Rezension: Ein Fest für die Augen

Vorbemerkung: Auch wenn ich die große Wege der Vereinigungen-Welle hier im Blog eigentlich schon hochoffiziell für beendet erklärt habe, ist das Thema Lust und Liebe in DSA-Publikationen aktuell offenbar nicht totzukriegen. Das neue Heldenwerk-Heft Ein Fest für die Augen von Christian Nehling orientiert sich in eine ähnliche Richtung, stellt es doch Aranien und dessen oronisches Erbe in den Vordergrund. Zugegebener Maßen bin ich etwas skeptisch, ob ich mich für eine weitere Publikation in dieser Richtung begeistern kann, nachdem die vorherige Fülle für eine gewisse Übersättigung gesorgt hat und bei mir der Wunsch nach „normalen Abenteuern“ deutlich überwiegt.

In Zahlen:

– 16 Seiten

– Heldenwerk Nr. 20 (Erschienen mit dem Aventurischen Boten 191)

– Erschienen am 28.9. 2018

I. Aufbau und Inhalt

Im Kern des Abenteuers stehen zwei Schauplätze in Zorgan, um die herum der Rest des Abenteuers konstruiert ist. Nach der Anwerbung durch eine Vertreterin der Mada Basari besteht die erste Bewährungsprobe der Helden darin, sich Zugang zum Förderfest des Typographischen Instituts zu verschaffen. Es besteht der Verdacht, dass dort Schwarzmarktgeschäfte abgewickelt werden, ohne die Mada Basari in den Handel einzubeziehen. Vor allem ist in letzter Zeit eine besonders wirksame Schönheitscreme im Umlauf, die aufgrund ihres exklusiven Preises nur in den gehobenen Kreisen kursiert. Tatsächlich stoßen die Helden auf eine passende Spur, geschieht auf dem Fest doch ein Verbrechen, das offenkundig im Zusammenhang mit dem Schwarzmarkthandel steht.

An dieser Stelle entwickelt sich ein Schwerpunkt auf ein Detektivabenteuer, müssen die Helden doch die NSCs auf dem Fest beobachten und später deren Bewegungen am Abend nachvollziehen. Hierzu finden sich kurze Personenbeschreibungen mit relevanten Details (z.B. Verdachtsmomente und Tatortdetails), dazu ein Zeitplan und mögliche Rechercheergebnisse.

Letztlich dürfte das Eingreifen der Helden zur Überführung der verantwortlichen Person führen, womit das Abenteuer aber längst noch nicht abgeschlossen ist. Die weitere Recherche sollte den Weg zu den Hintermännern des verbotenen Handels weisen. Das Finale findet wiederum in einem größeren Gebäude statt und hat durch das Eindringen an einen Ort mit eher feindlich eingestellten Bewohnern eindeutig den Charakter eines Dungeon-Crawls, dementsprechend schlägt hier auch die Stunde der Kämpfer, gilt es doch sich mit einer gefährlichen Kreatur auseinanderzusetzen. Als Hilfestellung für den Spielleiter ist eine Karte des Gebäudes samt Kurzbeschreibung der einzelnen Räume vorhanden, sowie die Gegnerwerte.

II. Figuren

Für Zorganer Verhältnisse erfolgt der fast schon obligatorische Auftritt des Besitzers des Roten Kamels, der dortigen Lieblingsabsteige für Freischaffende in Sachen Heldenarbeit. Allerdings ist dieses Mal nicht Taref selbst der Auftraggeber der Helden, sondern seine Cousine Ayshira Oyan, die mit den Mitteln der Mada Basari als kompetente Helferin auftreten kann, aber – passend zum Charakter der Organisation – eher im Hintergrund auftritt.

Die weiteren Figuren stellen einen Querschnitt aus der Oberschicht Zorgans dar, die auf dem Fest des Instituts auftreten, und folgend aus einer Reihe von Unterweltgestalten, die vor allem gen Finale eine Rolle spielen. Interessant ist hier der Aspekt, dass längst nicht alle tiefdunkle Kultisten sind, sondern z.T. eher zufällig in die Ereignisse verwickelt wurden.

