Rezension: Aventurisches Transmutarium

Vorbemerkung: Kreaturen-Bände haben derzeit bei DSA eine Hochzeit. Nachdem zu Beginn die beiden Bestiarien eher unspezifisch waren, hat sich zuletzt das Konzept herauskristallisiert, klare inhaltliche Schwerpunkte zu setzen. Auf Tiergefährten und Dämonen folgt nun mit dem Aventurischen Transmutarium ein Band, der sich besonders beliebten Wesen widmet, mit denen man im Laufe einer Heldenkarriere sicherlich häufig konfrontiert worden ist: Chimären und Daimoniden. Beiden haftet vor allem etwas Gruseliges an, handelt es sich doch um keine natürlichen Wesen, sondern solche, die durch künstliche Eingriffe in die naturgegebene Ordnung zustande gekommen sind. Natürlich verspreche ich mir hier vor allem viele Gegnerwesen, die man als besondere Highlights nutzen kann, um eine Heldengruppe damit zu traktieren.

In Zahlen:

– 160 Seiten

– Preis: 34,95 Euro

– Erschienen am 22.3. 2021

I. Aufbau und Inhalt

Zu Beginn folgt der Band dem gewohnten Schema der bekannten Kreaturenbände. Somit erhält jedes Wesen eine Doppelseite, auf der es ausführlich vorgestellt wird. Eingeleitet wird dies mit einem kurzen Ingame-Text, der vor allem Atmosphäre erzeugen soll. Dem schließt sich eine allgemeine Beschreibung des Wesens an, wobei bei den Mischwesen einerseits die Komponenten genannt werden und oft auf die Entstehungsgeschichte eingegangen wird, bevor das konkrete Verhalten und Äußerlichkeiten thematisiert werden. Zudem gibt es einen breit angelegten Wertekasten mit allen notwendigen Regelaspekten. Im Fließtext werden außerdem häufig besondere Vertreter ihrer Art genannt, z.B. wird als Vertreter des Homursus (einer Mensch-Bär-Chimäre) der Menschbär Vito genannt, der in den Arenakämpfen von Al´Anfa Erfolge feiert. Natürlich ist für jedes Wesen auch eine Illustration vorhanden.

Eine Trennung wird dabei zwischen Chimären und Daimoniden vorgenommen. Bei Chimären handelt es sich um eine Verbindung aus mindestens zwei Tieren bzw. von Mensch und Tier. Im Fall von Daimoniden kommt zudem eine dämonische Komponente hinzu. Insgesamt sind dabei 26 Chimären und 23 Daimoniden berücksichtigt worden. Die Bandbreite reicht dabei von Klassikern wie dem Mantikor und dem Schlangenmenschen bei den Chimären oder den Hummeriern und den Scherenwächtern Pardonas bei den Daimoniden bis hin zu selten verwendeten oder gar völlig neuen Wesen. So finden sich viele Kreaturen, die bislang noch nicht beschrieben wurden, z.B. der Chamäleonlöffler (wobei Löffler sich auf einen Hasen bezieht), der Riesenaffenkrakenmolch oder das Sskhrsessuar, eine kleine Echsen-Chimäre, die besonders zu Spionagezwecken geeignet ist. Bei den Daimoniden stellt z.B. der Zerschmetterling eine Aventurisierung der irdischen Theorie des Schmetterling-Effektes dar, indem die Zerstörungskraft des unscheinbaren Wesens mit seiner dämonischen Komponente erklärt wird.           

Das Kapitel Erschaffung von Transmutationen widmet sich zunächst der Geschichte der Chimärologie, wobei auf das Wirken von Pardona und der Alten Drachen genauso eingegangen wird wie auf das der Magiermogule bis hin zu den Umtrieben Zurbarans. Unter Meilensteine der Transmutationen werden besondere Schöpfungen wie die Blutbäume Balphemors von Punin berücksichtigt, zudem erfolgen einige theoretische Anmerkungen sowie Sonderfälle wie kulturschaffende Daimoniden wie die Hummerier. Um Ursachen für Chimärenforschung nicht nur in einem negativen Kontext zu benennen, wird auch deren konkrete Verwendung als Nutzchimären aufgeführt.

