Wann sind Rezensionen hilfreich?

Eine der zentralen Funktionen des Blogs sind die Rezensionen der DSA-Produkte. Als ich angefangen habe zu schreiben, habe ich natürlich Gedanken darüber angestellt, was für mich dabei wichtige Kriterien sind. In einem bereits etwas älteren Artikel habe ich diese dann auch (beispielhaft) dargelegt, um meine Vorstellungen etwas transparenter zu gestalten. Aus aktuellem Anlass habe ich mich mit der Frage auseinandergesetzt, inwiefern das Schreiben und Lesen von Rezensionen einen konkreten Zweck verfolgt und wozu es dienen soll oder kann.

Interessant wird dabei für mich immer, wenn man Rückmeldungen – positiv wie negativ – erhält. Dabei wird häufig deutlich, wozu jemand meine Eindrücke verwenden möchte. Beispielsweise fällt nicht selten der Begriff „Kaufempfehlung“. Mich irritiert das meistens ein wenig, da ich selber Rezensionen im Prinzip nie als solche verwende (gilt beispielsweise für Filme und Bücher, da ich in der Hinsicht häufig meinen ganz eigenen Geschmack habe, der oft auch nicht gerade dem Mainstream entspricht. Lediglich bei Gebrauchsgegenständen interessieren mich ab und an Erfahrungswerte über Haltbarkeit und Materialbeschaffenheit). Zumindest denke ich beim Schreiben einer Rezension nie daran, anderen ein Produkt zu empfehlen oder davon abzuraten. Gerade im Printbereich habe ich eher die Auffassung, dass enorm viel persönlicher Geschmack in eine endgültige Bewertung einfließt.

Meine Grundintention ist primär immer der Meinungsaustausch, nach einem eigenen Artikel lese ich später sehr gerne überall im Netz Rezensionen (u.a. bei Nandurion, Neue Abenteuer, Teilzeithelden, Arkanil, seit neulich auch Asboran) oder Foreneinträge (dsa4-forum, die Verlagsforen von Uhrwerk und Ulisses, tanelorn), weil es dann spannend ist nachzuvollziehen, wie andere den jeweiligen Band sehen und welche Kriterien sie verwenden, wo sie zu ähnlichen oder zu vollkommen anderen Urteilen kommen.

Was ist objektiv?

Etwas schwer fällt mir dabei aber deutlich der Begriff der Objektivität, gerade auch gerne verwendet in Abgrenzung von den berühmt-berüchtigten Extremwertungen im dsa4-forum, wo das dann auch gerne schon mal in echte Glaubensfragen ausartet. In dieser Hinsicht habe ich eine relativ klare Auffassung: Echte Objektivität gibt es für mich in einer Rezension nicht. Dafür spielen einfach zu viele schwer messbare Faktoren hinein wie persönliche Stilfragen (beispielsweise bezogen auf ganz unterschiedliche Felder wie den Schreibstil des Autors wie auch den bevorzugten Spielstil des Lesers/Spielers), das Layout, die redaktionelle Überarbeitung oder auch Schwerpunktsetzungen des eigenen Anspruchs. So ist für mich eher eine narrative Ebene von Bedeutung, d.h. eine gut erzählte Geschichte (Was aber direkt wieder zu der Frage führen kann, was denn genau eine gut erzählte Geschichte ausmacht.). Im Gegenteil finde ich seitenlange Diskussionen über fehlerhafte Wertekästen oder kleine Widersprüche in Bezug auf Jahreszahlen, die sich in unterschiedlichen Publikationen widersprechen, sehr befremdlich. Letztlich kann ich aber irgendwo verstehen, dass das für andere ein wichtiges Kriterium sein kann.

Anonyme Bewertungen in reiner Zahlenform werden dafür dann häufig als sehr subjektiv oder sogar als willkürlich angesehen. Das ist ein Aspekt, den ich überhaupt nicht teilen kann, solche Zahlenverteilungen sind für mich durchaus interessant und ab einer gewissen Häufung oft auch sehr aussagekräftig, vor allem im Abgleich mit einer eigenen Bewertung. Der Nachteil ist eben nur, dass man auf diese Art und Weise eben keine echten inhaltlichen Kritikpunkte nachvollziehen kann. Autoren betonen in diesem Zusammenhang sehr häufig, dass ihnen Rückmeldungen in Textform sehr wichtig sind, um ihre eigene Arbeit reflektieren zu können. Aus dieser Warte erscheint mir der Mittelweg durchaus gangbar, zu den meisten DSA-Publikationen existieren sowohl Umfragewerte als auch Rezensionen in Textform.

Umgekehrt gibt es auch messbare Aspekte, wie die Zahl von Produktfehlern, z.B. im Bereich der Rechtschreibung oder unlängst ein paar Versprechungen seitens der Macher, die am Ende nicht oder nur teilweise eingehalten werden konnten. Aber auch hier finde ich es schwer, diese dann als objektive Kriterien zu bezeichnen, schließlich ist es auch hier am Ende dem einzelnen Leser überlassen, ob das für ihn ein massiv störender Faktor oder nur eine lästige Begleiterscheinung ist.

