Das Geheimnis des Drachenritters II: Die Gruppenabenteuer

Vorbemerkung: Das erste Gruppenabenteuer einer Spielerkarriere bleibt sicher jedem in bester Erinnerung, gerade bei DSA gibt es zu diesem Zweck ja einige speziell für den Spielstart gedachte Abenteuer, die ganze Generationen an die Spielwelt herangeführt haben, vor allem Silvanas Verschwinden und Der schwarze Turm aus der DSA1- bzw. DSA3-Basisbox. Gemeinsames Merkmal war dabei eine eher einfache Struktur, wobei der Hintergrund durch ikonische Örtlichkeiten unterstrichen wurde, durch den ersten Trip nach Havena bzw. einen Besuch in der berüchtigten Dämonenbrache. Die Einsteigerbox bietet in dieser Hinsicht gleich zwei Abenteuer, allerdings mit unterschiedlicher Konstruktion: Die Räuber vom Dunkeltann ist ein einfach gehaltenes erstes Abenteuer, woran sich mit Der Turm im Nebelmoor ein Kampagnenband für Einsteiger anschließt, der die Ereignisse vom Spielbeginn in einen deutlich größeren Kontext setzt.

I. Aufbau und Inhalt

Die Räuber vom Dunkelwald

Hierbei handelt es sich um ein 48 Seiten starkes Abenteuer, das direkt an die vier in der Box befindlichen Soloabenteuer anschließt, in denen die Helden ja ihre Tauglichkeit für eine größere Aufgabe beweisen sollten, die sie nun erhalten: Die Hauptfrau der gräflichen Garde, Elgard Hohenwald, betraut die Gruppe damit, die vermisste Edle Eldora aus dem Dunkeltann zu retten. Besagte Dame wurde das Opfer einer Entführung. Zwar existiert eine Lösegeldforderung, allerdings wird nicht beabsichtig, dieser nachzugeben, da es sich schon um die zweite Forderung handelt und die beiden Gardisten, die zuvor zur Übergabe entsandt wurden, sich nun ebenfalls im Gewahrsam befinden und die verlangte Summe dreister Weise sogar noch erhöht wurde.

Sobald die Helden sich auf die Suche begeben und im Dunkeltann die vorhandenen Spuren sichten, stoßen sie schnell auf eine Höhle. Ab diesem Zeitpunkt ergibt sich ein klassisches Dungeonabenteuer, in dem die Spielercharaktere langsam in das Höhlensystem vorstoßen und sich mit etwaigen Höhlenbewohnern auseinandersetzen müssen. Hier kommt in Kämpfen dann auch die Verbindung mit den Bodenplänen und den Acrylmarkern zum Tragen, wird doch an den entsprechenden Stellen in deren Verwendung eingewiesen.

Ohnehin ist die Abenteuerhandlung im Prinzip der deutlich kleinere Teil der Handlung. Zumeist sind hier nur Beschreibungen von Örtlichkeiten vorhanden bzw. von Gegnerverhalten (vor allem im Finale). Den Löwenanteil machen wie schon in den Soloabenteuern Erläuterungen von Regeln und Spielsituationen aus. Auch hier ist der Gedanke so, dass der Einsteiger-Spielleiter sich nicht den Regelband durchlesen muss, sondern zur Leitung allein die Lektüre des Abenteuers ausreicht. Das bedingt eingangs einer recht engen Führung, so dass sehr oft konkret die Optionen der Helden aufgeführt werden und dann erläutert wird, wie man als Spielleiter damit umgehen kann. Gerade Proben und Kämpfe werden dann wieder sehr exakt erklärt, genauso wie die Heldenbögen. Dazu findet sich zusätzlich noch ein 6seitiger Anhang, der auf alle für das Abenteuer relevante Regelaspekte eingeht.

Der Turm im Nebelmoor

Der zweite Abenteuerband ist anders aufgebaut, ist es doch ein Kampagnenband: Zunächst beinhaltet er mit dem titelgebenden Der Turm im Nebelmoor ein zweites, ausgearbeitetes Abenteuer. Hier verändert sich allerdings der Fokus: Inhaltlich sollen einige flüchtige Räuber verfolgt und zur Strecke gebracht werden. Dazu ist hier aber nun deutlich mehr Interaktion gefragt, z.B. findet ein längerer Abschnitt in dem Dorf Düsterrode statt, wo die Helden Informationen sammeln können. Dazu finden sich neben einer Beschreibung der Ortschaft viele Angaben zu den Dorfbewohnern, mit denen die Helden sprechen können und immer ist auch angegeben, welche Auskünfte sie jeweils erteilen können. Das Finale hingegen findet natürlich wieder außerhalb des Dorfes in der Wildnis statt. Dort gilt es, sich das passende taktische Vorgehen zurechtzulegen, um die Gegner überwältigen zu können. Für den Meister ist zudem ein kleiner Baukasten mit Zufallstabelle vorhanden, um eine Überlandreise auszugestalten.

