Rezension: Die Sonnenküste

Vorbemerkung: Crowdfundings von Ulisses sind immer sehr breit aufgestellt, trotzdem genießt in der Regel ein Kernband das Zentrum der Aufmerksamkeit. Somit möchte ich den Rezensionsreigen der kommenden Wochen auch mit der Besprechung der Regionalspielhilfe Die Sonnenküste beginnen. Interessant erscheint dabei der Umstand, dass mit den Zyklopeninseln und dem Wilden Süden, also dem südlichen Horasreich, zwei sehr unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt wurden, zudem erstmals nicht das gesamte Horasreich beschreiben wurde. Das kann einerseits ein Vorteil sein, weil es mehr Detailschärfe ermöglicht, andererseits aber auch den Nachteil haben, dass die Region sich nicht komplett anfühlen könnte.

In Zahlen:

– 192 Seiten

– Preis: 44,95 Euro

– Erschienen am 21.11. 2021

I. Aufbau und Inhalt

Wie gewohnt beginnt die Regionalspielhilfe mit einer geografischen Beschreibung, indem die unterschiedlichen Regionen nacheinander mit ihren jeweiligen Unterschieden aufgeführt werden, unterteilt in die Hohen Eternen, die Chababische Küste bzw.  das Hinterland, die Harodische Küste bzw. das Sumpfland und die Östlichen und Westlichen Zyklopeninseln. Dem schließt sich eine alphabetische Auflistung aller relevanten Städte und Siedlungen an, wobei mit Drol, Morbal, Neetha, Rethis, Teremon und Thegun die größten Städte eine ausführlichere Schilderung (z.B. mit den einzelnen Stadtteilen) und einen Stadtplan erhalten haben.

Dazu kommen allgemeine Kapitel zu Kultur und Wissenschaft, mit Sitten und Gebräuchen, aber auch der dort wichtigen Adelsunterteilung und mit einem Schwerpunkt auf Kampfkunst und Kriegsführung, da sich hier ja viele wichtige und berühmte Militäreinheiten wie die Hylailer Seesöldner befinden und auch die Flotte des Horasreich. Im Bereich von Handwerk und Technik sind vor allem die Erzeugnisse der Zyklopenschmiede zu nennen. Handel und Wandel setzt sich wie üblich mit allen wirtschaftlichen Aspekten auseinander. Im Bereich der Flora und Fauna findet sich ein kleines Bestiarium (u.a. mit dem Minotaurus, dem Zyklop und dem Satyr) mit Kurzbeschreibungen und Wertekästen für die einzelnen Wesen, zudem ein Herbarium.

Götter und Dämonen setzt eindeutige Schwerpunkte, z.B. bei Rondra und Hesinde auf dem Festland, während auf den Zyklopeninseln u.a. Ingerimm eine gewichtige Rolle spielt. Bei den Halbgöttern ist vor allem Aves zu nennen, da auf dem Seeweg für Reisefreudige viele Wege offenstehen. Umgekehrt handelt es sich gerade bei den Zyklopeninseln um eine traditionelle Hochburg der Anhänger des Namenlosen. Zauberei und Hexenwerk hingegen sind nicht so exponiert, auch weil es dort keine reguläre Magierakdemie gibt, dafür aber den Sitz der Grauen Stäbe in Neetha. Etwas mehr hervorgehoben werden die Saturduraki, die Zauberbarden der Sonnenküste. Wichtig sind aber die vielen dort verlaufenden Kraftlinien und starkes Wirken von Feenwesen, vor allem auf den Zyklopeninseln.

Rang und Namen hebt primär die lokalen Adeligen hervor, z.B. Alrigia ya Costermana, die Fürstin von Drol und natürlich Haridiyon Thaliyin, den quasi frischgebackenen Seekönig der Zyklopeninseln. Natürlich findet man hier aber auch Charaktere mit einer sehr langen Wirkungsgeschichte, wie Furro ay Oikaldiki, der in der Vergangenheit oft als Antagonist herhalten durfte.

Im Zusammenhang damit steht die Geschichte der Region, wobei mit den Zyklopen bei einem Volk begonnen wird, das schon vor den ersten Siedlern aus dem Güldenland dort gelebt hat. Sonst ist die Geschichte sehr konfliktreich, mit vielen Höhepunkten wie dem legendären Opfer von Thalionmel. Die jüngere Geschichte setzt Schwerpunkte wie den prägenden Ausbruch der Roten Keuche oder den Krieg der Drachen. Dazu gibt es wie üblich Angaben zum möglichen Wissen von Spielercharakteren über die Region und Würfeltabellen, mit denen man die Vorgeschichte einer regionalen Figur ermitteln kann.     

Helden der Sonnenküste präsentiert regionale Archetypen, die einerseits kurz beschrieben werden (nebst typischer Ausrüstung) und zusätzlich einen Wertekasten mit den Generierungsfaktoren. Aufgeführt sind der Chababische Rechtswahrer, die harodische Pflanzenkundlerin, der horasische Kartograph, die Hylailer Seesöldnerin, die Neethaner Kriegerin, der Olaranthe della Cerrano-Schwergeselle, die Zyklopäische Philosophin, der gildenlose Magier nach Kalliomathea Dorikeikos von Sorabis, der Satuduraki, der Draconiter und der Zyklopäische Avesgeweihte. Regeltechnisch werden noch neue Vor- und Nachteile sowie (Kampf)Sonderfertigkeiten und Wesenszüge eingebracht, zudem sind alle Regelaspekte für den Avesgeweihten angefügt, zudem die Zaubermelodien der Satuduraki und deren Instrumente. Um die HeldInnen auch ausrüsten zu können, gibt es eine kleine Rüstkammer mit allen Rüstungs- und Waffenwerten. Der Kernbereich des Bandes endet mit einem Index.

