Rezension: Drei Farben Schnee

Vorbemerkung: So langsam nähert sich das Jahr seinem Ende, allerdings stehen tatsächlich noch eine ganze Reihe von DSA-Produkten aus, die bis Ende 2018 noch erscheinen sollen. Eine etwas ältere „Neuheit“ soll heute im Mittelpunkt stehen: Drei Farben Schnee von Niklas Forreiter ist nämlich genau genommen nicht funkelnagelneu, sondern wurde schon auf dem Kaiser-Raul-Konvent und der RatCon ausgegeben. Allerdings ist das Heldenwerk erst seit kurzem frei erhältlich, entweder einzeln als PDF oder gedruckt als Teil des Heldenwerk-Archivs II. Ich habe letzteres auf der SPIEL erworben, möchte allerdings das Archiv als Ganzes in einem späteren Blogeintrag besprechen und habe mich daher entschieden, das Heft auszugliedern (somit beschränke ist mich auch nur auf die Originalinhalte und lasse die Archiverweiterung hier aus).

In Zahlen:

– 13 Seiten

– enthalten im Heldenwerk-Archiv II (oder als Einzel-PDF)

– erschienen am 26.10.2018

I. Aufbau und Inhalt

Zunächst beginnt das Abenteuer mit der Vorgeschichte, die vor allem Tragik und Verderbtheit zum Thema hat. Für die Helden relevant ist die Einführung, in der vorgesehen ist, dass sie von der bornländischen Adeligen Janne von Tritzow als Begleitschutz angeworben werden, um sie auf einer Reise zu einem abgelegenen Tal in den Nordwalser Höhen zu belgeiten, wo sie als Gast auf der Hochzeit von Elkwinja von Lejenfels und Panek Wetterow eingeladen ist. Hier ergibt sich allerdings statt einer feucht-fröhlichen Hochzeitsfeier schnell ein eher blutiges Spektakel. Räumlich eingeschränkt wird die Handlung zudem durch aufkommendes schlechtes Wetter, welches das Tal von der Außenwelt abschneidet.

Im Wesentlichen besteht das Detektiv-Abenteuer aus drei Teilen: Zunächst werden alle Anwesenden vorgestellt, wobei es sich zum einen um die Familienmitglieder der Familie von Lejenfels handelt und deren Bedienstete. Zudem sind natürlich auch einige Gäste anwesend. Hier finden sich jeweils eine Kurzbeschreibung, das Verhalten und die Informationen, die man von dem NSC erhalten kann sowie die spielrelevanten Werte. Daneben existiert ein Gebäudeplan von Burg Lejenfels mit einer kurzen Schilderung der einzelnen Räumlichkeiten.

Die Handlung wird nicht umfassend ausgearbeitet, sondern liegt in kurzen Episoden vor, wozu unter anderem zwei Morde gehören, aber eben auch die Recherchemöglichkeiten der Helden und die Aktionen der anderen Figuren. Für die Tatorte gibt sich beispielsweise ausführliche Angaben mit möglichen Ermittlungsergebnissen. Da der Verlauf der Handlung nicht exakt vorhersehbar ist, sind viele Szenen optional und auch für das denkbare Finale werden mehrere Alternativen aufgezeigt.

II. Figuren

Auch wenn ein Heldenwerk naturgemäß wenig Raum für ausgiebige Figurencharakterisierungen bietet, sind im Rahmen einer Krimihandlung die Anwesenden vor allem als Verdächtige, Gegenspieler und Verbündete interessant. Wichtig sind hier natürlich zunächst die Gastgeber selbst, zum einen der verschlossene Burgherr Tirulf, der seltsam passiv erscheint und die Gastgeberpflichten weitgehend seinem Sohn Ertzel überlässt. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht zudem das Brautpaar. Hier erscheint bemerkenswert, dass Elkwinja, die Tochter Tirulfs keinen anderen Bronnjar ehelicht, sondern mit Panek einen städtischen Patrizier. Gleichzeitig stellt dies eine Zurückweisung des ebenfalls anwesenden Firunakoluthen Arnwulf dar, der ursprünglich Elkwinja versprochen war. Eine sehr dominante Rolle nimmt zudem der Ritter Rajowin ein, der als alter Freund Tirufs vollstes Vertrauen genießt und sich in viele Angelegenheiten einmischt.

