Das Geheimnis des Drachenritters IV – ein Gesamtfazit

Vorbemerkung: Den gesamten Mai über gab es hier im Blog ein dominantes Thema mit der Besprechung der DSA5- Einsteigerbox Das Geheimnis des Drachenritters. Angesichts der Fülle an Materialien erschien es mir deutlich günstiger, eine Trennlinie zwischen den Solo- und Gruppenabenteuern und den Hintergrundheften zu ziehen. Nachdem dies nun abgeschlossen ist, wird es Zeit, jetzt zu einem abschließenden Fazit zu kommen, wobei natürlich vor allem die Frage im Mittelpunkt steht, wie sich die einzelnen Publikationen gegenseitig ergänzen.

Das Füllen einer alten Lücke

Zunächst ist sicherlich positiv anzumerken, dass die vorliegende Box ein unzweifelhaft vorhandenes Defizit ausgleicht: DSA5 hat mittlerweile ja bereits ein paar Jahre auf dem Buckel, in der Zwischenzeit sind die meisten Bände mit Kernregeln erschienen (auch wenn noch nicht die ganze Bandbreite von DSA4 erreicht ist). Nach wie vor ist DSA aber trotz gewisser Vereinfachungen kein regeltechnisches Leichtgewicht und über 30 Jahre Metaplot und eine riesige Publikationsgeschichte haben für einen auf den ersten Blick nicht mal ansatzweise klar einzugrenzenden Hintergrund gesorgt. Sprich: Die Einsteigerfreundlichkeit hält sich in Grenzen, auch wenn es durchaus jede Menge Abenteuer gibt, die auch für unerfahrene Spieler gut geeignet sind, fehlt es an klaren Einstiegsprodukten, die für neue Spieler auch auf den ersten Blick als solche erkennbar sind. Somit füllt die gesamte Box dieses Vakuum endlich aus.

Die alten Editionen verfügten ja überwiegend über ähnliche Konstrukte bestehend aus einem Grundregelwerk und je einem Solo- und einem Gruppenabenteuer, die jeweils dazu angedacht waren, die ersten Schritte in Aventurien zu ermöglichen, während DSA5 mit dem kompletten Grundregelwerk und erst folgend einigen Abenteuern eingestiegen ist, klar mit dem Fokus auf „Umsteiger“, die schon Erfahrung besitzen.

Das große Ganze im Blick

Nimmt man den konkreten Inhalt im Einzelnen, so habe ich ja durchaus einige Kritikpunkte gefunden: Die Soloabenteuer sind wenig mehr als kurze Appetithäppchen, die kaum Handlung enthalten. Bei den Gruppenabenteuern sieht es ähnlich aus, hier ist die Handlung ebenfalls sehr eingegrenzt, gerade die Aktionen der Gegner sind sehr simpel und stellen kaum eine Herausforderung dar, während im Bereich der Kampagne die Lernkurve nicht ohne ist, wenn plötzlich nach den extrem eng geführten ersten beiden Abenteuern der Spielleiter weitgehend selbstständig die groben Abenteuerskizzen mit Leben erfüllen sollen. Im Hintergrundbereich liegt der Fokus auf der Darstellung der Heldentrutz, ohne wirklich die Vielfalt Aventuriens aufzuzeigen. Die Regeln sind lediglich zur Begleitung der konkreten Einsteigerhelden im Rahmen der Box gedacht, eine Generierung von eigenen Helden ist mit den Mitteln der vorliegenden Box nicht möglich.

Tatsächlich sind das sicherlich relevante Kritikpunkte, hier allerdings handelt es sich in der Summe um das Resultat einer klar nachvollziehbaren Designentscheidung: Die gesamte Box ist völlig auf die Bedürfnisse von echten Neueinsteigern ausgerichtet und soll diesen in einer angemessenen Lernkurve die Besonderheiten von DSA vermitteln, wobei ein sehr enger Fokus auf die Spielbarkeit der Boxinhalte gelegt wurde und man quasi ein „Rundum-Sorglos-Paket“ erhält.

