Rezension: Ifirn-Vademecum

Vorbemerkung: Im Pantheon der Zwölfe wird der Norden Aventuriens in der Regel mit dem gestrengen Firun verbunden. Allerdings wirkt der grimmige Jäger immer ein wenig verbissen und einzelgängerisch, somit stellen dessen Geweihte oft ein schwer in eine Gruppe zu integrierendes Charakterkonzept dar. Einen passenden Kontrapunkt bietet allerdings seine Tochter Ifirn, die eher für Güte und Hilfe in der Not steht. Dementsprechend wirkt es logisch, dass auch sie nun in Form des Ifirn-Vademecum von Christian Nehling einen eigenen Band mit hilfreichen Leitlinien für ihre Geweihten erhält.

In Zahlen:

– 160 Seiten

– Preis: 14,95 Euro

– Erschienen am 22.3. 2021

I. Aufbau und Inhalt

Wie bei den anderen Bänden der Reihe handelt es sich auch hier um einen Ingame-Band, bei dem eine fiktive Autorin – in diesem Fall die Ifirn-Geweihte Ifirnja Birkenoff – auf Basis ihrer Erfahrungen Ratschläge für ihre GlaubensgenossInnen zusammengefasst hat. Das einführende Kapitel Vom Wesen der Milden erläutert – vor allem unter Verwendung vieler kurzer Erzähltexte – den mythologischen Hintergrund der Schwanengleichen, z.B. die Legenden über ihre Herkunft als Tochter von Firun und der Tulamidin Meriban. Dazu wird zunächst grob umrissen, wofür Ifirn steht und wie sich dies auf ihre Geweihten auswirkt.

In Weiße Federn und Kontraste wird dann näher auf das Gefolge der Göttin eingegangen, wobei auch hier zunächst das Vater-Tochter-Verhältnis skizziert wird. Anschließend liegt der Fokus auf ihren Töchtern, den Silberschwänen Nidari, Yidari, Lidari und Aidari, zudem Swanifrei, dem Delphin mit dem Schwanenhaupt. Im Bereich Kontraste werden diejenigen aufgeführt, die deutliche alternative Konzepte anbieten, was nicht unbedingt direkten Antagonismus bedeuten muss. Dabei werden Kor und die Schwarze Braut (ebenfalls eine Ifirnstochter) erwähnt, sowie Nagrach als eindeutiger Gegenspieler. Dieser eher mythische Komplex wird in Zwischen wohliger Wärme und beißender Kälte um das greifbare derische Gefolge erweitert. Vor allem sind dabei Iloen Schwanentochter und das Ifirnsrudel zu nennen. Dazu kommen viele TempelvorsteherInnen aber auch mit Walbirg von Löwenhaupt die Prinzessin von Weiden als einflussreichstes Mitglied der Glaubensgemeinschaft. Zugleich werden auch Handlungsmotive genannt, z.B. der Kampf gegen Theriak-Schmuggel und die Erlösung der Eisherzen.

In Regionale Ausprägungen wird auf die Unterschiede der Ifirnsverehrung in den verschiedenen Regionen Aventuriens gelegt. Dabei liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der Nordhälfte Aventurien und speziell auf dem Hohen Norden, wobei explizit die eisigen Gefilde des Nordens, das Bornland und Thorwal genannt werden, aber auch Bereiche Mittelaventuriens wie Weiden und Tobrien. Im Süden wird nur knapp auf Verehrungsaspekte Meribans verwiesen.

Beim liturgischen Wirken werden verschiedene Möglichkeiten der Geweihten angesprochen, göttliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, z.B. in Form von Segnungen. Viele davon haben etwas mit dem Schutz vor Kälte und Herzlosigkeit zu tun, wobei die Aspekte von Hilfe in der Not und Mildtätigkeit unterstrichen werden. Als Talismane werden sowohl konkrete Varianten wie die Eisrose von Jarlak, die Schwanenschwingen und der Heilige Eiskristall als auch mythische Gegenstände wie der legendäre Polardiamant Agam Bragab genannt.

In Der Weg zu Ifirn werden sowohl die Motive, sich zu Ifirn zu bekennen, angesprochen als auch unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten, differenziert danach, welchem der Ifirnskinder man sich besonders verbunden fühlt. Neben der Weihe werden auch konkrete Aufgabengebiete der Geweihtenschaft genannt, z.B. den Schutz der von Kälte Bedrohten als auch der Kampf gegen dunkle Mächte. Dies wird in Die Verehrung der Sanften noch weiter konkretisiert, ebenso werden dort besondere Orte der Verehrung aufgeführt, z.B. der Kristallpalast von Bjaldorn. Desgleichen wird auf Opfer und Spenden sowie auf besondere Feiertage eingegangen. Sternenfall und Sternenschimmer geht folgend auf Gegenwart und Zukunft ein, indem die Ifirnskirche den Sternenfall aufmerksam begleitet und die so genannten Ifirnsfunken sammelt, zudem ist Weissagung ein wichtiger Aspekt.

