Rezension: Gekreuzte Klingen

Vorbemerkung: Ulisses hat ja bereits vor einiger Zeit einen kleinen Testballon zur aktiven Mitgestaltung aventurischen Geschehens losgelassen, als die Spielerschaft dazu aufgefordert war, ihre Stimme bei der Wahl zum neuen Adelsmarschall des Bornlandes abzugeben. Dies soll nun anscheinend ein regelmäßiges Element werden. Mittel dazu ist nun das neue Heldenwerk-Heft Gekreuzte Klingen – Tage der Leuin I. Die Spieler (und Leser) haben dieses Mal die Gelegenheit, ihr persönliches Spielergebnis bzw. ihren Wunschausgang mitzuteilen.

In Zahlen:

– Heldenwerk Nr. 15

– 15 Seiten

– Erschienen am 30.11. 2017

I. Inhalt und Aufbau

Das Abenteuer verfügt für ein Heldenwerk über einen vergleichsweise komplexen Hintergrund, demzufolge werden gleich drei Seiten auf dessen Erläuterung verwendet: Im Kern geht es um die Rivalität um weltliche und politische Macht, verkörpert durch den Ordenskomtur der Ardariten, Ancuiras Alfaran und den frisch ernannten Meister des Bundes, Romur Clamorpio von Schreyen. Beide stehen für unterschiedliche Ausrichtungen, Ancuiras für eine politische Orientierung des Ordens, Romur für Neutralität. Dahinter steht letztlich die Frage, wer in der Gunst der Mächtigen des Horasreichs höher steht, um als Erzherrscher von Arivor und Umgebung zu fungieren.

Dieser Konflikt wird allerdings im vorliegenden ersten Teil der Mini-Kampagne noch nicht ausgetragen, vielmehr steht zunächst ein deutlich handfesteres Geschehen im Vordergrund: Reliquienfälschung. Im Zuge der Zerstörung Arivors sind viele Heiligtümer der Rondra verlorengegangen, unter anderem der Jagdspeer Acano ya Toreses, eines Vorfahren von Ancuiras. Allerdings tauchten zuletzt mehrere Fälschungen auf, die aber so gut waren, dass der Verdacht naheliegt, dass die Fälscher das Original aus den Ruinen Arivors entwendet haben. Nachdem die Helden sich zu Beginn des Abenteuers bei der Verhinderung der Flucht eines verurteilten Verbrechers hervorgetan haben, werden sie von Domaldo von Westfar, einem Konkurrenten Ancuiras, mit der Verfolgung der flüchtigen Anführerin der Bande und der Wiederbeschaffung des Speers betraut. Dabei geraten sie während ihrer Nachforschungen im Ort Sorbik zwischen die Fronten des Machtkampfes um die Vorherrschaft in der Region, wenn die Stadt vom Ancuiras und seinen Truppen belagert wird, bis die Herausgabe des Speers erfolgt (der sich aber gar nicht in der Stadt befindet). Somit ist es die Aufgabe der Helden, den Aufbewahrungsort der Reliquie zu ermitteln. Das Finale findet schließlich in einem alten Heiligtum statt, wo die Bande gestellt werden kann. Dort offenbart sich zuletzt das Geheimnis des Speers, welches reale Auswirkungen auf den aktuellen Machtkampf hat.

Diese Konsequenzen werden aber nur angedeutet, da genau das Teil der Abstimmung sein soll, womit die finale Entscheidung der Mehrheit der Spieler Auswirkungen auf das Machtgefüge der Region um Arivor haben dürfte, welche mutmaßlich eine Entscheidung zwischen Ancuiras und Romur herbeiführen wird.

II. Figuren

Im Prinzip sind es drei höchst unterschiedliche NSCs, mit denen die Helden konfrontiert werden: Von den beiden zentralen Figuren treffen sie nur mit Ancuiras zusammen, während Romur noch keinen Auftritt hat. Ancuiras lernen sie dabei als prinzipientreuen Gegner kennen, der ihnen als Belagerte aber eine faire Chance einräumt, Sorbik vor einem bewaffneten Kampf zu verschonen. Ihr eigentlicher Auftraggeber Domaldo von Westfar ist hingegen der klassische Intrigant, der jede Gelegenheit nutzen will, die sich ihm bietet, um seine Machtposition zu festigen oder gar auszubauen. Sein Auftrag hingegen ist grundsätzlich untadelig, dient er doch zur Abwehr des frevelhaften Handels mit den Fälschungen. Ihre konkrete Gegenspielerin Rumina ist zwar eine verbissene Antagonistin, jedoch eigentlich eine tragische Figur, die mit dem Untergang Arivors sowohl ihre Tochter als auch jegliche ehrliche Existenzgrundlage verloren hat und deshalb die Fälscherbande ins Leben gerufen hat.