III. Kritik

Eingeschneit auf einer finsteren Burg, Morde und verschwundene Personen, Vampirismus und Dämonen – die Einzelzutaten klingen in der Summe wie ein Film aus den legendären Hammer-Studios, dezent gewürzt mit einer Prise Agatha Christie. Bei mir stellt sich tatsächlich das Gefühl ein, dass jeden Moment Christopher Lee und Peter Cushing an die Tür klopfen müssten, um die Atmosphäre komplett zu machen.

In der Tat ist die Atmosphäre die größte Stärke des Abenteuers, wenn vom bornischen Winter die Rede ist, der die Kulisse für diverse alte Geheimnisse und aktuelle Untaten darstellt. Unterstrichen wird dies von einer guten Figurenriege mit sehr unterschiedlichen Charakteren, die allerlei Konstellationen von Bündnissen und Feindschaften ermöglichen. Besonders reizvoll erscheint mir hier vor allem Rajowin, der als Konkurrent der Helden aufgebaut werden kann, sicherlich in einer Bandbreite vom lästigen Störer bis hin zum Hauptverdächtigen denkbar. Ohnehin tragen – wie in jedem guten Kriminalstück – jede Menge der Figuren das Potential für gute Verdächtige in sich, neben Rajowin sind noch mehrere NSCs vorhanden, die gewisse Charakterzüge und Verhaltensweisen in sich tragen, die dazu angetan sind, die angemessene Prise Argwohn oder Antipathie zu erzeugen, vom verschlossenen Burgherrn über dessen melancholischen Sohn bis hin zum offenkundig zurückgewiesenen ursprünglichen Anwärter auf das Eheversprechen.

Ein Kriminalfall stellt sicherlich immer besondere Anforderungen an den Spielleiter, gibt es doch etliche Unwägbarkeiten in den Recherchewegen der Helden, insbesondere magische Fähigkeiten stellen oft ein Problem dar. Das ist hier allerdings gerade beim ersten Mord so gelöst, dass beispielsweise eine Beschwörung des Geistes des Ermordeten keine besonderen Erkenntnisse zutage fördert. Umgekehrt sind genug Spuren und Indizien ausgelegt, denen man folgen kann, ohne dass die wirklichen Umstände allzu leicht in Erfahrung zu bringen wären. Hier stehen zwar wie erwähnt letztlich nur ein paar grobe Handlungsaspekte zur Verfügung, die ich allerdings eher als variable Optionen auffasse, beispielsweise ist der zweite Mord keine Notwendigkeit, ähnliches gilt für weitere Geschehnisse. Schade ist, dass sehr atmosphärische Szenen wie die mögliche Erkundung der alten Mine lediglich in einer Handvoll Zeilen aufgeführt werden können, hier liegen aber nun einmal die schon oft angesprochenen Grenzen eines Heldenwerks. Ähnlich gelagert ist dies im Fall des Finales, auch hier werden lediglich verschiedene Konstellationen vorgeschlagen, die Umsetzung obliegt dem Spielleiter.

Allerdings muss umgekehrt lobend hervorgehoben werden, dass die dazu notwendigen Hilfsmittel durch die guten Figurenbeschreibungen und die Schilderung des Schauplatzes (der ja durch die glaubwürdige Eingrenzung auf die Burg und die unmittelbare Umgebung eingeschränkt ist) gegeben werden und hier ein sehr freies Agieren ermöglicht wird. Besonders reizvoll ist dabei auch der Umgang mit dem einen oder anderen Dilemma, z.B. wenn man feststellt, dass mindestens eine der Schurkenfiguren zumindest einen guten Grund für ihre Untaten hat und generell vor allem tragische Umstände zur derzeitigen Problematik geführt haben.

Interessant ist zuletzt auch die Genreverquickung zwischen der Krimihandlung und den Horrorelementen: Es dürfte für den einen oder anderen Überraschungsmoment sorgen, dass die Verbrechen letztlich nur das Vorspiel für den großen Showdown darstellen, in dem ein ganz anderer Handlungskontext im Vordergrund steht, der neben einer klugen Kombinationsgabe auch einen starken Schwertarm fordert.

IV. Fazit

Drei Farben Schnee ist ein sehr atmosphärisches Krimiabenteuer, das eine klassische Mordermittlung zunehmend mit Horrorelementen verbindet. Der Spielleiter kann dazu aus einer interessanten Personenkonstellation und einer passenden Örtlichkeit schöpfen, allerdings müssen viele Handlungselemente weitgehend selbstständig ausgefüllt werden, da hier jeweils nur knappe Anregungen vorhanden sind.

Bewertung: 5 von 6 Punkten

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