Rezension: Katzenspuren

Vorbemerkung: Die Atmosphäre einer speziellen Umgebung ausgestalten zu können, ist sicher eine der schwierigeren Aufgaben im Rollenspiel. Im Bereich von DSA sind mit der 5. Edition die sogenannten Heldenbreviere als mögliche Hilfestellung ins Leben gerufen worden, in denen aus Sicht typischer Figuren einer Region mit ihren eigenen Worten Erlebnisse geschildert werden. Auch DSK ist mit einem solchen Band ausgestattet, der passenderweise den Titel Katzenspuren trägt und aus der Feder von Carolina Möbis stammt, die auch schon die meisten Heldenbreviere zu den DSA-Regionalspielhilfen verfasst hat.

In Zahlen:

– 160 Seiten

– 3 Protagonisten (allerdings aus einer Erzählperspektive)

– Preis: 14,95 Euro

– erschienen am 11.8. 2019

I. Aufbau und Inhalt

Katzenspuren ist in einer einzigen Erzählperspektive verfasst, indem der der Dachtänzer Toller Meinsdeins seinen Nichten und Neffen seine jüngste Heldentat als eine Art Gutenachtgeschichte erzählt. Unterbrochen wird seine Schilderung lediglich durch einige kurze Zwischenspiele, die in der Regel dialogartig aufgebaut sind und Tollers Worte um einige zusätzliche Informationen ergänzen.

Tollers Geschichte führt durch fast alle Stadtteile von Havena, gilt es für ihn doch, seinem alten Freund Monti aus einer Notlage zu helfen. Besagter Monti ist seit einer misslungenen Zaubervorstellung verschwunden, allerdings nicht allein, sondern mitsamt einem pikanten Beutestück. Dem vermeintlichen Dieb ist nun die halbe Stadt auf der Spur, unter anderem auch einige extrem unangenehme Gestalten.

Schnell ist Toller selbst in diese brisante Geschichte verwickelt und muss feststellen, dass es bald nicht nur um Montis Zukunft, sondern auch um seine eigene geht. Somit ist er darauf angewiesen, die gesuchte Beute innerhalb kurzer Zeit zu finden. Allerdings ist er dabei nicht auf sich allein gestellt, sondern erhält die Hilfe zweier kompetenter Begleiterinnen: Bei Roca Beinhart handelt es sich um die Katze fürs Grobe, ist sie doch als Tiefling kampferprobt und zudem eine treue Freundin Tollers. Anders gestaltet sich dies bei Mailin Funkenschimmer. Die vornehme Katze taucht plötzlich aus dem Nichts auf und beteiligt sich an der Ermittlung, kann aber mit ihren Verbindungen und Informationsquellen gut helfen, ihre Agenda bleibt für Toller aber weitgehend im Verborgenen. Das ungleiche Trio setzt sich auf die Spur von Montis mutmaßlicher Komplizin und gerät unterwegs in die eine oder andere brenzlige Situation, wozu unter anderem Konflikte mit Unterweltgrößen, bissigen Hunden und Ratten gehören. Zusätzlich muss Toller feststellen, dass ihn rätselhafte Geistererscheinungen verfolgen, deren Hintergrund er ebenfalls ergründen muss, will er seinen Seelenfrieden zurückerlangen.

II. Figuren

Im Kern wird die Geschichte von den drei genannten Protagonisten bestimmt: Toller ist ein charmanter Dachtänzer, der sich in den Gassen Havenas heimisch fühlt und sich mit einer Mischung aus Dreistigkeit, Schläue und Körpergeschick durchs Leben schlägt. Roca hingegen ist immer dann zuständig, wenn Kraft benötigt wird. Bemerkenswert ist ihre Loyalität, mit der sie auch dann zu Toller steht, wenn eine Belohnung für ihren Einsatz höchst ungewiss erscheint. Mailin hingegen verkörpert eine Katze der Oberschicht, die zwar das Abenteuer sucht, allerdings nicht jede Umgebung zu schätzen weiß, beispielsweise wenn Roca die Gruppe in die Tiefe der Kanalisation hinabführt.