III. Kritik

Tatsächlich ist die Thematik des Abenteuers, das Stoppen oronischer Umtriebe sowie die Bekämpfung eines Dämons aus der Domäne von Belkelel, vergleichsweise kurz nach dem Erscheinen von Wege der Vereinigungen sicher kein Zufall. Allerdings muss ich direkt einschränken, dass meine anfänglichen Befürchtungen nicht zutreffen, Ein Fest für die Augen erweist sich als ausgesprochen kurzweilig und spannend, die Lustthematik hat hier keinen Selbstzweck, sondern ist letztlich vor allem der Aufhänger für ein Rechercheabenteuer.

Die Schönheitscreme als eine Art von Droge in exklusiven Kreisen ist ein glaubhafter Anlass und passt auch zu der noch längst nicht überwundenen oronischen Vergangenheit Zorgans. Im Kontrast dazu steht zunächst der eher leichtgängige Einstieg in Form des Festbesuchs, der aber schnell einen ernsten Kontext erhält, sobald der Mord geschieht. Dessen Konstruktion und Aufklärung ist solide gestrickt, ohne jedoch in Motiv und Ausführung besonders originell zu sein. An dieser Stelle erweisen sich einmal mehr die Grenzen eines Heldenwerks, stehen doch zur Figurenbeschreibung jeweils nur wenige Zeilen zur Verfügung, was dem Spielleiter einiges an zusätzlicher Ausgestaltungsarbeit abverlangen dürfte, um den entsprechenden NSCs ein breiteres Profil zu verleihen. Für den Hintergrund der Stadt Zorgan gilt im Prinzip dasselbe wie für alle Heldenwerk-Publikationen: Das Erscheinen der entsprechenden Regionalspielhilfe dürfte eine große Bereicherung darstellen, wenn für sämtliche Örtlichkeiten genauere Beschreibungen existieren und Material zur Ausschmückung vorhanden ist.

Gut gefällt mir die Kombination aus Detektivabenteuer und einem potentiell kampflastigen Finale. Der Finalort ist anschaulich beschreiben und dürfte die Helden vor einige Herausforderungen stellen, gilt es doch, sich mit einem Zirkel von fanatischen Kultisten und einem Dämon auseinanderzusetzen. Ein interessantes moralisches Dilemma ergibt sich zudem in der Frage, wie mit der eher unfreiwillig in diese Umgebung geratenen Urheberin der Schönheitscreme umzugehen ist, kann diese doch gleichzeitig Gegnerin als auch hilfreiche Verbündete sein. Ohnehin sind gerade im zweiten Teil des Abenteuers im Halbweltbereich eine Reihe von spannenden Figuren vorhanden.

Der Verlauf des Abenteuers ist zwar relativ gradlinig konstruiert (für viele Plotabzweigungen ist ja auch kein Platz vorhanden), allerdings ist die Recherchekette durchaus logisch erstellt, indem die Helden jeweils die Informationen erhalten, die sie als nächstes Puzzlestück benötigen. Z.B. kann ihnen der überführte Täter den entscheidenden Hinweis geben, wie sie wiederum an einen möglichen Informanten zum Unterschlupf der Drahtzieher kommen können.

IV. Fazit

Insgesamt erscheint er mir fast sogar schade, dass Ein Fest für die Augen nicht Eingang in eine der beiden Anthologien zu Wege der Vereinigungen gefunden hat, hätte es doch mit der gelungenen Mischung aus Detektivabenteuer und Dungeoncrawl dieser einen positiven Aspekt hinzugefügt, kann mich zudem auch mehr überzeugen als das vergleichbare Das Bordell der geheimen Lüste. Der Schauplatz Zorgan sorgt zudem für einen angenehmen Kontrast zum leichtlebigen Belhanka, erhält das Geschehen doch einen deutlich düsteren Touch, ahnt man doch zunehmend, mit welchen Gegnern man es zu tun hat. Der erste Teil auf dem Förderfest hätte allerdings ein wenig mehr Beschreibungen der Figuren und Hintergründe verdient gehabt.

Bewertung: 5 von 6 Punkten

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