In diesem Kontext erscheinen auch die obigen kritischen Aspekte in einem etwas anderen Licht: Zwar mögen die Soloabenteuer wirklich nur knapp eine Viertelstunde Spielzeit ausfüllen, in Kombination mit den vielen Erläuterungen auf den kommentierten Heldenbögen sorgen sie aber dafür, dass man vor dem ersten Gruppenabenteuer mit den Grundmechanismen und den wichtigsten Begriffen bereits vertraut ist. Die Abenteuer sind zudem auf eine klare Lernkurve ausgerichtet: Die Räuber vom Dunkelwald ist ein bewusst simpel gehaltener Dungeoncrawl, der vor allem Probemechanismen und Kämpfe vorstellt, während folgend Der Turm im Nebelmoor Interaktion in den Vordergrund setzt, wenn die Spielercharaktere auf viele NSCs treffen und sich auch auf dem gesellschaftlichen Parkett beweisen sollen.

Auch für Spielleiter hilfreich

Besonders positiv fällt hier auf, dass sehr intensiv an die besonders komplexen Anforderungen an den Spielleiter gedacht worden ist und auch dessen Aufgaben anfangs sehr kleinschrittig erläutert werden und auch hier stufig neue Elemente eingeführt werden. Gerade der Gedanke, dass man eingangs wirklich nur das erste Abenteuerheft benötigt, um direkt losspielen zu können (wobei der Spielleiter sich parallel vorbereiten kann, während die Spieler sich mit ihren Heldenbögen und den Soloabenteuern auseinandersetzen), erscheint extrem sinnvoll und motivierend, muss man eben nicht erst eine Art „Grundstudium DSA“ vorschalten. Die abschließende Kampagne ist zwar für den Spielleiter wirklich deutlich herausfordernder, allerdings eben durch die gute Begleitung durch die anderen Hefte gut zu leisten.

In diesem Kontext ergibt auch das sichtlich abgespeckte Regelheft Sinn: Er erfolgt keine Überflutung durch die Fülle an Regeln, die DSA im Ganzen ausmachen, sondern es gibt eine Konzentration auf das Wesentliche, wobei die Regeln, die für die Helden gelten, gut und anschaulich erklärt werden. Sehr komfortabel ist vor allem das Kapitel zu den Steigerungsmöglichkeiten, in dem viele Optionen aufgezeigt werden, wie man seine Figur schlagkräftiger werden lassen kann oder in welche Richtung Spezialisierungen möglich und gewinnbringend sind. Der Verzicht auf die Generierung sorgt somit für eine erhöhte Fokus auf konkrete Anforderungen der hier verwendeten Heldenfiguren, die man somit optimal begleitet führen kann, sorgt aber tatsächlich dafür, dass das Regelheft nicht weiterführend nutzbar ist und natürlich ist man somit auch einzig auf die vier Charaktere beschränkt ist. Das ist zwar eine bewusste Einschränkung, allerdings hätte ich mir hierzu doch einige Informationen gewünscht, um Einsteiger auch mit diesem Komplex ein wenig vertraut werden zu lassen.

Inhaltlich muss man deutlich darauf hinweisen, dass es aus meiner Sicht für erfahrene Spieler zu wenig Herausforderungen gibt, dazu ist die Handlung dann doch zu simpel. Allerdings ist auch hier der Ausschnitt gut gewählt: Die Heldentrutz stellt einen überschaubaren Mikrokosmos dar, der allerdings aus meiner Sicht etwas unverbrauchter ist als die klassische Einsteigerregion Andergast/Nostria, bei der beispielsweise immer der irrational erscheinende Antagonismus erklärt werden muss. Hier finden Einsteiger ein eher klassisches Setting vor, mit mittelalterlich anmutenden feudalen Machtstrukturen, also u.a. den lokalen Adeligen als Auftraggebern und der Landbevölkerung als Schutzbedürftige. Trotzdem sind genügend Fantasieelemente vorhanden mit den Orks (wenn auch nur als eher klischeehafte Bedrohung), Drachen etc. Die Story hat dabei aber durchaus ein gutes Grundpotential, vor allem weil einige Überraschungen im Bereich der Antagonisten enthalten sind. Gegenspieler mit einem flexiblen Masterplan sind in der DSA-Geschichte nicht immer selbstverständlich, auch wenn ich stellenweise etwas mehr Raffinesse gewünscht hätte. In diesem Punkt kommt folglich auch die Einschränkung auf, dass abseits der Regel- und Hintergrundeinführung die Box auch in Sachen Story für erfahrene Spieler eher weniger bietet, auch hier ist eindeutig auf ein einsteigergerechtes Sujet geachtet worden, so dass die Möglichkeiten der Gegner stets etwas eingeschränkt sind.