In den Strömungen des Glaubens werden die verschiedenen Rollen vorgestellt, die für Mitglieder der Glaubensgemeinschaft denkbar sind, von JägerInnen, KriegerInnen über ForscherInnen bis hin zu ProphetInnen. Nochmal konkretisiert wird dies im Sonderkapitel Anregungen zur Ausgestaltung von Ifirngeweihten, bei dem wie im Format üblich die Ingame-Perspektive verlassen wird diese Charakterkonzepte quasi als Archetypen erläutert werden. 

II. Kritik

Eine wichtige Frage, mit der ich an das Vademecum herangegangen bin, ist die nach der Eigenständigkeit im Vergleich zum Firun-Vademum, da ja in bestimmten Bereichen viele Überschneidungen zwischen dem grimmigen Jäger und seiner Tochter herrschen. Tatsächlich gelingt die Abgrenzung hier sehr gut, auch weil das Verwandtschaftsverhältnis zwar immer wieder angesprochen wird, letztlich aber der Fokus eindeutig auf Ifirn selbst und ihrer Glaubensgemeinschaft liegt.

Die Gefahr dabei habe ich zudem darin gesehen, dass eine zu klischeehafte Darstellung stattfinden könnte, in der Ifirn zu sehr darauf reduziert wird, eine sanfte Alternative zu ihrem bärbeißigen Vater darzustellen. Auch das wird aber vermieden, indem die Vielfalt der Ifirn-Kirche unterstrichen wird, was besonders im Bereich der Charakterkonzepte deutlich wird. Ifirn-Geweihe können vieles sein: KriegerInnen, JägerInnen, EntwicklungshelferInnen etc. Dabei wird auch nochmal unterstrichen, dass eine Stärke des Charakterkonzeptes ist, dass der Ifirnglaube die Aspekte vieler anderer Götter bzw. Göttinnen miteinander vereinbart, was viele Einschränkungen wegfallen lässt, die für Geweihte der Zwölfe oft gelten. Somit gestaltet sich die Integration in eine Heldengruppe mutmaßlich vergleichsweise einfach, da viele verschiedene Handlungsmotive und Rollenausprägungen denkbar sind.

Was ich in dieser Hinsicht etwas schade finde, ist dass in diesem Kontext nicht der Versuch unternommen wurde, Ifirn etwas mehr aus ihrer regionalen Verankerung im Norden zu lösen. Weiterhin wird sie vor allem im Kontext von Kälte und Eis gezeigt, was vor allem in den regionalen Ausprägungen spürbar wird, wenn für den Süden lediglich auf Meriban verwiesen wird. In den Charakterkonzepten wären aus meiner Sicht durchaus passende Anknüpfungspunkte denkbar gewesen, was bei den Archetypen aber nur beiläufig angerissen wird.

Eine große Stärke stellt sicherlich die Aktualität des Vademecums darf. Die Ifirn-Verehrung wird dabei sichtlich als in jüngster Zeit wachsende Gemeinschaft umrissen, da sie sich dem Kampf gegenwärtiger Probleme verschrieben hat, z.B. dem Schutz der eisigen Weiten des Nordens vor den Erben Gloranas und der Umtriebe Nagrachs, zusätzlich nimmt die Kirche den Sternenfall mit wachen Augen auf und versucht möglichst viele Informationen über die Hintergründe und die sich daraus ergebenden Perspektiven zu sammeln. Somit wird sie eng an den derzeitigen Metaplot angebunden und lassen sich die Kirche und ihre Mitglieder als Akteure gut in die Geschehnisse integrieren.

Spannend wird somit sicherlich auch die Frage, welche Rolle die Schwanengleiche und ihre Anhänger im Konflikt um die Positionen in Alveran spielen werden, nachdem hier in einigen Bereichen ein Antagonismus, z.B. zu Nagrach angedeutet wird, aber sicher auch Konfliktpunkte zur Kirche ihres Vater bestehen, da sie in ihrer Zeichnung als mildtätige Göttin für die Gläubigen nahbarer als Firun erscheint.  

Positiv gestaltet sich auch der Stil des Vademecums, das neben den informativen Anteilen auch vieles aus dem Legendenbereich beinhaltet, was zu dem märchenhaften Wesen Ifirns gut passt. Unterstrichen wird dies zusätzlich durch die schönen Illustrationen von Katharina Niko, die gerade die Atmosphäre des hohen Nordens gut einfangen.

III. Fazit

Das Ifirn-Vademecum fügt sich aus meiner Sicht nahtlos in die gute allgemeine Qualität der Reihe ein. Im Falle von Ifirn liegen die Stärken vor allem in den vielfältigen Charakterkonzepten, die sich gut in Heldengruppen integrieren lassen und der Aktualität der Problematiken, mit denen sich die Glaubensgemeinschaft beschäftigt.

Bewertung: 5 von 6 Punkten 

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