Abseits von diesem Trio haben allerdings auch eine ganze Reihe der prominenten erwachten Katzen Havenas ihren Auftritt, die schon im DSK-Regelwerk als besonders prägende Figuren vorgestellt wurden, geht es doch hinter den Kulissen auch um die feinen Intrigen unter den Mächtigen der Katzenwelt.

III. Kritik

Im Prinzip ist das Heldenbrevier in seiner ursprünglichen Funktion für DSK gar nicht so wichtig: Immerhin ist der Hintergrundteil im Regelwerk ja schon sehr narrativ verfasst worden, so dass eigentlich schon viele Texte über Havena aus Katzensicht vorhanden sind, was auch schon vieles an Atmosphäre des Settings aufgezeigt hat. Allerdings schildert es dafür beispielsweise gut, wie die unterschiedlichen Katzen zusammenarbeiten, wie sich ihre Fähigkeiten als „Heldengruppe“ gegenseitig ergänzen. Dabei wird unter anderem der durchaus stärkere Egoismus im Vergleich zum idealtypischen menschlichen DSA-Helden deutlich, indem vor allem Mailin und Toller eigentlich sehr unterschiedliche Ziele verfolgen, sich dann aber in Gefahrensituationen trotzdem für den anderen einsetzen.

Ohnehin werden vor allem die Besonderheiten des Lebens eines Katzenhelden gut veranschaulicht, unter anderem indem wird aufgezeigt, dass sie – anders als die Menschen – nicht einfach so von A nach B kommen können, sondern bei Tageslicht bestimmte Verhaltensweisen ändern müssen, wollen sie weiterhin unerkannt unter den Großlebewesen wandeln. Deswegen läuft Wegfindung häufig anders ab, als man es gewohnt ist. Genauso ist es sehr vielsagend, wenn Katzen im Dialog plötzlich von „mein Mensch“ sprechen, was ja dem üblichen Haustierverständnis konträr gegenübersteht, was aber das Denken sehr gut widerspiegelt. Ebenso werden Kontraste erzeugt, indem bekannte Orte wie das Wachsfigurenkabinett aufgesucht werden, deren Logik sich dem Verstand eines Katers kaum erschließt.

Die Geschichte selbst ist gut und augenzwinkernd geschrieben, wenn Toller mit viel Charme und manchmal offenkundiger Übertreibung von seinen turbulenten Erlebnissen erzählt. Es wirkt nicht alles bierernst, zumal aufgrund des Charakters einer Gutenachtgeschichte Gewalthandlungen weitgehend ausgeblendet werden, was eben durch Tollers Charakter als Herumtreiber mit einem variablen Verständnis von Besitzverhältnissen unterstrichen wird, dennoch herrscht durchaus einiges an Abwechslung, u.a. durch ständige Ortswechsel erzeugt. Der Einbau der Geistererscheinungen als Nebenstrang zeigt zudem einen weiteren Aspekt der Spielwelt auf, wirkt aber im Ganzen etwas bemüht auf die eigentlich im Vordergrund stehende Ermittlungsgeschichte aufgesetzt.

Die Wahl einer einzigen Erzählperspektive erscheint insofern logisch, als dass die beschriebenen Protagonisten nicht des Lesens und Schreibens mächtig sind, stellenweise wäre aber auch die Kontrastperspektive Mailins durchaus interessant gewesen, was so nur in den Zwischenspielen stattfindet. Die Gutenachtgeschichte erscheint angesichts des Vorhandenseins von Erzählregeln für Kinder eine logische Wahl, um ein Buch verfügbar zu haben, was diese Zielgruppe gut anspricht, allerdings kann ich aber auch aus Erwachsenenperspektive eindeutig bestätigen, dass Katzenspuren gut unterhält. Ebenfalls gelungen sind wie üblich die schönen schwarz-weiß-Illustrationen von Katharina Niko.

IV. Fazit

Katzenspuren ist ein sehr unterhaltsames und kurzweiliges Heldenbrevier für die erwachten Katzen. Die charmante Erzählperspektive eines Herumtreibers führt durch eine abwechslungsreiche Ermittlungshandlung mit vielen interessanten und unterschiedlichen Charakteren, durch deren Denken und Handeln der Erlebnishorizont der Katzenhelden gut unterstrichen wird.

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