Rezension: Aventuria

Vorbemerkung: DSA besteht längst nicht mehr nur aus reinen Print-Rollenspielprodukten, sondern ist in viele Nischen aufgeteilt, neben dem Buchmarkt und den Computerspielen finden sich auch Ausflüge in den Brettspielbereich. Mit „Aventuria“ ist nun auch wieder ein Kartenspiel erschienen. Auch hier handelt es sich nicht um eine Premiere, schon in den 90er Jahren gab es schon einen (leider eher verunglückten) Versuch mit „Dark Force“. Besonders interessant erscheint mir an „Aventuria“ die Aufteilung in zwei unterschiedliche Spielmodi, den Duell- und den Abenteuermodus. Nachdem das lange Hickhack um Lieferung und Kartenqualität ein Ende gefunden hat, darf auch ich das Spiel seit der RPC endlich ausprobieren.

I. Inhalt

Die Spielbox enthält ein umfangreiches und stark unterteiltes Kartenset, dazu (vor allem für den Abenteuermodus) jede Menge Spielplättchen aus Pappe sowie eine Anleitung, die neben der reinen Spielbeschreibung für beide Spielmodi noch die Vorlesetexte und Anweisungen für die beiden Abenteuer „Silvanas Befreiung“ und „Der Erbe von Wildenstein“ beinhaltet.

Der Duellmodus stellt dabei die wesentlich simplere Spielvariante dar, geht es doch schlicht und einfach darum, sein Gegenüber (entweder zu zweit im Einzelduell oder zu viert in der Teamvariante) solange zu beharken, bis der Lebensmarker auf den Nullpunkt gefallen ist. Zur Auswahl stehen im Grundspiel vier prototypische Helden, der Zwerg Arbosch, die Elfe Layariel, die Magierin Mirhiban und der Streuner Carolan.

Dazu bedient man sich der 30teiligen Decks, die zu jedem der Helden existieren, bestehend aus Karten, die Einfluss nehmen auf die eigene oder gegnerische Angriffsstärke, z.B. durch verbesserte Ausrüstung, die einem mehr Angriffsmöglichkeiten verschafft (in den Bereichen des Nah- und Fernkampfes und der Magie). Dazu hat man allerdings gewisse Limits, die Karten werden durch Ausdauerpunkte erworben, die man wiederum dadurch erhält, dass man bestimmte Karten, für deren eigentliche Effekte man gerade keine Verwendung hat, unwiderruflich ablegt. Durch diese Vorgehensweise dauert es eine Weile, bis man auch in der Lage ist, richtig teure und somit auch besonders machtvolle Karten auszuspielen. Zu Spielbeginn richtet man also recht wenig Schaden an, je länger das Duell sich entwickelt, auf desto mehr Schlagkraft kann man zurückgreifen.

Deutlich komplexer ist der Abenteuermodus gestaltet, bei dem die Spieler nicht gegeneinander antreten, sondern zusammen Aufgaben lösen (es ist sogar auch als Solovariante spielbar). Hier kann man auf ein Storygrundgerüst zurückgreifen, das aus kurzen Vorlesetexten besteht. An bestimmten Punkten werden Talentproben verlangt, deren Resultate den folgenden Kampf beeinflussen, z.B. durch den Gewinn oder Verlust von Schicksalspunkten oder Handkarten. Im Kern steht aber immer noch das Kampfgeschehen, das aber viel aufwändiger als im Duellmodus ist, gibt es doch hier noch Ereigniskarten, Effektkarten für Anführer und spezielle Aktkarten, z.B. den gegnerischen Anführer oder besondere Aktionen, die durchgeführt werden müssen. So gibt es beispielsweise ein Szenario, in dem die Helden nur dadurch an den Schurken gelangen können, dass sie die Aufgabe einer Aktionskarte bewältigen, nämlich sich mit einem Kronleuchter mittels einer Talentprobe über eine Menge zu schwingen, die den Weg versperrt. Die Bedingungen sind je nach Spielerzahl unterschiedlich, zudem gibt es für jede Situation vier verschiedene Schwierigkeitsgrade, die z.B. die Zahl der Gegner erhöhen oder die Lebenspunkte für Anführer. Die Abenteuer weisen eine verschiedene Länge auf, bei „Silvanas Befreiung“ handelt es sich um einen Einakter, „Der Erbe von Wildenstein“ hat drei Akte. Auch hierfür gibt es Sonderreglungen, z.B. für die Regeneration verlorener Lebensenergie zwischen den Akten. Nach vollbrachten Aufgaben erhält man abschließend Belohnungen, z.B. neue Ausrüstungskarten, die man in sein eigenes Deck aufnehmen kann.

II. Kritik

Ich war anfangs etwas skeptisch, ob „Aventuria“ es schafft, in seiner Anlage als Duellspiel wirkliches DSA-Flair zu schaffen, schließlich ist der Kerngedanke von DSA ja die Kooperation. Und die Brett- und Kartenspiele der Vergangenheit waren überwiegend wenig dazu angetan, andere Hoffnungen zu wecken, handelte es sich allzu oft um Produkte, die primär den Markennamen verwendet haben, um erfolgreich zu sein, aber wenig aventurisches Heimatgefühl aufkommen ließen, z.B. „Dark Force“, das ziemlich eindeutig von der damaligen Magic-Erfolgsgeschichte profitieren wollte. Allerdings kann ich nach dem Austesten beider Spielmodi klar festhalten, dass es sich bei „Aventuria“ tatsächlich um ein Spiel handelt, in dem ich mein Aventurien wiedererkenne (anders als bei „Orkensturm“, dem man stellenweise anmerkt, dass es adaptiert wurde).