Netiquette

Die sich den oben angesprochenen Gesichtspunkten entwickelnden Diskussionen sind mitunter ausgesprochen spannend und unterhaltsam. Bei mir persönlich wird aber immer dann ein gewisses Unbehagen ausgelöst, wenn die Meinung das anderen nicht anerkannt wird, eben nur, weil sie von der eigenen Wertung abweicht. Dabei folgen dann in der folgenden Diskussion auch gerne mal die für mich absolut unsäglichen Begriffe der Differenzierung zwischen „Fanboys“ und „Hatern“, die ich sprachlich wie inhaltlich grauenvoll finde (womit im Regelfall spätestens die ernsthafte Beschäftigung mit fremden Meinungen endet und das Persönliche beginnt). Ich halte wenig von missionarischem Eifer, sondern plädiere hier dafür, etwas mehr Gelassenheit walten zu lassen, auch unter der Perspektive, dass es letztlich nur um ein Rollenspiel geht, nicht um etwas Todernstes. Dazu gehört für meine Begriffe dann allerdings ein gewisser Ton, sowohl in der Rezension selbst als auch in einer etwaigen Folgediskussion. Aus diesem Grund verfasse ich hier auch keine Totalverisse in ironischer Distanz, im Vordergrund steht für mich dabei immer der Respekt im Umgang mit Autor und Werk, was ja keineswegs bedeutet, dass Negativaspekte nicht klar und deutlich angesprochen werden und man nicht zu einem schwachen Gesamteindruck kommen darf. Im Gegenteil, was man als schlecht empfindet, sollte man unbedingt auch ansprechen. Nur halte ich meine persönliche Auffassung für rein subjektiv und sicherlich nicht allgemeingültig.

Neue Netzvielfalt

Für den DSA-Bereich erscheint mir aktuell eine Entwicklung sehr positiv, nämlich dass sich die Zahl derer, die sich intensiv mit DSA-Produkten auseinandersetzen und das auch publizieren, offenbar erhöht, nimmt man beispielsweise die Frequenz, mit der via Nandurion News verkündet werden, als Messlatte. Gefühlt findet man seit dem Start von DSA5 an immer mehr Stellen Rezensionen und Meinungsäußerungen. Letztlich dürfte sich auf diese Weise immer häufiger jemand finden, der sich so über eine Publikation äußert, dass man dies nach dem eigenen Gefühl als aussagekräftig einordnen kann.

8 Kommentare

  1. Schöner und differenzierter Kommentar – und zusätzlich in einer erstaunlichen Geschwindigkeit, wenn du das in Anbetracht der Diskussion im DSA4-Forum geschrieben hast.

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  2. Mir geht es bei Rezensionen um:

    1. Zielgruppenbestimmung statt Kaufempfehlung: Ich will wissen, wer was von dem Buch haben könnte und warum.
    2. Transparenz und methodisches Vorgehen: Der Rezensent sollte auf jeden Fall seine Bewertungskriterien darstellen können. Die Produktbesprechung nach eigens festgelegten und in sich schlüssigen Kriterien entfalten. Es soll halt deutlich mehr als nur eine Produktbeschreibung sein.
    3. Persönliche Wertung: Ohne Wertung und ohne, dass die Präferenzen und Vergleichsmaßsstäbe, die momentane Stimmung 😉 sowie Empfindungen und ggf. emotionale Reaktionen des Rezensenten deutlich werden, bleibt eine Rezi „blutleer“.

    Netiquette: In einem Forum sicher wichtiger als auf dem eigenen Blog. Würde ich nicht überbewerten. Aber ohne einen Mindeststandart, der Respekt heißt, geht’s mMn nicht.

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  3. Mir gefällt der Beitrag auch sehr, Engor. Und „erstaunliche Geschwindigkeit“ ist ja eh das Markenzeichen dieses Blogs 😉

    Ich seh es auch so, dass eine Rezension immer irgendwo subjektiv ist, man sich aber bemühen sollte, seinen subjektiven Standpunkt so klarzumachen, dass ein Leser weiß, worauf man Wert legt oder halt nicht. Aber mehr dazu hab ich grad auch schon im DSA-Forum geschrieben.

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  4. Wunderbarer Beitrag, Engor. Es scheint ein „Symptom“ unserer Zeit zu sein, dass sich viele Leute zu 5-oder-1-Sterne Bewertungen hinreißen lassen; es gibt neuerdings eine Alles oder Nichts Mentalität.

    Sehr schade, denn die aussagekräftigsten Eindrücke erhält man ja durch Argumentation. Und die schlägt mal in die eine oder andere Richtung, ohne sich gleich in „Hater“ und „Fanboys/girls“ kategorisieren zu lassen.

    Ich finde außerdem- wie du das ja ebenfalls dargestellt hast – positiv, dass sich die Anzahl der „zu DSA-Produkten Äußernden“ deutlich erhöht hat. Aber womöglich gingen ähnliche Äußerungen früher einfach nur in Foren unter, das könnte den Eindruck also etwas verfälschen. 😉

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