Retro-Check: Die sieben magischen Kelche

Vorbemerkung: Die meisten Abenteuerbände, die im Zuge des Kaiser Retro-Crowdfundings neu aufgelegt wurden, habe ich schon einmal im Rahmen eines Retro-Checks thematisiert. Die einzige Ausnahme bildet in dieser Hinsicht Die sieben magischen Kelche von Hans-Joachim Alpers (hier und seinem Pseudonym Claus Lehnte verfasst), nachdem ich lediglich den Vorläufer Das Schiff der verlorenen Seelen rezensiert hatte, allerdings mit keinem guten Ergebnis, wobei vor allem das krude Dungeon-Design (wohlgemerkt auch im Vergleich mit anderen DSA1-Publikationen) ins Auge stach.

In Zahlen:

– 64 Seiten

– Erschienen 1984

– Preis: 12,95 Euro (in der heutigen Neuauflage)

I. Aufbau und Inhalt

Die sieben magischen Kelche knüpft exakt da an, wo der Vorgänger endete. Genaugenommen stellte Das Schiff der verlorenen Seelen ja eher eine Unterbrechung der Haupthandlung dar, wurde doch die Suche nach den titelgebenden Kelchen dort von einer Begegnung mit einem unheimlichen Zauberschiff gestört. Nunmehr im Süden Aventuriens angekommen, kann diese Suche fortgeführt werden. Das wird wiederum durch einen Vorlesetext begonnen, der wortgleich aus dem 1. Band übernommen wurde und die Vorgeschichte erzählt, nun jedoch ergänzt um eine kurze Zusammenfassung der Geschehnisse aus Das Schiff der verlorenen Seelen. Zuletzt bleibt weiterhin der Auftrag bestehen, die sechs entwendeten Kelche zurückzugewinnen (immerhin die Grundlage, um dereinst das Schwert Siebenstreich wieder zusammensetzen zu können), die von dunklen Mächten entwendet wurden.

Der Faktor „Reiseabenteuer“ wird aber vollkommen ausgeklammert, setzt der Vorlesetext die Helden doch direkt vor dem Aufbewahrungsort der Kelche ab, einer Pyramide voller Gegner, Fallen und Schätzen. Somit handelt es sich um ein reines Dungeonabenteuer, wobei alle Erzählinhalte an den jeweiligen Raumbeschreibungen angebracht werden. Die einzelnen Räume werden dabei sehr von ihren jeweiligen Bewohnern bestimmt, einer illustren Mischung aus Orks, Krakoniern, einem Vampir und einem Riesenaffen und einer Riesenschlange sowie weiteren Kreaturen. Dazu trifft man auch auf einige Priester, die Herrscher der Anlage. Daneben findet man an einigen ausgewählten Stellen die namensgebenden Kelche, allerdings muss man dazu in der Regel Fallen oder Gegner überwinden. Die großflächige Anlage bedingt, dass gleich 5 Seiten für die Pläne des Schicksals verwendet wurden.

Auffällig sind die vergleichsweise sehr detaillierten Raumbeschreibungen, die sich teilweise über eine ganze Seite ziehen und viele Einzelheiten aufnehmen. Zudem sind manche Figuren nicht nur rein statische Begegnungen, sondern können an anderer Stelle eingreifen.

Im Anhang ist wie bei vielen der allerersten Abenteuer ein kleines Bestiarium enthalten, um das Basisspiel um neue Wesenheiten zu erweitern. Zudem hat auch hier wieder Werner Fuchs seinen Beitrag geleistet, indem er das Abenteuer seines alten Weggefährten Hans-Joachim Alpers kommentiert.

II. Kritik

Tatsächlich knüpft das Abenteuer in vielerlei Hinsicht nahtlos an den Vorgänger an. Wiederum erscheint die Wohngemeinschaft aus den unterschiedlichen Kreaturen ausgesprochen abstrus, allerdings ist der echsische Schwerpunkt durchaus erkennbar, wobei in diesem Zusammenhang merkwürdig anmutet, dass die Priester Menschen sind. Somit verbleibt in klassischer Hinsicht ein Dungeoncrawl, der den Helden viele Kämpfe abverlangt sowie das Überwinden einiger Fallen, während man die Kelche nach und nach einsammeln kann.