Allerdings folgt zuletzt wie immer das Sonderkapitel Mysteria und Arkana. Allgemein werden hier die Geheimnisse besonderer Orte und Figuren vertieft, wobei der Kernbereich um Zusatzinformationen erweitert wird. Ein Schwerpunkt liegt natürlich auf dem Wirken des Namenlosen und seiner Anhänger. Aus diesem Grund sind hier auch Werte und Regelaspekte für dessen Geweihte hinzugefügt. Mit Das verbotene Labyrinth ist zudem wieder ein konkreter Schauplatz vorhanden, der ausführlicher beschrieben wird, zudem mit Figuren und einer Karte versehen ist. Allgemein werden noch einige generische Meisterfiguren eingefügt, zuletzt schließt das Kapitel noch mit ein paar beispielhaften Abenteueraufhängern.

II. Kritik

Die Eingangsfrage lässt sich relativ leicht beantworten: Auch ohne das Horasreich im Gesamten haben der Wilde Süden und vor allem die Zyklopeninseln genug zu bieten, zudem weisen beide Regionen genug Eigenarten auf, um für sich zu stehen. Ich bin zwar tatsächlich kein großer Freund der Ausweitung auf derart viele Regionalspielhilfen, im vorliegenden Fall halte ich es aber für durchaus angemessen, die alte Gesamtregion zu unterteilen (vor allem wenn man bedenkt, in viele Einzelregionen das Mittelreich aufgeteilt ist).

Generell werden sehr spannende Settings vorgestellt, mit dem Süden als Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen, die aufeinandertreffen, wobei hier ein Schwerpunkt auch auf dem Intrigenspiel der lokalen Machthaber liegt (woraus sich in Zukunft hoffentlich einige Abenteuer ergeben werden, da nun einige neue Antagonisten existieren, die offenbar dauerhafter angelegt sind).

Die Zyklopeninseln unterscheiden sich davon sehr deutlich mit ihrer Anlehnung an die griechische Mythologie. Hier ist der fantastische Anteil auch deutlich höher mit vielen Fantasywesen, die Abwechslung bieten von rein menschlich geprägten Gebieten (wie einige der vorherigen Regionalspielhilfen, vornehmlich im mittleren Bereich Aventuriens). Feenwesen, die Automaten von Odenius, Zyklopen und ihre Schmiedekunst, das ergibt in meinen Augen eine gute Mischung. Der Namenlose als Antagonist ist zwar nicht unbedingt die originellste Wahl, hier passt es aber gut, da dies ja schon in der Frühzeit des Settings so angelegt gewesen ist.

Gerade hier muss ich zudem positiv hervorheben, dass die Mysterien für mich deutlich ergiebiger sind, als ich das umgekehrt zuvor bei Die Gestade des Gottwals kritisiert habe. Dort habe ich echte Geheimnisse weitgehend vermisst. Hier erhalten SpielleiterInnen deutlich mehr konkrete Einblicke in das, was die Region in den kommenden Jahren prägen soll. Das betrifft zum einen die Ereignisse, zum anderen aber primär die Figuren. In diesem Bereich gefällt mir, dass man viele interessante NSC erhalt, die in ihrer Konstellation so angelegt sind, dass sich reichlich Konflikte ergeben. Auch fällt auch, dass die klassische Schurkendichte deutlich höher ist und hier sehe ich auch das Potential, dass endlich wieder Figuren aufgebaut werden, die auch langfristig als Antagonisten fungieren können. Der Wechsel auf der Position des Seekönigs ist auf dem Sektor der Regionalspielhilfen zwar fast schon klischeehaft (da ja viele lokale Machthaber aus DSA4-Zeiten abgelöst wurden), bietet aber ebenfalls neue Möglichkeiten. Zudem kommt der neue Machthaber ja -anders als bei Thorwal – nicht aus dem völligen Nichts, sondern mit Harindiyon handelt es sich um eine Figur, die ja schon eine gewichtige individuelle Historie hat, die teilweise auch in Abenteuern erzählt worden ist.    

Ganz ohne Längen kommt der Band aus meiner Sicht nicht aus, z.B. im Geographiekapitel und auch Doppelungen sind mal wieder vorhanden, z.B. wenn ausführlich auf den Avesgeweihten und die Anhänger des Namenlosen (mit vielen Regelaspekten) eingegangen wird. In der Summe überwiegen für mich aber die nützlichen Elemente, z.B. die direkt nutzbaren Stadtbeschreibungen oder das Labyrinth als spielbarer Schauplatz.

III. Fazit

Die Sonnenküste ist eine gelungene Regionalspielhilfe, die die beiden zentralen Schauplätze gut aufarbeitet und sehr unterschiedliche Schwerpunkte bietet, wobei mir die Zyklopeninseln etwas reizvoller dargestellt erscheinen. Positiv gestaltet sich für mich vor allem der Umstand, dass diesmal deutlich relevantere Mysterien vorhanden sind und die Figurenkonstellation viele Konfliktpotentiale aufwirft, mit denen sich die Zukunft des Settings sicherlich spannend ausgestalten lässt. Längen und Doppelungen sind zwar vorhanden, fallen meiner Meinung nach diesmal aber nicht so sehr ins Gewicht.

Bewertung: 5 von 6 Punkten     

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