Wissen vermitteln, um dieses konkret am Spieltisch anwenden zu können, womit sehr umfassende Informationen notwendig sind. Im Rahmen eines solchen Bandes aber geht es vor allem darum, das Wissen von Aventuriern aufzuzeigen, das naturgemäß in ganz anderem Ausmaß vorhanden und eben nicht umfänglich ist, sondern Lücken und Ungenauigkeiten aufweist. Außerdem handelt es sich eindeutig nicht um allgemeingültige Kenntnisse, sondern einen subjektiven Wissenstand. Somit ist es aus meiner Sicht völlig akzeptabel, dass die Artikel keine Einheitlichkeit haben in der Präsentationsform, sondern oft völlig unterschiedliche Schwerpunkte setzen, orientiert an dem, was Demirion für den jeweiligen Dämon für wesentlich hält.

Daraus ergeben sich Texte, die sich sehr unterschiedlich lesen. Beispielsweise gefällt mir der Text zum Quitslinga sehr gut, in dem eher eine kurze Geschichte erzählt wird, weil Demirion die Kontrolle über einen solchen Dämon übernommen hatte, der bei ihm als Spion eingeschleust wurde. Bisweilen wird es auch kurios, wenn er z.B. schildert, wie gefährlich die Verwendung des Karakil als Reittier ist, weil dieser den Reiter auch gerne verschlingt, er dann aber ausführt, wie der Unterleib seines Schülers darunter litt, da er dabei ein dünnes Beschwörungsgewand trug. Für den Yaq-Hai hingegen fehlen ihm Erfahrungswerte, somit findet man hier einen Brief einer Kollegin, die seiner Schmeichelei erlegen ist, obwohl sie dies im Brief abstreitet und sich eher kalt-analytisch gibt. Das alles ergibt relativ abwechslungsreich zu lesende Texte, aus denen man zwar nur wenig klares Wissen über Dämonen erhalten kann, aber das Denken derjenigen, die sich damit beschäftigen, passend veranschaulicht erhält. Trotzdem wird natürlich auch eine grobe Übersicht geboten, wobei ich gerade das Ordnungsprinzip des Bandes als gelungen betrachte. Aus meiner Sicht kann es auch sehr gut dazu verwendet werden, um einen magiebegabten Charakter damit auszustatten und es als Grundlage über dessen Wissen über Dämonen, ihre Domänen und Beschwörungsaspekte zu nehmen.

Gerade ein Charakteristikum von Schwarzmagiern wird immer wieder unterstrichen und gilt im hohen Maße auch für Demirion selbst: Skrupellosigkeit und Direktheit überlagern moralische Bedenken, die man normalerweise annehmen sollte. So merkt der Magister bei seinem Exkurs zur Beschwörung in Zirkeln eiskalt an, dass dies auch den Vorteil aufweise, dass man im Falle einer brenzligen Situation direkt ein Menschenopfer zur Hand habe, um ggf. das eigene Leben retten zu können. Gerade diesen Kontrast finde ich enorm reizvoll: Demirion ist kein Sympathieträger wie der brave Travin, der Autor des Eynmaleyns der Kräuterkunde, sondern er betreibt seine Forschungen im Bereich der Dämonologie frei von dem Ballast von Gefühlen wie Mitleid oder Nächstenliebe. Oft gewinnt man so den Eindruck, dass man es hier mit einer Person zu tun hat, der man im Abenteuer eher als Gegner begegnen könnte. Gerade ein solches Figurenkonzept ist meiner Auffassung nach spannend.  

Manche Elemente seiner Charakterzeichnung werden für meinen Geschmack dafür etwas übertrieben: Dies gilt vor allem für sein Verhältnis zu Nemekath und Alisha. Gefühlt in jeder zweiten Dämonenbeschreibung wird in immergleicher Weise auf eine der beiden Personen verwiesen, indem das Potential und der Werdegang von Nemekath gelobt wird, während Alisha als dumm und völlig inkompetent dargestellt wird. Das mag anfangs für den einen oder anderen Schmunzler sorgen, nutzt sich nach dem x-ten Verweis aber schlicht ab, hier wäre weniger für mich deutlich mehr gewesen.

III. Fazit

Der Catalogus Heptasphaericum ist eine gelungene Ingame-Spielhilfe. Vor allem wird das Denken und Wissen eines Dämonologen anschaulich dargestellt, was sich oft auch sehr unterhaltsam liest (auch wenn sich einige Elemente mit der Zeit deutlich abnutzen) und gerade in der etwas uneinheitlichen Beschreibung der Dämonen an Reiz gewinnt.

Bewertung: 5 von 6 Punkten     

2 Kommentare

  1. Ich kann mich deiner positiven Rezension nur anschließen. Aus meiner Sicht ein sehr überzeugender Titel, der auch Widersprüche vergangener Publikationen aufgreift und verarbeitet.

    Das Lektorat hätte an einigen Stellen allerdings sorgfältiger sein können. Und der Preis ist wirklich absurd hoch.

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    1. Ja, die DSA-Bücher sind sicherlich nicht unbedingt günstig. Umgekehrt fällt es mir wahnsinnig schwer, die Produktionskosten und die Auflagengröße (die für die Preisbestimmung im Nischenmarkt sicherlich eine gewichtige Rolle spielt) seriös einschätzen zu können, deshalb nehme ich das in der Regel nicht in die Wertung auf.

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