Eine Neuerung im Vergleich zu den vorherigen Bänden, vor allem den beiden Transmutarien, stellt das Kapitel Namenhafte Koryphäen der Chimärologie dar, das sich auf konkrete Personen bzw. NSC fokussiert. Zunächst stehen dabei die Verstorbenen oder fast schon mythisch gewordene Figuren im Vordergrund, z.B. Abu Terfas, Zurbaran, Nahema oder auch Borbarad persönlich, dann folgen aktuelle NSC wie Alborn Troksick als Zurbaranier oder der Fasarer Lehrmeister Shabob sal Dilhaban. Dabei wird das Kurzporträt stets mit einem Zitat der betreffenden Person eingeleitet, dann wird das Vermächtnis (bei Verstorbenen) bzw. die Agenda (bei Lebenden) benannt und zuletzt werden die namenhaften Transmutationen zugeordnet, die sie jeweils geschaffen haben. Zusätzlich werden noch einige aufstrebende Koryphäen in Stichworten vorgestellt.

Dem schließen sich Grundregeln zur Erschaffung von Transmutationen an, wobei im Zentrum das grundlegende Ritual Chimaeroform steht nebst den dazugehörigen Erweiterungen. Dazu zählen einige Fokusregeln, mit denen man z.B. Transmutationen modifizieren kann. Dabei wird auch erläutert, wie eigene Transmutationen erschaffen werden, z.B. welche Modifikatoren erforderlich sind, je nach Größenkategorie der Chimären bzw. deren Komponenten und wie man Werte für die entstehenden Wesen ermittelt. Ein wichtiger Aspekt ist natürlich auch die Kontrolle der Chimären und Daimoniden, z.B. kann die Loyalität ermittelt werden oder es können einfache Befehle erteilt werden.

In Anhang sind noch Werte für die archetypische Chimärenmeisterin und ein Professionspaket für eine Chimärologin enthalten. Zudem sind noch all die Regeln beinhaltet, die für die Wesen des Bandes benötigt werden, u.a. (Kampf-)Sonderfertigkeiten und Zaubersprüche, die diese beherrschen.

II. Kritik

Die beiden ersten Kreaturenbände waren mir als Bestiarien viel zu unspezifisch angelegt, da mir dort die Auswahl viel zu willkürlich erscheint, was die Nutzung für mich sehr einschränkt. In dieser Hinsicht stellten schon die Aventurischen Tiergefährten einen deutlichen Fortschritt in der Machart dar, hier sind mir aber die beinhalteten Wesen zu profan und zu irdisch wirkend. In dieser Hinsicht reiht sich das Aventurische Transmutarium nun als eine Art Monsterband eindeutig in eine Reihe mit den beiden von mir positiv besprochenen Pandämonien ein. Das liegt vor allem daran, dass die hier vorgestellten Kreaturen fast durchweg entweder solche Wesen darstellen, um die sich aufgrund ihrer Besonderheit eigene Abenteuer stricken lassen oder die fordernde oder interessante Gegner sind. Dazu sind die Texte eben meist so geschrieben, dass konkrete Spielanlässe geboten werden, z.B. wenn auf die besonderen Exemplare eingegangen wird.    

Gelungen sind die grafischen Darstellungen, die die Chimären und insbesondere die Daimoniden durchweg sehr plastisch zur Schau stellen, manchmal ausgesprochen fies-eklig (womit sie aus meiner Sicht zwar nicht sehr ästhetisch sind, aber eben genau den beabsichtigten Zweck erfüllen). Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. den sehr kuriosen Chamäleonlöffler) sind sie überwiegend recht düster gehalten und passen oft zu Abenteuern mit Horrorelementen. Somit stellt der Band auch einen weiteren Beleg dafür dar, dass Aventurien gar keine expliziten Kreaturen aus dem Cthulhu-Mythos benötigt, sondern schon genug eigene Anleihen bzw. Eigenkreationen besitzt, die viel besser zur Spielwelt passen. Gelungen ist dabei auch die Mischung aus Klassikern wie dem Mantikor und neuen Wesen. Darunter gibt es neben reinen Kampfkreaturen auch solche, die sehr spezielle Einsatzgebiete haben, wie z.B. die Sskhrsessuar mit ihren Spionagefähigkeiten oder das Fluchechsenshadif als unwilliges Reittier. Daneben existieren auch eine Reihe von Wesen, die zwar schon lange Teil des DSA-Kanons sind, allerdings eher selten verwendet wurden. Das regt sogar ein wenig zur Recherche an, z.B. habe ich den Anlass genutzt, ein wenig in alten Erinnerungen zu schwelgen und in den entsprechenden Abenteuern zu blättern, wenn z.B. Hydron (aus Hand Joachim-Alpers Die sieben magischen Kelche, also seit 1983 nicht mehr verwendet) oder die Khoramsflederechse (aus Spur in die Vergangenheit von 1997) wiederentdeckt werden. Sicherlich sind dabei es nicht immer Wesen, die aus meiner Sicht Sinn ergeben, z.B. sprengt der Riesenaffenkrakenmolch dann doch etwas die Grenzen meiner Vorstellungskraft von sinnvoll einsetzbaren Kreaturen. Generell verstehe ich aber die hier vorgestellten Chimären und Daimoniden auch nur als beispielhafte Kreationen, die Möglichkeiten aufzeigen sollen. Dementsprechend ist vor allem der abschließende Regelteil eine sinnvolle Ergänzung, weil hier die Optionen zur Erschaffung eigener Varianten zur Verfügung gestellt werden. In der Hinsicht bin ich als jemand, der Regeln immer nur am Rande interessant findet, zwar kein Experte, aber all das, was dort an Regeln beinhaltet ist, erscheint mir grundsätzlich sinnhaft.

