Rezension: Blutsbande

Vorbemerkung: Einerseits ist die rasche Publikationsfolge für die Das Blut der Castesier-Romanreihe ja ausgesprochen erfreulich, dank des zuverlässigen Erscheinens der Fortsetzungen im Zwei-Monate-Rhythmus bleibt man als Leser vergleichsweise gut in der Handlung, die ja auch schon auf eine stattliche Seitenzahl kommt. Andererseits bedeutet die Veröffentlichung des nunmehr 5. Bandes Blutsbande von Daniel Jödemann leider auch, dass die Abenteuer von Lucia, Valerius und Sabella langsam auf ihre Zielgerade einbiegen. Für den aktuellen Roman ist meine Erwartungshaltung vor allem, dass nun langsam der Zeitpunkt erreicht sein müsste, an dem es zu mehr als nur einer angedeuteten Wiedervereinigung der Geschwister kommt.

In Zahlen:

– 360 Seiten

– 3 Erzählperspektiven

– Preis: 14,95 Euro

– Erschienen am 28.2. 3020

I. Aufbau und Inhalt

Tatsächlich weist der Band in dieser Hinsicht eine Besonderheit auf: Zwar ist der Großteil von Blutsbande wie gewohnt in einzelne Kapitel unterteilt, in denen abwechselnd ein Mitglied der Castesier-Familie als Perspektivfigur fungiert, stellenweise wird nun aber auch innerhalb einzelner Kapitel zwischen den Geschwistern gewechselt, verursacht durch den Umstand, dass diese sich mitunter am selben Ort befinden.

Dabei haben alle drei zunächst ihre eigenen Pläne, denen sie nachgehen. Vor allem Valerius hat sich mittlerweile eine komfortable Machtposition ausgebaut, verfügt er doch über ein ansehnliches Vermögen und eine stattliche Anzahl an loyalen Helfern. Somit forciert er auch seinen Racheplan, der ihn zuletzt zum Drahtzieher des Todes vieler geliebter Menschen führen soll, dem geheimnisvollen Procurator der fünf Banden Bosparans. Weiterhin ist dabei aber viel taktisches Vorgehen verlangt, muss er sich doch über Mittelsmänner und -frauen weiter an die Identität des Prokurators heranarbeiten. Allerdings birgt dies nach wie vor auch Risiken, werden doch umgekehrt auch immer mehr Personenkreise auf ihn aufmerksam, wodurch er stets von Attentaten bedroht wird.

Lucia hingegen soll die Garantin ihrer Gladiatorenschule für Erfolge in Bosparan werden. Dazu müssen sie und die anderen Gladiatoren von Decius sich in der neuen Stadt erst einmal auf dem fremden Arenaboden beweisen. Gerade ihr Liebesverhältnis zu ihrer Herrin Felicita sorgt dabei für zusätzliche Komplikationen, auch weil diese sich mit großem Ehrgeiz auf dem Parkett der Hauptstatt beweisen will, wozu sie auch bereit ist, Lucia und die anderen Gladiatoren unter besonders riskanten Bedingungen antreten zu lassen.

Sabella hingegen befindet sich in der misslichen Lage, mitten zwischen die Fronten der Intrigen der Convocata Prima Glaciana und deren Konkurrentin bei der anstehenden Widerwahl, Arcavia, geraten zu sein. Beide Frauen wollen sie als Schachfigur ihres Konfliktes nutzen, weil sie das große Potential der begabten Nekromantin erkannt haben. Auch hier zeichnet sich schnell ab, dass die beiden Kontrahentinnen planen, zum finalen Schlag gegen ihre Widersacherin auszuholen. Nach wie vor muss sich Sabella dabei mit der stets spürbaren dämonischen Präsenz auseinandersetzen.

