Rezension: Das Geisterschiff

Vorbemerkung: Auch die 2. Staffel der Hörspiel-Reihe von Winterzeit-Audiobooks geht langsam auf die Zielgerade, liegt mit Das Geisterschiff nunmehr doch die 10. Folge vor. Bisher waren die Eindrücke der 2. Staffel sehr gemischt. Die unterhaltsame Piratenatmosphäre und die technisch hervorragende Machart können überzeugen, nach wie vor unterlaufen den Machern aber auch viele unnötige Patzer, weil ihnen der aventurische Hintergrund offenkundig zu wenig vertraut ist. Somit hoffe ich vor allem darauf, dass die Geschichte weiter spannend vorangetrieben wird und sich derartige Probleme in Grenzen halten.

I. Inhalt

Zu Beginn hält die Heldengruppe, die sich auf dem Rückweg in die Hrunjasbucht befindet, einen Kriegsrat ab, wie sie mit dem Verlust der geheimnisvollen Truhe umgehen soll. Sardos klärt seine Gefährten dabei über die Natur ihrer Gegner Aldari und Bragdul auf und äußert auch seine Befürchtung, diese könnten versuchen, den Namenlosen aus seiner Gefangenschaft zu befreien, was Unheil über ganz Aventurien bringen würde. In einer Taverne kommen sie zu der Erkenntnis, dass die Antworten auf ihre Fragen in Ragnas Geist verborgen sein müssen, weshalb Alinne auf magische Weise eine Blockade durchdringt, um auf die Spur des Geisterschiffs zu kommen. Anschließend begeben Hothar und seine Mannschaft sich auf weitere Informationssuche, die sie zu dem alten Kaperfahrer Wilmund führt. Dieser entpuppt sich zwar als ausgesprochen verschroben und unheimlich, verfügt allerdings auch über beachtliche Ressourcen, was literarische Informationsquellen angeht.

Zurück auf hoher See bleibt der Gruppe keine andere Wahl, als mit allen Mitteln die Konfrontation mit dem Geisterschiff herbeizuführen, da anscheinend kein anderer Weg offensteht, um den Fluch des Goldes brechen. Allerdings gestaltet sich diese Begegnung wie erwartet als ausgesprochen gruselig und gefährlich. Trotzdem ergibt sich am Ende eine überraschende Wende.

II. Figuren

Bei den bekannten Figuren stechen einmal mehr Alinne und Gundar hervor, allerdings mit völlig anderen Vorzeichen. Alinne ist nach wie vor diejenige, die mit ihren enormen Fähigkeiten in der größten Gefahr die Retterin in der Not darstellt. Gundar hingegen fällt weiterhin durch sein verändertes Verhalten auf, indem er sich reizbar und aggressiv zeigt.

Wichtigster Ansprechpartner dieser Folge ist der alte Thorwaler Wilmund, der ausgesprochen mysteriös gezeichnet ist, sich trotz seiner Verschrobenheit (wobei passenderweise mit Satiago Ziesmer der deutsche Sprecher von Steve Buscemi eingesetzt wird) aber als sehr hilfreich erweist, verfügt er doch über einen wahren Hort des Wissens.

Die Antagonisten Bragdul und Aldari bleiben hingegen noch sehr diffus, da sie nur in einer kurzen Szene vorkommen und eine direkte Konfrontation mit Hothar und Co. diesmal noch ausbleibt. Dafür offenbaren sie ihr eigentliches Ziel von immenser Tragweite.

III. Kritik

Inhaltlich kann ich zunächst ein Lob loswerden. Die Gruselgeschichte kann gut unterhalten, das gilt sowohl für die Rechercheszene beim wunderbar verschrobenen Wilmund als auch für die Konfrontation mit Kapitän Silbertod und seinen untoten Piraten, wobei insbesondere die überraschende Wende überzeugt, wenn die Szene sich völlig anders entwickelt, als man erwartet hat. Hier haben sicherlich bekannte irdische Schauergeschichten im Stile des Fliegenden Holländers oder die Fluch der Karibik-Filme Pate gestanden. Das ist – auch akustisch – sehr gut umgesetzt und sorgt für eine überwiegend sehr unterhaltsame Folge, die die Gesamthandlung auch gut vorantreibt.

