Rezension „Blutiger Wein“

Vorbemerkung: Mittlerweile hat sich für die Heldenwerk-Hefte das Thema Kriminalfall als ein zentrales Element eingebürgert, so hatten schon die beiden letzten Ausgaben „Sklaven für eine Nacht“ und „Rache ist Stockfisch“ einen Mordfall als Ausgangssituation. Auch das neueste Abenteuer „Blutiger Wein“ von Philipp Koch reiht sich hier ein, steht doch ein Mord in einem almadanischen Winzerort im Vordergrund, womit die Helden einmal mehr in die Rolle der Rechercheure schlüpfen dürfen.

In Zahlen:

– Heldenwerk Nr. 11

– 15 Seiten

– erschienen am 31.3. 2017 (zusammen mit dem Aventurischen Boten Nr. 182)

I. Aufbau und Inhalt

Vom Aufbau her ist das Heft nicht in den Ablauf einer chronologischen Handlung, sondern in einzelne Segmente aufgeteilt, die sich in Hintergrund/Vorgeschichte, Figurenbeschreibung, möglicher Handlungsablauf und Recherchemöglichkeiten gliedern.

Der Hintergrund des Abenteuers zeigt direkt eine Doppelbödigkeit auf, gibt es doch die Gelegenheit, in gleich zwei Mordfällen Ermittlungen anzustellen, einen aus einer lange zurückliegenden Vergangenheit und einen aus der unmittelbaren Gegenwart, der die gesamte Handlung initiiert.

Im Mittelpunkt stehen die Mitglieder der beiden konkurrierenden Winzerfamilien D´Artuna und Amhila, die seit Jahrzehnten einen offenbar tiefgreifenden Konflikt austragen, der im kleinen Dorf Horaskrug eine bestimmende Komponente ist. Allerdings wird dies zur Zeit des alljährlichen Winzerfestes ausgeblendet, wenn weitgehend Frohsinn herrscht. Hier haben beide Familien auch die Gelegenheit, ihre herausragende Stellung zu demonstrieren, produzieren sie doch die mit Abstand besten Weine der Region. Eine Eskalation findet nun statt, wenn nach dem Fest plötzlich die Leiche von Familienpatriarch Eslam D´Artuna aufgefunden wird und der örtliche Büttel umgehend Rondrigo, das Oberhaupt der Familie Amhila, als Hauptverdächtigen ausmacht und verhaftet.

An den Helden ist es nun, die Hintergründe der Tat zu recherchieren, wozu als Hilfsmittel Angaben vorhanden sind, welche Gerüchte und Informationen sie von den unterschiedlichen Dorfbewohnern erhalten können und welche Erkenntnisse sich am Tatort und aus einer Leichenbeschau gewinnen lassen. Je nach Intensität und Stoßrichtung der Recherche kann sich zuletzt auch noch eine zusätzliche Ebene ergeben, in deren Mittelpunkt ein altes Geheimnis aus den Tagen steht, als beide Familien noch freundschaftliche Beziehungen unterhalten haben.

II. Figuren

Die beiden wichtigsten Figurengruppen sind natürlich die konkurrierenden Familienclans um die Patriarchen Eslam und Rondrigo, die sich nach lang zurückliegender Partnerschaft (aus der Zeit der mittlerweile verstorbenen Großväter) in der Gegenwart entzweit haben, wodurch die Verdachtsmomente nach dem Mord naheliegen. Daneben dienen die weiteren Dorfbewohner vor allem als mehr oder weniger valide Informationsquellen. Interessant – gerade im Rahmen einer Mordermittlung – ist natürlich auch die schwer einzuschätzende Riege der Außenstehenden, die wegen des Winzerfestes in Horaskrug sind, als da wären unter anderem der feierfreudige Junker Jagold, die drei zur Unterhaltung angeworbenen Gaukler Tsanigunde, Phexian und Romborosch sowie einige Kopfgeldjäger, die im späteren Verlauf für Ärger sorgen können. Zudem gilt es auch, maßgebliche Autoritäten zu beachten, vor allem den Büttel Balduran, der das Gesetz offiziell vertritt und die Rahjageweihte Rahjane Herrlicher aus Punin, die das Winzerfest als ihre ureigene Domäne betrachtet.

III. Kritik

Eine gute Kriminalgeschichte steht und fällt mit der gelungenen Konstruktion der Tat, wozu es in erster Linie eines Täters bedarf, der sich clever genug verhält, um nicht sofort aufzufallen und doch genügend Fehler begeht, um letztlich die entscheidenden Indizien bieten zu können. Vor allem aber bedarf es eines passendes Motivs und der geeigneten Mittel, um einen geeigneten Kontrahenten für die Helden darstellen zu können.