An das Abenteuer schließt sich in der Folge die Kampagne Das Geheimnis des Drachenritters an, wobei es sich um eine Sammlung von Einzelszenarien handelt. Diese Szenerien erstrecken sich über 3-8 Seiten und ergeben zusammen eine Episodenfolge: Dabei wird der Hintergrund der beiden ersten Abenteuer langsam aufgedeckt, was also hinter der anfänglichen Entführung und der Häufung von Räuberüberfallen in jüngster Zeit in der Heldentrutz steckt.

Der Umfang der Abenteuer ist dabei höchst unterschiedlich, in der Regel gilt es, eine der Bedrohungen für die Grafschaft auszuschalten, wobei zumeist wieder Elgard als Auftraggeberin in Erscheinung tritt. In mehreren Abenteuern ist es zugleich das Ziel, besondere Gegenstände zu erlangen, die sich im großen Finale als hilfreich erweisen können. Der geringen Seitenzahl entsprechend ist hier jeweils nur ein grobes Handlungsgerüst vorhanden, während die Details selbst ausgearbeitet werden müssen. Für die wichtigsten Figuren ist allerdings ein Anhang mit Beschreibungen vorhanden, für die Grafschaft generell kann der Spielleiter auf den Hintergrundband aus der Box zurückgreifen. Für die Kämpfe ist im Beiheft zudem immer ein entsprechender Bodenplan enthalten. Das Finale hingegen ist wieder etwas länger ausgefallen, fokussiert sich dabei auf einen für ein Einsteigerverhältnisse ausgesprochen epischen Kampf, wobei sehr intensiv auf mögliche Kampftaktiken der Helden eingegangen wird, aber natürlich auch auf das Agieren der Gegner. Die Reihenfolge der einzelnen Szenarien ist nicht vorgegeben, allerdings existiert ein konkreter Vorschlag für einen denkbaren Ablauf.

II. Kritik

Erneut fällt wieder die enge Verzahnung der Produkte auf: Während die Spieler sich bei Spielbeginn auf die Soloabenteuer für ihre Figur konzentrieren können, kann der Spielleiter sich zeitgleich um das erste Gruppenabenteuer kümmern. Dabei ist gleich positiv anzumerken, dass das Abenteuer tatsächlich so gestaltet ist, dass hier nur das Abenteuer gelesen werden muss, während man Regel- und Hintergrundband zunächst links liegen lassen kann. Mittels eines Erzählbeispiels wird zunächst eine Spielszene vorgestellt, woran sich Anmerkungen zur grundsätzlichen Spielleitung anschließen, ebenso zum Aufbau eines Abenteuerbandes und zur Spielvorbereitung. In den einzelnen Handlungsabschnitten wird dann aufbereitet, wie man diese den Spielern vermitteln kann und mitsamt Beispielen wird zudem erläutert, wie Probemechanismen und andere Regeln funktionieren (und wann man auf diese zurückgreift und wann nicht) oder wie und wann man Informationen präsentiert. Klar erkennbar wird ein großer Teil des Bandes darauf verwendet, so dass die Handlung extrem simpel gehalten wird, im Prinzip durchquert man eine leicht zu findende Höhle, die kaum Abzweigungen aufweist und die Helden somit schnörkellos in das Finale lenkt, wo dann die Durchführung eines Kampfes mit mehreren Beteiligten das erste „Lernziel“ darstellt. An einer Stelle stört mich diese Vorgehensweise etwas, so ist der Einstieg etwas holprig, hier fehlen mir genaue Angaben über den Aufenthaltsort und eine kurze Einführung in den Auftrag mit ein paar genaueren Erläuterungen durch Elgard hätte ich als günstiger angesehen, stattdessen wird quasi direkt an die Soloabenteuer angeschlossen, ohne aber einen Gedanken über eine intensivere Gruppenzusammenführung verwenden.

Der auffällige Verzicht auf große Interaktion ist dann umgekehrt ein Schwerpunkt von Der Turm im Nebelmoor, wird hier dem vorherigen Dungeoncrawl doch großen Wert darauf gelegt, die Helden mit den Figuren in Düsterrode kommunizieren zu lassen. Auch hier wird der Spielleiter gut an die Hand genommen und sehr kleinschrittig erläutert, wie die Helden welche Informationen gewinnen können und wie man diese vermitteln kann, gleiches gilt für den folgenden Abschnitt, der ebenfalls eine Art Tutorial für die Ausgestaltung von Überlandreisen darstellt. Der Finalort ist zudem intensiver ausgearbeitet, hier können taktisch ausgeklügeltere Lösungen ausgetestet werden, allerdings immer noch auf einem sehr einfachen Terrain, das den Gegnern nur begrenzt Möglichkeiten gewährt, sich zu verschanzen.