Das Aber setzt dann wiederum im Bereich der Darstellung der aventurischen Verhältnisse ein. Vielfach habe ich mich rein inhaltlich diesmal nicht gestört, was die meisten konkreten Handlungsaspekte angeht. Das Zechen in einer Taverne, die Gespräche mit Wilmund über das Geisterschiff und das Zusammentreffen mit der Zordak selbst verweisen zwar kaum auf Aventurien, das ist aber deshalb nicht problematisch, weil es – wie schon angesprochen – unterhaltsam ist. Sicherlich hängt dies auch damit zusammen, dass man sich mittlerweile an die Figuren gewöhnt hat und mitfiebert, wie sie sich diesmal aus dem Schlamassel retten wollen. Hier ist lediglich etwas vorhersehbar, dass wieder einmal Alinne das As im Ärmel darstellt, für meinem Geschmack wird diese Rolle etwas überstrapaziert, auch weil es etwas unlogisch erscheint, dass der erfahrene Sardos in dieser Hinsicht wenig nützlich erscheint und stattdessen die ungeübte Dilettantin ständig kompetenter wirkt.

Problematisch wird es aber immer dann, wenn zwanghaft versucht wird, mit aventurischen Begriffen zu arbeiten, die dann aber wiederum offenbaren, dass offenkundig wenig Recherche stattgefunden hat. Das gilt einerseits für die generelle Idee einer Befreiung des Namenlosen, was – wie schon in der Kritik der vorherigen Folge angesprochen – schlichtweg eine Nummer zu groß für eine einzige Heldengruppe erscheint, nimmt man sonstige Handlungsbögen von DSA-Romanen und Abenteuern. Genauso hoch gegriffen scheint dann der Hammer Ingerimms als das gesuchte Artefakt aus der Truhe, wobei eine simple Google-Suche offenbaren sollte, dass dieser sich dort eigentlich nicht befinden kann. Aber auch in kleinen Aspekten sind wieder Recherchedefizite vorhanden, erkennbar an Aussprüchen wie „Wir setzen die Segel und fahren nach Gareth“. Auch hier könnte eine kurze Suche (die nicht mehr als 5 Minuten in Anspruch nehmen würde) die Problematik dieser Aussage zutage fördern. Die Interviews in den schön gemachten Booklets legen zwar nahe, dass solch eine Kritik nicht allzu ernst genommen wird, trotzdem halte ich sie für legitim, wenn das Produkt unter dem Label DSA läuft. Es ist sicher – wenn man eine breitere Zielgruppe ansprechen will – völlig richtig, nicht mit lauter aventurischen Spezialbegriffen um sich zu werfen. Aber eine gewisse Grundrecherche, um offenkundige Widersprüche zu vermeiden, halte ich schon für angebracht.

Wie üblich bleibt die technische Seite tadellos. Das gilt einerseits für Musik und Hintergrundgeräusche: Stürmische See und klappernde Knochenpiraten werden genauso wie ein brennendes Haus akustisch sehr atmosphärisch und greifbar vermittelt. Andererseits ist es jedes Mal total faszinierend, wie sogar kleine Nebenrollen mit bekannten Sprechern besetzt werden, die den Figuren enorm viel Persönlichkeit verleihen, selbst wenn es sich nur um wenige Sätze handelt.

IV. Fazit

Alles wie gehabt an der Hörspiel-Front: Das Geisterschiff weist identische Stärken und Schwächen im Vergleich zu den vorherigen Folgen auf. Die Geschichte ist unterhaltsam gestaltet und wird von einer ausgesprochen professionellen technischen Machart getragen. Dafür ist die Recherche weiterhin fehlerhaft, so dass man immer wieder Widersprüche zu aventurischen Verhältnissen findet, die zumeist vermeidbar erscheinen.

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