Retro-Check: Liebliche Prinzessin Yasmina

Vorbemerkung: Der Band zu Nostria und Andergast läutet aktuell die Reihe der neuen DSA5-Regionalspielhilfen ein, womit diese Region mit gleich mehreren Publikationen sehr exponiert hervorgehoben wird. Nichtsdestotrotz handelt es sich um eine der besonders häufig besuchten Gegenden Aventuriens. Dies gilt schon für die Anfangszeit. Einen aus heutiger Sicht eher kuriosen Ausflug in diese Gefilde stellt das Soloabenteuer „Liebliche Prinzessin Yasmina“, in dem man im Auftrag der nostrischen Krone eine Rettungsmission für die titelgebende Prinzessin unternimmt, hat das Abenteuer von Andreas Michaelis und Gerd Böder doch einen vergleichsweise hohen Humoranteil.

In Zahlen:

– 55 Seiten

– 323 Abschnitte

– Stufe 2-4

– Erschienen 1989

I. Aufbau und Inhalt

Der Erzähltext zu Beginn wählt einen klassischen Aufhänger, der Held folgt einem Aufruf der patriotischen „Nostrischen Kriegstrompete“, die den gleichermaßen heroischen wie vergeblichen Kampf der Leibgarde der Prinzessin eine Überzahl von Feinden schildert und nun jemanden sucht, der die Holde aus den Armen ihrer Entführer rettet. Nach einer kurzen Recherche weisen alle Hinweise (respektive Zöpfe) nach Thorwal, wohin sich der Spielercharakter unverzüglich begibt. Auch dort steht in wenigen Abschnitten eine Informationssuche an (die sogar zu einem Besuch bei Hetfrau Garhelt persönlich führen kann), deren Ergebnis dazu führen sollte, dass die nächste Station der Reise das verrufenste Piratennest Thorwals sein sollte, Daspota.

In Daspota angekommen beginnt die wirkliche Recherchearbeit, stehen doch viele Anlaufpunkte zur Verfügung, an denen sich möglicherweise relevante Informationen über den Verbleib der Prinzessin gewinnen lassen. Allerdings ist die Zeit dazu begrenzt: Da man sich, um Bewegungsfreiheit in Daspoata zu erhalten, einer Piratenfraktion verpflichten musste, steht am 6. Tag das Auslaufen der Mannschaft des Helden an, also muss man seine Aufgabe bereits zuvor erfüllt haben. An dieser Stelle greifen zudem neben dem reinen Fortbewegen Abschnitt für Abschnitt noch zwei Zusatzmechanismen. Im Anhang finden sich zu jedem neuen Tag kurze Zusatzinformationen, z.B. über besondere Ereignisse, die zusätzlich anwählbar sind. Außerdem ist eine Liste mit Informationen enthalten, die man an verschiedenen Orten erwerben kann und die letztlich dazu dienen, dass der Spieler dazu befähigt wird, den Aufenthaltsort der Prinzessin zu finden.

Alle möglichen Lösungswege haben aber eine Gemeinsamkeit: Sie sind verflucht gefährlich. Im gesamten Abenteuer finden sich unzählige Abschnitte, die den Spielercharakter über kurz oder lang in Sackgassen manövrieren, die unweigerlich in Borons Hallen führen. Nur wer vorsichtig agiert und fleißig die richtigen Informationen sammelt, kann schließlich die richtige Lösung finden und die Gesuchte befreien.

Der Anhang ist für ein Soloabenteuer vergleichsweise umfangreich, enthält er doch viele Angaben, mit denen man das eigentliche Solounterfangen in ein Gruppenabenteuer umwandeln kann, Dazu gehören beispielsweise eine grobe Übersichtskarte des Reisewegs von Nostria bis Daspota und zusätzlich ein Stadtplan des kleinen Piratennestes.

II. Kritik

Während des Durchspielens dürften bei den meisten Spielern im Prinzip zwei ziemlich gegensätzliche Gesichtsausdrücke dominiert haben: Zum einen wäre da ein amüsiertes Schmunzeln über eine Vielzahl von kleinen humoristischen Abschnitten und zum anderen ein verärgertes Stirnrunzeln, wenn man mal wieder einen der unzähligen Abschnitte erwischt hat, die unfair und ohne Korrekturmöglichkeit in den Tod führen.