Das liegt zum einen an den Kartendecks, die zwar nicht immer exakt die Regeln widerspiegeln, wenn z.B. gleich mehrere Angriffe pro Spielrunde zur Verfügung stehen oder Magier nicht auf Astralpunkte als Ressource zurückgreifen müssen. Dafür hat jeder der vier Helden ein für seine Charakterklasse spezifisches Deck, das aber so ausgeglichen gestaltet ist, dass keiner eindeutige Vorteile hat. Zumindest bei meinen Probespielen mit den unterschiedlichen Konstellationen gab es in der Hinsicht keine Auffälligkeiten, der Streuner kann die Magierin genauso schlagen wie diese den Zwerg.

Im Grundspiel ist der Modus entsprechend einfach, so dass man relativ schnell die Regeln versteht und austesten kann, wie die besten Taktiken funktionieren. Taktische Tiefe kommt natürlich derzeit noch etwas eingeschränkt vor, da bisher lediglich Arbosch mehr als 30 Grundkarten hat. Mit mehr Erweiterungen dürften wohl auch noch mehr Spezialisierungen möglich sein. Die vier Grundhelden sind zwar relativ klischeehaft ausgewählt, haben aber den Vorteil, dass sie auf unterschiedliche Stärken und Schwächen zurückgreifen können, so dass sie sich doch sehr abwechslungsreich spielen. Der Glücks- und Würfelfaktor sorgt zudem dafür, dass ein Duell auch aus fast aussichtsloser Lage immer noch zu drehen ist.

Anders gestaltet sich der Abenteuermodus. Hier hat das abschließende Gefecht einen deutlich höheren Komplexitätsgrad. Das bietet den großen Vorteil, dass die Kämpfe tatsächlich ein wenig wie im Rollenspiel wirken, da die Karten so gestaltet sind, dass die Effekte eine gewisse Entwicklung aufweisen, wenn der Anführer auf erweiterte Optionen bis hin zur Dämonenbeschwörung  Zugriff hat. Die Auseinandersetzungen bekommen damit eine echte taktische Komponente, wenn man genau planen muss, in welcher Reihenfolge man gegen welchen Gegner vorgehen sollte und wofür man seine Ausdauer einsetzen will. Angenehm ist auch der frei wählbare Schwierigkeitsgrad, der Gefechte tatsächlich enorm verändern kann. Die Karten für die einzelnen Abenteuerbereiche sind zudem so gestaltet, dass jeder Akt seine eigene Atmosphäre erhält, z.B. erkennt man den leichten Comedy-Faktor von „Silvanas Befreiung“ durch das heitere Namenraten genauso wie den sich steigernden Horrorfaktor von „Der Erbe von Wildenstein“. Hier merkt man auch deutlich, dass die Macher sehr viel Arbeit in Design und Balancing gesteckt haben müssen.

Allerdings sorgen die Spezialdecks auch dafür, dass der Spielaufbau sehr umständlich ist, wenn man sich alle Anweisungen genau durchlesen muss, sehr viele verschiedene Aufnahmestapel und Pappmarker aufbauen und Runde für Runde jede Menge unterschiedlicher Aktionen berücksichtigen muss. Das sorgt dafür, dass der Abenteuermodus von Aventuria kein Spiel für Zwischendurch ist, sondern man alleine für den Aufbau schon Zeit mitbringen muss. Für erfahrene DSA-Spieler sind zudem die meisten Spielmechanismen vertraut, Anfängern fällt dies (zumindest bei meinen Testspielen) deutlich schwerer.

Die Abenteuertexte sind eine grundsätzlich nette Idee, so dass es kein reines Rumprügeln ist, sondern auch noch ein rudimentäres Hintergrundgerüst vorhanden ist. Einschränkend muss natürlich gesagt werden, dass man hier nicht dieselben Maßstäbe wie an die Rollenspielvorlage anlegen kann, die Texte sind sehr einfach verfasst und schlagen in wenigen Sätzen große Handlungsbögen, z.B. wird in „Der Erbe von Wildenstein“ einfach mal einer der Helden flugs mit einer tragischen Hintergrundgeschichte ausgestattet, ohne irgendeinen Einfluss darauf nehmen zu können. Das sehe ich aber nicht als wirklichen Nachteil, immerhin ist der zentrale Teil doch das Gefecht und das Ausspielen der Kartendecks, die Story ist lediglich ein reiner motivationaler Aufhänger ohne Tiefenschärfe. In dieser Hinsicht passt umgekehrt meiner Auffassung nach die Idee der Adaption von alten Abenteuern wie „Silvanas Befreiung“,  in denen ein hoher Trash-Faktor vorhanden ist.

Mit den Heldenbögen, steigerbaren Werten und sammelbaren Belohnungen, die das Kartendeck aufwerten, verfügt das Spiel sogar über eine Langzeitmotivation, die dafür sorgt, dass ich mich jetzt schon auf die angekündigten Fortsetzungen freue.

III. Fazit

Aventuria ist ein ausgesprochen kurzweiliges Spiel, dem man schon in seiner Aufmachung anmerkt, dass es mit Bedacht auf aventurische Verhältnisse zugeschnitten ist. Beide Spielmodi sind spaßig und abwechslungsreich gestaltet, mit der Einschränkung, dass der Abenteuermodus einen aufwändigen Aufbau benötigt, so dass „Aventuria“ sich nicht als Spiel für Zwischendurch anbietet. Dafür ist gerade im Abenteuermodus der Kampf sehr durchdacht ausgearbeitet worden, so dass die Gefechte fordernd sind und Effekte sich mit zunehmender Dauer realistisch kulminieren.

Bewertung: 5 von 6 Punkten

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