III. Kritik

Genau in dieser Zweiteilung der Handlung zwischen dem übergeordneten Intrigenplot und dem Ausheben einer Fälscherbande liegt für mich das Problem des Abenteuers. Letztere Grundgeschichte funktioniert relativ schnörkellos, von der Flucht der Anführerin zu Beginn über die Recherchearbeit im Mittelteil bis zum kampflastigen Finale. Das ist weitgehend konventionell beschrieben, passt in der Überschaubarkeit gut in das Heldenwerk-Format, ohne das Rad neu zu erfinden. Positiv ist der atmosphärische Finalort anzuführen, in dem sich die Konfrontation weitgehend frei gestalten lässt.

Was für mich aber nicht funktioniert ist die Hintergrundgeschichte um Romur und Ancuiras. Politische Intrigen, die auch noch mit alten Mysterien verbunden werden, sprengen meiner Auffassung nach den Rahmen eines Heldenwerks, zumal die Vorgeschichte etwas wirr erläutert wird. Ich musste den Anfang mehrfach lesen, um die Zusammenhänge zu verstehen, es werden sehr viele Namen, politische und religiöse Ämter und historische Zusammenhänge in einen Topf geworfen, zumal dann neben den beiden Konkurrenten Romur und Ancuiras mit Domaldo noch eine weitere Figur hinzugefügt wird, die wiederum ihr eigenes Süppchen kocht und dann bei der Belagerung von Sorbik Ancuiras ausgerechnet auch noch der Mann als Kommandant der Verteidiger gegenübersteht, der im Thronfolgekrieg seine Frau getötet hat. Unterm Strich sind mir das ein paar Verwicklungen zu viel.

Die grundsätzliche Idee der Spielereinbindung finde ich großartig, eine Spielwelt, die man noch aktiver mitgestalten kann, hat etwas Lebensechtes. Und natürlich ist es auch vollkommen logisch, dass solche Entscheidungen großformatiger und von längerfristiger Konsequenz sein sollten als das Ausheben eines Schurkenunterschlupfs. Die Herrschaft einer Figur über einen wichtigen Bereich als Thema ist vollkommen passend, weil es echte Tragweite hat. Nur würde ich mir dann eine klarere Struktur wünschen, z.B. in Form einer weniger narrativ erzählten Hintergrundgeschichte, sondern einer genauen Gegenüberstellung beider Kontrahenten mit ihrer Agenda, ihrer politischen und religiösen Ausrichtung und der Wahl ihrer Mittel und eben auch einer deutlichen Erläuterung, welche Rolle der Speer ganz konkret im Machtkampf spielen wird (die Hintergrundgeschichte ist nämlich total verwirrend und mir ist auch nicht ganz klar, wieso eine derart lange zurückliegende Entscheidung die aktuelle Frage dermaßen beeinflussen soll). Das war in Fall der Adelsmarschallswahl insofern besser geregelt, als dass dort eine deutlich strukturierte Vorstellung der Akteure vorgenommen wurde und auch ganz klar war, was die Position beinhaltet, um die es geht. Hier ist ja auch eher ein Spezialthema aufgegriffen worden mit dem Bereich der Rondrakirche, was ja auch noch verquickt wird mit weltlichen Aufgaben. Bei dem einen oder anderen Leser (wie auch mir) erzeugt das größeren Bedarf an Hintergrundinformationen. Sicherlich wird aber eine endgültige Einordnung der Gesamtgeschichte erst mit dem Erscheinen des zweiten Heftes möglich sein. Aber wenn dieser erste Teil den zweiten beeinflussen soll, fände ich klarere Perspektivvorgaben besser.

Lobenswert ist dafür der Ansatz, die Geschichte des zerstören Arivors weiterhin aufzugreifen und weiterzuentwickeln. Hier zeigt sich, dass die Vernichtung eines so traditionsbeladenen Schauplatzes kein Akt der Willkür war, nur um einen möglichst effektreiches Geschehen zu ermöglichen, sondern dass das Resultat dazu genutzt wird, um Folgeplots zu generieren.

IV. Fazit

Gekreuzte Klingen stellt ein interessantes Experiment zur Spielereinbindung dar, was ein sehr guter und löblicher Ansatz ist, der unbedingt fortgeführt werden sollte. Um dies nachvollziehbarer zu gestalten, bräuchte das Abenteuer aber meiner Auffassung eine klarere Struktur, um die Agenda der handelnden Figuren klarer offenzulegen, was hier leider misslingt, stattdessen ist die Hintergrundgeschichte überfrachtet. So bleibt am Ende ein eher konventionelles Abenteuer um gefälschte Reliquien.

Bewertung: 3 von 6 Punkten

2 Kommentare

  1. …bei der Einleitung ging’s mir ganz genauso. Und ich dachte, das läge daran, dass ich in Aventurien nicht mehr so tief drinstecke wie noch vor zehn Jahren 🙂

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