Bei Letzterem handelt es sich um eine typische Unsitte vieler alter Soloabenteuer. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, unter den Autoren habe damals ein Wettbewerb geherrscht, wer die meisten Todesfallen in ein Abenteuer einbauen kann. Tatsächlich scheint der Soloheld in der Autorensicht  dieser Zeit als eine Art „Wegwerffigur“ angesehen gewesen zu sein, in beliebiger Zahl generierbar und vollkommen austauschbar bei Misserfolgen. „Liebliche Prinzessin Yasmina“ ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Zwar lassen sich mit gesunden Menschenverstand manche solcher Fallen umgehen, indem beispielsweise besonders dreistes oder feiges Verhalten vermieden wird. Manche Sackgassen sind aber auch schreiend unfair gestaltet. Als Beispiel mag die Reise von Thorwal nach Daspota dienen. Hier hört der Held plötzlich Stimmen. Nur wenn er sich direkt versteckt, kann er die Begegnung mit zwei Orks überleben. Und auch dann ist man erst gesichert, wenn man noch etwas im Versteck ausharrt, da man sonst unweigerlich weiteren 20 Orks in die Arme läuft. Ein solches Design ergibt weder heute  einen Sinn, noch gab es diese Sinnhaftigkeit bei Entstehung des Abenteuers 1989.

Umgekehrt kann „Liebliche Prinzessin Yasmina“ auch durchaus Spaß bereiten, vor allem haben die Autoren viele Textpassagen mit einer ordentlichen Prise Humor ausgestaltet, wenn der Held sich in eine Reihe von absurden Situationen begeben muss, um Informationen zu gewinnen. Gerade zu Beginn wird beispielsweise die nostrische Borniertheit und Aufschneiderei witzig in Szene gesetzt, wenn man den Zeitungsartikel mit den realen Umständen der Entführung abgleichen kann. Dieses Humorverständnis zieht sich dann hin bis zur überraschenden Auflösung (in Kombination mit dem herrlich irreführenden Cover).

Genauso ist das Abenteuerdesign im Bereich der Rechercheaufgaben gut gestaltet. Eine grobe Nachforschung wird nicht zum Erfolg führen, nur eine breit aufgestellte Untersuchung bringt die richtigen Erkenntnisse. Durch die Tagesfolge und die besonderen Ereignisse wird umgekehrt dafür gesorgt, dass man nicht zu schnell alle Informationen gewonnen hat, sondern man sich mit den Verhältnissen unter den Piratenbanden von Daspota genau auseinandersetzen muss.

Das Piratennest selbst entspricht dafür heute längst nicht mehr dem aktuellen aventurischen Stand. Hier wird keinerlei authentisches Thorwal-Flair verströmt, sondern eher eine typische Piratenatmosphäre kreiert. Somit klingt vieles eher aus einem Jack-Sparrow-Film entnommen und klingt eher nach den Verhältnissen in Charypso denn nach Thorwal. Für Fans des Computerspiels „Schicksalsklinge“ passt dies umgekehrt ins Bild, wird Daspota dort doch als brandgefährlicher Ort dargestellt, an dem wirklich ausschließlich Piraten leben, die nur auf ein falsches Wort warten, um zu den Waffen zu greifen.

Sehr löblich hingegen ist die abschließende Umbaumöglichkeit zum Gruppenabenteuer. Zwar muss ein Spielleiter natürlich immer noch viel Arbeit leisten, um die inhaltlichen Informationen zusammenzutragen, dafür ist die Ausstattung mit Kartenmaterial vorbildlich. Allerdings fehlen auf der Karte die Liegeplätze der Schiffe, die sehr wesentlich für die Lösung sind. Hilfreich ist auch, dass die relevanten Informationen, die ermittelt werden müssen, im Anhang gebündelt vorhanden sind, auch dies erleichtert einen Umbau.

III. Fazit

„Liebliche Prinzessin Yasmina“ ist ein sehr humorvoll geschriebenes Abenteuer mit einigen durchaus modern anmutenden Spielmechanismen und einer guten Umbauhilfe für eine Gruppenumsetzung. Allerdings krankt es an unzähligen Sackgassen, die den Helden auf teilweise sehr unfaire Art und Weise in Todesfallen hineinmanövrieren. Zudem sind viele Inhalte nicht auf dem Stand des heutigen Aventurien, vor allem die Thorwal-Darstellung.

Bewertung: Retro-Faktor befriedigend

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