Was den Band aber qualitativ noch steigert, sind die Kapitel zur Geschichte der Chimärologie, in dem endlich neben einem Regelteil auch deutlich mehr Hintergrund zum Bandschwerpunkt geliefert wird. Das hat mir bisher in vielen neuen Spielhilfen gefehlt und gerade ein Kreaturenband wird so aus meiner Sicht noch einmal aufgewertet, indem man einerseits einen historischen Abriss erhält, andererseits aber auch mehr Informationen über den aktuellen Stand der aventurischen Chimärologie zur Verfügung hat. Extrem sinnvoll erscheint mir dann zuletzt das Kapitel mit den Koryphähen der Chimärenerschaffung. Dabei werden einerseits die historischen Persönlichkeiten vorgestellt (die ja – je nachdem welche Abenteuer man spielt – auch noch in älteren Publikationen persönlich anzutreffen sind), andererseits erhält man auch eine Reihe von interessanten aktuellen NSC. Diese sind ihren Beschreibungen nach vielseitig einsetzbar, sowohl als mögliche Auftragsgeberfiguren oder LehrmeisterInnen als auch als antagonistische Charaktere. Genau das ist ja ein Aspekt, den ich in der Vergangenheit immer wieder angesprochen habe, dass es mir an Aufbau bzw. Weiterentwicklung solcher NSC fehlt. Generell empfinde ich es zudem ausgesprochen positiv, dass Ulisses hier erstmals vom bislang bekannten Schema abgewichen ist und da, wo es sinnvoll ist, Neuerungen in die Bandstruktur eingebracht hat.

III. Fazit

Das Aventurische Transmutarium ist ein hervorragender Kreaturenband. Einerseits sind die beinhalteten Wesen vielzeitig einsetzbar und stellen häufig besondere Kreaturen da, die durchaus auch den Mittelpunkt von Abenteuern bilden können. Zudem weist der Band sinnvolle neue Strukturen auf, vor allem wird das Thema erstmals mit deutlich mehr Hintergrund (also über die einzelnen Kreaturen und Regelaspekte hinausgehend) erschlossen. Besonders positiv wirkt auf mich der Umstand, dass auch die ChimärenerschafferInnen genauer beleuchtet werden und man somit gleichzeitig auch einige spannende NSC erhält.

Bewertung: 6 von 6 Punkten       

6 Kommentare

  1. Danke für die schöne Rezension zu einem offensichtlich sehr gelungenen Kreaturenband.
    Teile der Inhalte stammen sicherlich aus dem Regionalband Die Flusslande, oder? Dort gab es bereits einen Chimärenbaukasten. Anlass waren die hasenähnlichen Valpodinger, die sich in den Wäldern des Kosch herumtreiben sollen.

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    1. Hab gerade nochmal verglichen. Da gibt es kaum Übersschneidungen. Bei dem Chimärenbaukasten in den Flusslanden (3 Seiten) geht es darum, für die Spielleitung mal eben kurz ein einfaches Monster mit wenigen Würfelwürfen basteln zu können. Im Transmutarium ist es vor allem eine Anleitung für Spieler-ChimärologInnen (17 Seiten), wie man selber Chimären erschaffen kann, die dann auch sehr ausdifferenzierte Fähigkeiten haben können. Das ist zur Abwechslung mal keine Doppelung.

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