Allgemein steht Bosparan im Zeichen der Rückkehr des siegreichen Cassus, der sich als Triumphator in seinem Feldzug nach Elem in Szene setzt, was unter anderem mit einer entsprechenden Würdigung in der Arena verbunden ist. Gerade für Lucia bedeutet dies ein zusätzliches Bedrohungsszenario, muss sie doch befürchten, von ihrem ehemalgien Feldherrn erkannt zu werden. Aber auch Valerius und Sabella finden sich in der Arena ein, wenn auch aus völlig anderen Motiven. Tatsächlich kommt es in Laufe des Bandes nun auch zu direkten Begegnungen miteinander.

II. Personen

Nach wie vor ist die Entwicklung der drei Hauptfiguren der zentrale Fokus des Romans. Auffällig ist diesmal, dass die Handlungsanteile annähernd gleich verteilt sind und alle Geschwister in ihren Bestrebungen einen Schritt nach vorne tätigen können. Valerius kommt dabei wieder mit Rufus zusammen, wobei ihr Verhältnis spürbar distanzierter geworden ist. Dafür stellt Rufus auch das Bindeglied zwischen ihm und Lucia dar. Um Valerius hat sich ohnehin die größte Riege an Nebenfiguren gebildet, steht er doch einer kopfstarken Bande vor. Auch bei ihm sind aber gewisse Tendenzen erkennbar, dass er auch die Bereitschaft zeigt, Mitglieder seiner Bande zu opfern, wenn ihn dies seinem zentralen Ziel näherbringt. Generell ist ersichtlich, dass die vielen persönlichen Verluste ihn härter gemacht haben, die Leichtlebigkeit vom Anfang der Romanreihe ist fast gar nicht mehr zu verspüren.

Sabella hat trotz ihres Status als Adepta nur wenig Unabhängigkeit gewonnen, nach wie vor versuchen andere sie auszunutzen. Glaciana und Arcavia stellen dabei zwei ausgesprochen mächtige Kontrahentinnen dar, die sich schon seit Jahrzehnten bekämpfen. Insbesondere zu Glaciana ergibt sich ein besonderes Verhältnis, ist sie doch auch die Verantwortliche für den Tod von Sabellas Familie.

Lucia ist mittlerweile die anerkannte Prima ihrer Gladiatorenschule und hat somit ihren Ruf als Außenseiterin verloren, erstmals entwickelt sie auch wieder neue Zukunftspläne, die durchaus auch den Gedanken an ein Leben in Freiheit beinhalten. Problematisch erweist sich ihr Verhältnis zu Felicita, die sich als ausgesprochen ehrgeizig entpuppt. Unklar bleibt die Frage, ob sie Lucia wirklich aufrichtig liebt oder ob sie die Gladiatorin nur als ein nützliches Werkzeug zum Erreichen ihrer Ziele ansieht.

Eine Sonderrolle nimmt Cassus nach seiner Rückkehr ein, ist doch recht eindeutig ersichtlich, dass er nach seinen Erlebnissen auf dem Feldzug mit höheren Mächten in Verbindung steht und ganz offensichtlich auch plant, ein relevanter Machtfaktor in Bosparan zu werden, wobei sogar eine Revolte gegen seinen Vater denkbar erscheint.

III. Kritik

Nach wie vor muss zunächst die rasche Publikationsfolge gelobt werden, die tatsächlich dafür sorgt, dass man stetig in der Handlung bleibt und ein sehr lebendiges Bild von den Protagonisten hat und begierig darauf ist, an der weiteren Entwicklung teilzuhaben. Dabei verspürt man ständige Fortschritte, ganz gleich ob es um Valerius Racheplan, Sabellas Kampf gegen ihre dämonische Besessenheit oder Lucias Streben nach Anerkennung geht, was zu einem ständigen Überlebenskampf geworden ist. Gerade hier sorgt Blutsbande für einigen Fortschritt, wobei Valerius trotz einiger Rückschläge seinem Ziel zu greifen nahe steht. In Sabellas Fall stellt sich heraus, dass ihr persönliches Dilemma nunmehr zu einer Bedrohung für ganz Bosparan erwachsen ist. Das stellt vor allem einen epischen Abschluss der Romanreihe in Aussicht. Lucia mangelt es hingegen noch an eigener Handlungsfähigkeit, bleibt sie doch nach wie vor unfrei, trotz und auch gerade wegen ihres Liebesverhältnisses zu Felicita.