Ein im Vorfeld geäußerter Vorwurf war ja der – vergleicht man Das Geheimnis des Drachenritters mit ähnlichen Produkten zu anderen Rollenspielsystemen – stattliche Preis von 40 Euro. Hier mag es zwar stimmen, dass das für ein Einstiegsprodukt etwas höher gewählt ist und vielleicht somit nicht den Effekt eines kostengünstigen Lockmittels erreicht. Allerdings denke ich hier eindeutig, dass der Inhalt das rechtfertig, ist die Box doch wirklich vollgepackt und enthält auch genügend Material, um eine ganze Reihe von Spielsitzungen zu füllen. In dieser Hinsicht erweist sich die Idee eines Kampagnenbandes als sehr gut, stellt das doch eine kreative Spielwiese mit jeder Menge Ideen und Anregungen für viele Folgeabenteuer dar, die im Grundgerüst vorhanden sind, aber noch mit Details gefüllt werden müssen. Neben den hier angesprochenen Printprodukten sind zudem ja noch einige weitere Hilfsmittel enthalten, wie z.B. die Bodenpläne und Acrylmarker zur Darstellung von Kampfsituationen. Diese sind zwar aus meiner Sicht nicht unbedingt ein wahnsinniger Kaufanreiz, sind aber im Prinzip eine nette Idee, auch wenn man bedenkt, dass der typische Einsteiger anfangs eher noch mit den Konzepten von Brettspielen vertraut ist, also Spielpläne und -figuren gewohnt ist.

Fazit

Das Geheimnis des Drachenritters stellt für mich eine gute Umsetzung der Idee einer Einsteigerbox dar. Man merkt eindeutig, dass im Vorfeld genau über eine sinnvolle Verzahnung der Einzelbestandteile nachgedacht wurde, so dass im Endergebnis die Übergänge relativ nahtlos sind, wobei besonders gelungen die Konzeption der Soloabenteuer und des Einstiegsabenteuers ist, mittels derer Spieler und Spielleiter zu einem schnellen Spieleinstieg befähigt werden. Auch folgend ist die Lernkurve bedacht worden, so dass man nach und nach an komplexere Spielanteile herangeführt wird, stimmig begleitet mit reduziert gehaltenen Regeln und Spielweltinformationen. Schade ist einzig der Umstand, dass keine Generierung eigener Helden möglich ist sowie dass erfahrene Spieler auch mit den Abenteuern wahrscheinlich weniger anfangen können.

Bewertung: 5 von 6 Punkten

5 Kommentare

  1. Was die Auswahl und Steigerung der Charaktere angeht, erinnert es mich konzeptionell am ehesten an Blackguards. Finde ich persönlich auch gut gelungen im Rahmen der Box. Gerade beim anfänglichen Steigern gibt es immer noch relativ viel Entscheidungsraum.
    Den grössten Nutzen dürften aber Spielleiter haben, vor allem im Vergleich zu früheren DSA-Einsteigerpublikationen. Diese habe ich teilweise noch weiter angeschaut. Gerade die Schnellstarterregeln schneiden im Vergleich nicht gut ab. Eine Übersicht gibt es hier: https://de.wiki-aventurica.de/wiki/Kategorie:Einsteiger

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