Stilistisch deutlich anders gestalten sich anschließen die Kampagnenszenarien: Hier wird eine deutliche Lernkurve abverlangt, soll der Spielleiter doch mit Hilfe des vorhandenen Grobgerüstes die Handlung in wesentlichen Teilen selbst ausarbeiten. Die Szenarien sind dabei allerdings überschaubar gehalten, z.B. entpuppt sich eine Zwergenbinge nicht als Sammlung riesiger unterirdischer Hallen, sondern man gelang quasi durch den Hintereingang direkt in die Kammer, in der sich das Objekt der Begierde befindet. Das Finale als weiteres Beispiel hält sich nicht großartig mit Einzelheiten und komplexen Geflechten auf, sondern konzentriert sich auf die örtlichen Begebenheiten für einen Endkampf und zeigt verschiedene Optionen auf. Somit sind die Episoden inhaltlich sehr einfach, aber funktional gehalten. Von der Geschichte her gefällt mir die Grundidee eines Schurkens mit einem Masterplan gut, allerdings wären stellenweise ein paar mehr Varianten reizvoller, anstatt ständig nur auf Räuber- und Orkbanden zu setzen. Vor allem fehlt es mir noch an Anregungen, wie man die Finte aufrecht halten könne, dass es sich bei dem Ritter und seinem Drachen wirklich um ein konkurrierendes Heldenduo handeln könnte und nicht um die eigentlichen Antagonisten. Die Idee dazu ist zwar vorhanden, wird aber nur an einer Stelle (und dort eher slapstickhaft) aufgegriffen.

Als sehr gelungen betrachte ich den durchaus epischen Aufbau: Nach dem vergleichsweise simplen Beginn mit dem Ausräuchern von Räubern steigert sich das Geschehen bis hin zu einem echten Drachenkampf. Mein eigentliches Highlight sind dabei aber die Artefakte, die man im Vorfeld des Finales als Hilfsmittel erlangen kann. Hier finde ich es ausgesprochen angenehm, dass nicht die fast schon klischeehafte DSA-Bodenständigkeit bedient wird, sondern diesmal die großen Geschütze aufgefahren werden und man auch das Gefühl erhält, sich in einer von machtvoller Magie geprägten Welt zu befinden. In dieser Hinsicht sind DSA-Abenteuer seit langer Zeit im Gegenteil extrem geizig, hier würde ich mich freuen, wenn die vorliegende Variante auch ein Signal für ein Umdenken darstellen würde. Einen Schuss mehr Epik kann Aventurien aus meiner Sicht hin und wieder vertragen, zumal die Bodenständigkeit ja trotzdem in vielen anderen Elementen der Kampagne enthalten ist, was ja angemessen einsteigergerecht ist. Und ebenso erscheint es logisch, dass nach einigen Handlungsepisoden die Dimensionen der Handlung spürbar ausgeweitet werden und exemplarisch aufgezeigt wird, was abseits von Standardaufträgen noch alles denkbar ist. Zudem wird auf diese Weise auch plausibel gestaltet, dass vergleichsweise unerfahrene Helden einen Drachen besiegen können.

III. Fazit

Auch im Bereich der Gruppenabenteuer ist eine klare Konstruktion aus aufeinander aufbauenden Abenteuern zu erkennen, in denen gerade auch auf die Lernkurve des Spielleiters geachtet wird. Die einzelnen Abenteuer haben erkennbare Schwerpunkte, in denen den Spielern zunehmend mehr Interaktion mit ihrer Umgebung abverlangt wird, sowohl im Umgang mit NSCs als auch im Bereich von Kampftaktiken etc. Im Bereich der Story ist bewusst wenig Komplexität vorhanden, womit weiterhin der Eindruck bestehend bleibt, dass die vorliegenden Abenteuer wirklich in erster Linie für echte Einsteiger geeignet sind und erfahrenen Spielern wenig abverlangen. Sehr positiv gefällt mir der Ansatz, die Spielwelt nicht nur bodenständig zu zeigen, sondern auf einen mächtigen Gegner und Artefakte zurückgegriffen wird. Im Kampagnenband verlangen die späteren Szenarien dem Spielleiter allerdings schon eine beträchtliche Gestaltungsleistung ab, was aber immer von geeigneten Hilfsmitteln begleitet wird.

Genau wie bei den Soloabenteuern verzichte ich an dieser Stelle noch auf eine Bewertung zugunsten einer abschließenden Wertung nach Sichtung aller Bestandteile der Box.

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