Und genau hier liegt leider das große Problem des Abenteuers, der gesamte Plan des Täters ergibt für mich überhaupt keine Logik: Zwar verfügt er über ein Rachemotiv, da die ehemaligen Oberhäupter der Familien seinen Vater ermordet haben, allerdings werden seine Finanznöte fast als dringlicher bezeichnet, so dass er zunächst nur Gewinn abschöpfen will. Wenn er aber schon im Vorfeld mit seinem Erpressungsversuch gescheitert ist, liegt der Gedanke nicht unbedingt nahe, dass die Familien nach der Ermordung beider Patriarchen verhandlungsbereiter wären, im Gegenteil dürfte das die Fronten doch nur noch weiter verhärten. Somit wäre hier statt einen säumigen Schuldners der unversöhnliche Rächer die deutlich bessere Rollenausprägung gewesen. Eine alternative Möglichkeit wäre es natürlich gewesen, mit dem ersten Mord die absolute Entschlossenheit zu zeigen, um anschließend mit der Entführung eines der jüngeren Familienmitglieder die notwendige Verhandlungsbasis zu haben. In einem solchen Szenario hätte auch die an sich sehr klischeehafte Romeo und Julia-Konstellation mit den beiden Liebenden aus beiden Familien einen spielerischen Nutzen gehabt, die so ein wenig verschenkt wird.

Dazu allerdings fehlt es dem Täter aber an einer weiteren Komponente, er wird hier als Einzeltäter gezeigt, der als einzige Ressource über die eigene Handlungskraft verfügt. Stattdessen wird seine Position sogar noch mehr geschwächt, indem zusätzlich noch die Kopfgeldjäger auftauchen, um ihn aufzuspüren. Diese sind zwar offenkundig als Gegner für die Helden eingebaut worden, deutlich mehr Sinn hätte es aber für mich ergeben, ihm einige Schergen zur Seite zu stellen, mit denen er wesentlich mehr Handlungsoptionen und auch mehr ernsthaftes Gegnerpotential zur Verfügung hätte.

Kritisch sehe ich auch den Familienkonflikt als zentrales Element des Abenteuers. Zwar wird der Hintergrund des Zerwürfnisses erläutert, allerdings fehlt es mir an inhaltlicher Ausgestaltung, z.B. in Form von Konfliktszenen auf dem Winzerfest oder an beispielhaften Aspekten, die wirklich so etwas wie tiefgreifenden Hass aufzeigen könnten, der sich auf die gesamte Dorfgemeinschaft auswirkt (Gibt es absurde Trennungsrituale während des Winzerfestes?/ Wie wird die Rivalität im Alltag deutlich?). Stattdessen sind eigentlich an einigen Stellen eher schon Versöhnungstendenzen erkennbar (die Bitte des Großvaters um Ausgleich/ die Liebschaft von Emer und Arturo). Durchaus reizvolle Ansätze, die sogar im Abenteuer vorhanden sind, bleiben hingegen ungenutzt, wie z.B. die unterschiedliche politische Ausrichtung der Familienpatriarchen.

In anderen Bereichen des Abenteuers ist die Konstruktion deutlich stimmiger, die Figurenkonstellation ist breit genug aufgefächert, um eine ganze Reihe von möglichen Verdachtsmomenten zu ergeben, wenngleich das Vorgehen des Täters nicht immer besonders elegant ist: Besteht dessen Taktik doch vornehmlich im Unterschieben von Beweisstücken, wobei auch wenig berücksichtigt wird, dass Heldenhandlungen dies verhindern könnten (so ist die mögliche Variante eines zweiten Mordes sehr grob und nicht besonders glaubhaft ausgearbeitet, wenn u.a. darauf verwiesen wird, dass es riskant wäre, eine dunkle Gestalt anzugreifen, weil man sich selber zum Mörder machen könnte). Trotzdem kann die Interaktion mit den Dorfbewohnern viel Spielspaß ergeben, indem das kleine Dorf vergleichsweise viele (zum Teil temporäre) Bewohner aus unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen hergibt und es alleine schon einiges an Zeitaufwand kostet, diese zu befragen.

IV. Fazit

Leider ist mir „Blutiger Wein“ insgesamt in zu vielen Bereichen nicht überzeugend gestaltet, vor allem der zentrale Antagonist hat zu wenig Aktionspotential und keine einleuchtende bzw. logische Vorgehensweise. Der Handlungsrahmen ergibt zwar durchaus viele Interaktionsmöglichkeiten, viele Bereiche sind aber zu klischeehaft (vor allem die Familienkonstellation) oder zu wenig ausgearbeitet gestaltet bzw. werden eigentlich vorhandene Elemente nicht genutzt.

Bewertung: 2 von 6 Punkten

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