Überraschenderweise ist es für mich dabei Valerius Handlungsstrang, den ich am reizvollsten empfinde, gerade der Wandel hin zum einflussreichen Bandenführer hat sich positiv ausgewirkt, auch weil sein Charakter eine sehr melancholische Note erhalten hat, geprägt durch die vielen Verluste. Allerdings fällt hier die Konfrontation mit dem Kult des Güldenen und den damit zusammenhängenden Offenbarungen über seine Eltern etwas merkwürdig aus, hier bin ich gespannt, welche Rolle dieses Puzzleteil am Ende im Gesamtzusammenhang haben wird. Gelungen ist vor allem der Cliffhanger am Ende des Romans, in dessen Zentrum Valerius steht.

Sabella bleibt ihrer Rolle als die stets Unterschätzte treu, die bislang jeden, der sie als willfähriges Werkzeug benutzen wollte, auf schmerzhafte Weise eines Besseren belehrt hat. Unklar bleibt allerdings nach wie vor ihre Agenda, ob sie sich von ihrer Besessenheit ernsthaft trennen will oder ob sie bereit ist, den dunklen Stimmen in ihrem Inneren nachzugeben. Ihre Gedanken Cassus betreffend legen überraschenderweise nahe, dass sie sich in dieser Hinsicht doch noch ein Gewissen bewahrt hat.

Lucia hingegen scheint am wenigsten Fortschritt/Entwicklung zu erfahren, bleibt sie doch weiterhin diejenige, die kaum eine eigene Agenda betreibt, seit sie von der Centuria zur Gladiatorin wurde. Insbesondere im Verhältnis zu Felicita wirkt es mitunter merkwürdig, dass sie deren offen manipulative Art nicht einmal ansatzweise zu erahnen scheint. Dafür steht sie als die Kämpferin weiterhin im Mittelpunkt der actionreichsten Passagen des Romans.

Bestätigt hat sich auch meine anfängliche Annahme, dass die Geschwister sich endlich wieder näherkommen werden. Allerdings ist dies längst nicht in dem Umfang geschehen, in dem ich das erwartet hätte, nach wie vor agieren sie bis auf wenige Begegnungspunkte noch jeder für sich. Trotzdem ist vor allem die gleichzeitige Anwesenheit in der Arena ein echter dramaturgischer Höhepunkt der gesamten Romanreihe. Bemerkenswert ist nach wie vor die Anlage aller Geschwister als Charaktere mit dunklen Schattierungen, begehen doch alle drei auch in diesem Roman moralische Grenzüberschreitungen. Damit fehlt es weiterhin an einer echten Identifikationsfigur (was aber eindeutig auch bewusst so angelegt ist). Somit wird die moralische Ambivalenz der Dunklen Zeiten nachhaltig unterstrichen, in denen sich gerade Adelige (eben auch in Ungnade gefallene) über ihre Machtposition definieren.

IV. Fazit

Blutsbande führt die Castesier-Geschwister zwar nur eher oberflächlich zusammen, allerdings wird ihre Entwicklung weiterhin vorangetrieben, indem alle für ein episches Finale positioniert werden, in dem sie aus ihren erworbenen Rollen agieren können. Die Handlung ist dabei durchweg spannend konstruiert, auch wenn keine echte Identifikationsfigur vorhanden ist, fesselt das Intrigenspiel und die Frage, inwieweit ein positiver Ausgang der individuellen Leidensgeschichten möglich ist. Zudem deutet sich an, dass es um weit mehr als die einfache Rachegeschichte geht, die in den ersten Romanen entwickelt wurde.

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