Die an sich sehr atmosphärische Geschichte wird aber – ebenfalls typisch für die Klassiker – nicht fortgeführt. So sind zwar mit den Priestern Anführer vorhanden, die auch eine gewisse Kontrolle zu haben scheinen, ihre Agenda wird aber nicht deutlich, z.B. was ihre konkreten Vorhaben bei der Entwendung der Kelche waren. Umgekehrt gebührt dem Abenteuer damit auch der Verdienst, mit den Kelchen und Siebenstreich eine gewichtige Komponente des späteren Metaplots eingeführt zu haben. Genauso sind mit Rakorium und Stoerrebrandt ikonische Figuren Teil der Handlung, ebenso wird zum ersten Mal Basilius erwähnt.

Etwas schade ist, dass die Verbindung zum ersten Teil extrem rudimentär ausgefallen ist, dieser wird im Prinzip lediglich im Rahmen der leicht erweiterten Vorgeschichte aufgegriffen, was vor allem den Eindruck einer bloßen Wiederholung erzeugt. Weder trifft man alte Bekannte aus Das Schiff der verlorenen Seelen, noch spielen irgendwelche Resultate des ersten Bandes eine Rolle (gewonnene Artefakte etc.).

Ohnehin liefert Hans-Joachim Alpers hier einen wilden Mix zwischen durchaus atmosphärischen Einfällen und teils vollkommen unpassenden irdischen Verweisen: So gefällt mir grundsätzlich die Idee des Riesenaffen Gorgon, der eben nicht unbedingt als Schwertfutter angelegt ist, sondern durchaus auch einen (wenn auch unsicheren) Verbündeten darstellen kann. Der Verweis aber, dass ihm „der Hollywood Filmproduzent Dino de Laurentiis […] eine Rolle im nächsten King-Kong-Film angeboten hat“, reißt dann aber extrem aus der Situation heraus, ähnliches gilt für den Kobold, der wie ein Musketier aussehen will oder ein Rätsel, das sich auf einen Song der Rolling Stones bezieht.

Als ausgesprochen gewöhnungsbedürftig erscheinen die Innenillustrationen, die nicht mit den anderen Abenteuern aus dem Crowdfunding mithalten können, u.a. weil sie teils bei den Figuren etwas unproportional und grob wirken. Hier handelt es sich um die Erstauflage, schon in der alten zweiten Auflage wurden andere Bilder verwendet. Der Vergleich führt bei mir zu dem Schluss, dass schon damals die Änderungen vollkommen zurecht vorgenommen wurden. Hier hätte ich die zweite Auflage eindeutig vorgezogen und Qualität über Authentizität gestellt.

Die abschließenden Anmerkungen von Werner Fuchs sind zwar gewohnt humorig und durchaus unterhaltsam, allerdings mutet es etwas merkwürdig an, jemanden zu einem Abenteuer zu befragen, der den Band laut eigener Aussage nie gelesen hat und sich deshalb nur auf ein paar Passagen beziehen kann, die ihm von Orkenspalter TV vorgetragen wurden. So ist dieser Teil eher interessant in Sachen Arbeits- und Kompetenzaufteilung zwischen den drei DSA-Urvätern.

III. Fazit

Hauptsätzlich bleiben einige Schöpfungen von Hans-Joachim Alpers erinnerungswürdig, die auch noch im modernen Aventurien von Bedeutung sind. Grundsätzlich überwiegt aber ein wenig überzeugender Gesamteindruck. Die sieben magischen Kelche mag über eine gute Grundidee verfügen mit der fallen- und gegnergespickten Pyramide, allerdings fällt die Umsetzung an vielen Stellen zu abstrus aus. Zusätzlich schmälern einige viel zu irdische Anspielungen das Resultat, was durch die eher schwachen Illustrationen noch verstärkt wird. Letztlich ist der Band tatsächlich eher dazu angetan, als ein Kuriosum mit hohem Trashfaktor zu bestehen (wobei natürlich durchaus ein hoher Spaßfaktor aufkommen kann)

Bewertung: Retro-Faktor ausreichend

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